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Heimat und Fremde in meinem Leben
Ich wurde 1945 in Hengelo (O), Niederlande, geboren.
In 1965 machte ich dort das Abitur und arbeitete, bis zu meiner Heirat mit meinem deutschen Mann in 1967, als Arztsekretärin. Mein neuer Wohnort wurde dann Solingen, wo ich heute noch wohne. Ich besitze noch immer die niederländische Staatsangehörigkeit. Da Hengelo eine Industriestadt ist, machte ich schon sehr früh mit den ersten Gastarbeitern aus Italien und Spanien Bekannschaft. Dazu kamen in den fünfziger Jahren die Repatriierten aus dem heutigen Indonesien, damals Niederländisch-Indien. Mein Freundeskreis wurde schnell multikulturell und ist es bis heute geblieben. Als ich dann meinen deutschen Ehemann kennenlernte, bemerkte ich zum ersten Mal Widerstand von meinen Freunden und Verwandten, nicht dem Menschen gegenüber, sondern der deutschen Nationalität. Auch für meine Eltern und Großeltern muß es nicht leicht gewesen sein, mein Vater war mit 20 Jahren als Zwangsarbeiter in Halle/Saale eingesetzt, mein Großvater war in einem Konzentrationslager und ein Onkel in der Widerstandsbewegung. In Deutschland habe ich nie Ressentiments erfahren, als Niederländerin scheine ich für die Deutschen keine Ausländerin zu sein! Aber als ich dann in Köln Germanistik und Geschichte studieren wollte, schien dies mit meinem ausländischen Abitur noch nicht möglich zu sein. Ich wurde da persönlich mit "Fremdsein" konfrontiert. Heute würde ich mich damit nicht so schnell zufrieden geben wie damals. So blieb mir nicht anders übrig, als wieder in dem alten Beruf als Arztsekretärin zu arbeiten, was auch dadurch möglich gemacht wurde, dass ich die deutsche Sprache einigermaßen beherrschte. Die deutsche Sprache zu sprechen, war für mich die Voraussetzung, um mich integrieren zu können. Ich fühlte mich auch wegen der Mundart sehr schnell heimisch. Das "Solinger Platt" zeigt viele Übereinstimmungen mit dem Dialekt "Twents", der in Twente, einer Gegend im Osten der Niederlande, in der auch Hengelo liegt, gesprochen wird. Bis zur Geburt des ersten Kindes (Sohn) in 1970 war ich berufstätig. 1973/1982 bekamen wir noch 2 Kinder (Sohn/Tochter) und während der langen Kindererziehungsphase habe ich immer wieder Übersetzungsarbeiten (Niederländisch-Deutsch/Deutsch-Niederländisch) gemacht. Meine Muttersprache weiter zu pflegen war mir wichtig. 1990 fand ich es an der Zeit, wieder außerhalb des Hauses zu arbeiten. Der Gedanke studieren zu wollen, war aber immer anwesend. Ich hatte erfahren, dass die Bergische Universität Wuppertal das Senioren-Studium anbot, aber trotzdem hat es noch bis 1996 gedauert, bis ich den Schritt dorthin gemacht habe. Ich hätte diesmal mit meinem niederländischen Abitur auch das Regelstudium anfangen können, wollte aber erst wissen, ob ich dieses Studium schriftlich und sprachlich schaffen könnte. 1999 habe ich das Studium in der Soziologie, Politik und Geschichte erfolgreich mit einer Abschlussarbeit in der Soziologie und dem Zertifikat abgeschlossen. Das Regelstudium ist wieder in den Hintergrund geschoben, da ich während des Studiums eine Arbeit als Gesprächsgruppenleiterin und als Dozentin für "Deutsch als Fremdsprache" in der Erwachsenenbildung in Solingen und Wuppertal angeboten bekam. Zur Uni gehe ich aber immer noch, belege Seminare und Vorlesungen mit Themen, die ich für meine Arbeit brauchen kann, aber auch Themen, die sich mit Europa befassen. Außerdem bin ich im Vorstand des Senioren-Studentenvereins der Uni. Ich erwähne es, weil ich überzeugt bin, wenn ich als Ausländerin die deutsche Sprache nicht beherrschen würde, das nicht geschafft hätte. Als ich dann als Referentin bei der LiLL-Europa-Konferenz 2000 teilnahm, wo auch die Niederlande vertreten waren und meine Arbeit in Deutsch über das "Alterssicherungssystem der Niederlande im Vergleich zu Europa" vorstellte, hatte ich deutlich das Gefühl in 2 Ländern beheimatet zu sein. Seitenanfang Fragebogen zum Thema Heimat
Für mich ist Heimat zuerst mein Geburtsort. Da ich aber meine Heimat verlassen habe, stellt sich für mich auch die Frage: Ist nicht auch mein jetziger Wohnort meine Heimat? Ich kann diese Frage bejahen, nur gefühlsmäßig gibt es da einen Unterschied. Gespräche über den Begriff Heimat werden immer wieder geführt. Fragen, wie: Hast du niemals Heimweh?; möchtest du nicht zurück?; wirst du dort wieder hinziehen, wenn du alt bist?, werden immer wieder gestellt. Natürlich argumentiert man: meine 2. Heimat ist dort, wo ich jetzt wohne, meine Familie, meine Freunde habe. Idealisiere ich meine "Ursprungsheimat" nicht zuviel? Meine Freunde von damals und die Geschwister sind zum größten Teil auch weggezogen, mein Vater gestorben, meine Mutter schon alt. Was hoffe ich dort noch zu finden? Die Sprache oder der Dialekt spielt meiner Meinung nach eine sehr große Rolle. Wenn ich die Sprache des Landes nicht spreche, werde ich mich immer fremd und ausgeschlossen fühlen. Diese Frage habe ich zu 1 beantwortet. Meiner Meinung nach kann man sogar mehrere Heimaten haben. Der Begriff Heimat ist mir schon sehr oft in der Literatur (Gedichte, Romane), Musik (Heimatlieder), Zeitungen (Berichte über Heimattreffen/Heimatabende, kurze Geschichten im Dialekt), Theater (Volkstheater in Mundart), Radio und Fernsehen begegnet. Ob die Verwendungsweise mir immer sinnvoll erschien, kann ich nicht beantworten, obwohl sie mir bei Theateraufführungen in der Mundart sinnreich vorkam. Nicht sinnvoll finde ich die Verwendungsweise wobei das Nationalistische in den Vordergrund gestellt wird. Ich kann diese Frage nur aus der Sicht von meinen Kindern beantworten. Sie sind bis jetzt noch der Ansicht, dass Heimat ihr Geburtsort ist. Meiner Meinung nach unterscheidet sich die Vorstellung der Eltern und Großeltern von Heimat nicht wesentlich von der der Kinder. Bei der Feststellung : Hier ist meine Heimat können folgende Punkte eine Rolle spielen: Partner, Kinder, Freunde, Sprache, Mentalität, Besitz, Beruf, Landschaft, Kultur, Nahrung. Mein Erfahrungsbericht zum virtuellen Projekt "Heimat und Fremde" Beeindruckend an diesem Projekt war für mich, dass sich die TeilnehmerInnen gemeinsam mit einer Intensität und Ausdauer auf dieses Thema eingelassen haben, was ich nicht erwartet hatte. Der Austausch im virtuellen Netzwerk zwischen den Beteiligten war sehr fruchtbar und ist ein Beispiel für ein produktives und bereicherndes "Gemeinsam lernen im Internet". Alle TeilnehmerInnen am Projekt haben sich auf ihre Weise dem Thema genähert, sich nicht gegenseitig beschnitten und vieles von einander gelernt, sowohl inhaltlich als menschlich. Es hat sich gezeigt, dass gemeinsames Lernen im Netz lebendig und aufregend sein kann. Und nicht nur das. Ich musste mich ständig mit den technischen Seiten des Computers auseinandersetzen und habe gelernt, u.a. Mails zu verschicken und zu chatten. Uns standen Christian und Volkmar jederzeit bei Fragen zur Seite. Ich hatte es etwas leichter, denn zu Hause konnte ich auch noch meine zusätzlichen "Helfer" fragen. Heute bin ich in der Lage, ziemlich sicher mit dem PC zu arbeiten. Diese 1 ¾ Jahre waren für mich ein bedeutsamer Abschnitt in meinem Leben und ich hoffe, dass ich zusammen mit dieser Gruppe bei einem folgenden Projekt weitere Erfahrungen sammeln kann. Seitenanfang Zurück Wenn Sie Fragen haben: E-Mail an Angenita Stock-de Jong |