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Themenkomplex F
Heimat und Globalisierung
 


Zusammenfassung
Volkmar Gimpel
31.01.2002

Auf dieser Seite wird die Zusammenfassung zum Themenkomplex F veröffentlicht. Sie ist das Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit. Die Gliederung folgt nachstehend.
Die Links Fxx verweisen auf bisherige, den Themenkomplex tangierende Beiträge im Rahmen des Forums. Sie können unter diesen Adressen abgerufen werden. Notationen [x] verweisen auf Fußnoten.

Die bisher vorliegenden Beiträge zum Themenkomplex F finden Sie hier:
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    1. Einleitung
    2. Was ist Globalisierung?
    3. Kann Globalisierung verhindert oder rückgängig gemacht werden?
    4. Die Bedeutung von Heimat unter den Bedingungen der Globalisierung
    5. Terrorismus - Globalisierung - Heimat
    6. Fußnoten

     

    1. Einleitung
    Als wir Anfang 2001 beschlossen, uns in einem Komplex unseres Themas "Heimat und Fremde" mit Globalisierung zu beschäftigen, ahnten wir nicht, welche dramatische Veränderung die Bedeutung dieses Begriffs im Verlaufe eines Jahres erfahren sollte. Wir hielten es lediglich für erforderlich, uns mit der Rolle von Heimat im Zeitalter einer globalen vernetzten Gesellschaft auseinander zu setzen. Inzwischen hat durch die Ereignisse von Seattle, Nizza, Göteborg und Genua, durch die Konferenz von Durban und nicht zuletzt durch das Verbrechen von New York und Washington die Diskussion über Globalisierung eine völlig neue Dimension bekommen.

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    2. Was ist Globalisierung?
    Globalisierung vollzieht sich zunächst auf dem Gebiet der Ökonomie durch die zunehmende Internationalisierung des Handels, der Kapital-, Produkt- und Dienstleistungsmärkte sowie die internationale Verflechtung der Volkswirtschaften. Grundlage dieser Entwicklung sind die modernen Technologien, insbesondere auf dem Gebiet von Information und Kommunikation sowie des Transportwesens. Produktion und Arbeit, Dienstleistungen und Wissenschaft lösen sich von den nationalen Standorten. Träger der Globalisierung sind vor allem multinationale Unternehmen - "Global Player". Demgegenüber wird der Spielraum der nationalen Volkswirtschaften auf dem Gebiet der Wirtschafts-, Beschäftigungs-, Sozial- und Umweltpolitik zunehmend geringer.
    Die Globalisierung der Wirtschaft wirkt sich auf alle Gebiete des gesellschaftlichen Lebens - die Sozialsysteme, die politischen Strukturen, Kultur und Wissenschaft - aus. Der Nationalstaat wird geschwächt und in seinen Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt. Gleichzeitig wird von ihm erwartet, die Auswirkungen der Globalisierung zu mildern.
    Zur Zukunft der Nationalstaaten habe ich in einem Beitrag (
    F09) erklärt, dass ihre Zeit zu Ende geht. Nachdem Dieter dem widersprochen hatte (F10), habe ich mich dazu noch einmal ausführlicher geäußert (F12). Nationalstaat ist nicht identisch mit Nation - Sprachen und Kulturen in ihrer Vielfalt sind nicht von der Existenz von Staaten abhängig und werden viel länger bestehen als die heutigen Nationalstaaten. Im SPIEGEL 6/2002 beschreibt Hagen Schulze in dem Artikel "Die Erfindung des Staates" im Rahmen der Serie "Woher kommt Europa?" Entstehung und Entwicklung der europäischen Staaten vom Auftreten erster Formen bis in die Gegenwart. Er schließt mit diesen Sätzen:
      Die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs hat die Generation der Politiker, die Europas Einheit vorantrieben, geprägt: Ein Zurück zum alten Nationalstaat mit seinem aggressiv-expansiven Charakter dürfe es auf diesem Kontinent nicht mehr geben. Doch wie viel Staat in dem sich entwickelnden europäischen Gebilde noch übrig bleiben wird, ist eine offene Frage.[ 1 ]
    Die von den Regierungschefs der EU im Dezember 2001 in Laeken beschlossene Einsetzung eines Konvents, der die weiteren Schritte auf diesem Weg beraten soll bis hin zu einer europäischen Verfassung markiert die nächste Etappe dieser Entwicklung. Die begrenzten Möglichkeiten der heutigen Staaten verhindern sowohl eine gleichberechtigte Partnerschaft mit den global operierenden Konzernen noch können sie Basis der wirkungsvollen Bekämpfung des globalisierten Terrorismus sein.

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    3. Kann Globalisierung verhindert oder rückgängig gemacht werden?
    Nein, das ist weder möglich noch erstrebenswert. Die Ergebnisse der Globalisierung müssen aber zum Nutzen der Menschen dienstbar gemacht werden. Wogegen sich die Kritiker der Globalisierung (nicht die Chaoten) auflehnen, sind nicht die Möglichkeiten der weltweiten Freizügigkeit und der modernen Technologien. Diese werden von ihnen ohnehin für die Logistik ihrer Aktionen genutzt. Was aber ernst genommen werden muss, ist die Verhinderung von Auswüchsen zum Schaden der Mehrheit und die Forderung nach Nutzung der wachsenden Möglichkeiten zur Bekämpfung von Armut, hunger und sozialer Ungleichheit.Die großen wirtschaftlichen Perspektiven, die sich aus der Globalisierung ergeben, müssen ihre Entsprechung in der Entwicklung globaler Gerechtigkeit finden.
    Das friedliche Miteinander der Menschen im Sinne eines Weltbürgertums war Ideal der Aufklärung und hatte Wurzeln bereits in der Antike. Die Forderung nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit in der Französischen Revolution beeinflusste die politischen Ziele von Liberalismus und Sozialismus über Jahrhunderte. Die Sehnsucht nach einer weltweiten Friedensordnung hat mit den heute verfügbaren Mitteln eine Chance wie nie zuvor, wenn Vernunft das Handeln der Menschen bestimmt.
    Schillers Ode "An die Freude" mit ihren prophetischen Versen, die auch die Periode des schlimmsten Nationalismus überdauert haben, rührt heute noch die Menschen:
      ...
      Deine Zauber binden wieder,
      Was die Mode streng geteilt,
      Alle Menschen werden Brüder,
      Wo dein sanfter Flügel weilt.

      Seid umschlungen, Millionen!
      Diesen Kuß der ganzen Welt!
      Brüder - überm Sternenzelt
      Muß ein lieber Vater wohnen.
      ...
    Es ist gewiss kein Zufall, dass Beethovens Vertonung dieser Verse im Schlusschor der IX. Sinfonie als Hymne der Europäischen Union ausgewählt wurde.

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    4. Die Bedeutung von Heimat unter den Bedingungen der Globalisierung
    Politiker aller Couleur beschwören die Bedeutung von Heimat im Zeitalter der Globalisierung (Teufel, Stoiber, Rau u.a.). Aber es ist Bestandteil der Politiker-Rituale, wenn auf Heimatfesten und ähnlichen Veranstaltungen die Heimat als ruhender Gegenpol zu Mobilität und Globalisierung bezeichnet wird. Schließlich wollen sie auch von den dort Versammelten wieder gewählt werden. (Siehe F03)
    Befragungen sind da unverdächtiger. Schlink erwähnt in seinem Essay "Heimat als Utopie" eine Statistik des "Spiegel", nach der für 31 % der Wohnort, für 27 % der Geburtsort, für 25 % die Familie, für 6 % die Freunde und für 11% das Land Heimat ist. Er schreibt dazu:
      Dabei haben die für die Statistik Befragten geäußert, dass Heimat im Zeitalter der der Internationalisierung und Globalisierung durchaus an Bedeutung gewinnt. Dass das Land nur für 11 Prozent die Heimat ist, deutet also nicht auf einen geringen individuellen Stellenwert der Heimat hin, sondern darauf, dass das Land als Nation nach wie vor historisch hinreichend diskreditiert ist, um den Platz der Heimat unverfänglicheren und außerdem näheren, überschaubareren, ausfüllbareren Orten zu überlassen. [ 2 ]
    Ähnliche statistische Angaben veröffentlicht "DIE WOCHE" in ihrer Ausgabe 33/2001 in Verbindung mit einem Artikel "Überall und nirgends". Auf die Zusatzfrage "Welchem Ort fühlen Sie sich am stärksten verbunden?" nennen 19 % Deutschland und 8 % Europa. Die ganze Welt kommt nicht vor und sie ist auch in den Antworten zu unserem Fragebogen nur die Ausnahme (siehe hierzu Dieters Zusammenfassung zum Themenkomplex C).
    Interessant ist, was in diesem Zusammenhang Ilija Trojanow schreibt, ein in Bulgarien geborener Schriftsteller, der in München studiert hat und heute in Bombay lebt (siehe auch F02):
      Von weitem betrachtet haben alle Menschen dieselbe Heimat, nämlich die Erde. doch da die wenigsten von uns zum Mond oder zur Weltraumstation Mir geflogen sind, fehlt uns jener besondere Blick aus der Ferne, der nostalgische Gefühle weckt und durch den eine wirkliche Identifizierung mit dem Blauen Planeten möglich wird. Die meisten von uns empfinden ein weit weniger globales Heimatgefühl. Wir definieren Heimat individuell als die Verdichtung der eigenen Erfahrungswerte, als Ort, Landschaft, Geruch oder Geschmack, der unsere Erinnerung prägt. Nicht unbedingt nur positiv, es sei denn, man neigt zu einer gänzlich verklärenden Wahrnehmung. Insofern eignet sich gerade Heimat schlecht als politisches Konzept.[ 3 ]
    Siehe hierzu auch Peters Beitrag F04 "Stellen wir uns vor ..."
    In einem Artikel der ZEIT "Warum früher alles besser war" schreibt Wolfram Siebeck:
      Wenn Bäume in Gefahr sind zu sterben, produzieren sie ungewöhnlich viele Früchte. Die stürmische Globalisierung beschert uns ein ähnliches Phänomen. Sie aktiviert bei sehr vielen Menschen Erinnerungen an eine Kindheit in einer übersichtlichen Natur, die von Oma und Opa bevölkert war. Natürlich nicht die Hitler verehrende Oma und nicht der antisemitische Opa. Sondern Erinnerungen an das Idyll auf dem Lande, wo die Hühner frei herumliefen und die kuhwarme Milch in Schüsseln auf dem Holztisch stand, in die das selbst gebackene Brot getunkt wurde. Die heile Welt, die in Gefahr ist, vom globalen Einheitsbrei überschwemmt zu werden. [ 4 ]
    Was sollte auch die Alternative zum individuellen Heimatempfinden sein? Die multinationalen Unternehmen, von denen es nach Unctad-Schätzung 60.000 mit 500.000 Ablegern in aller Welt gibt? Sie dürften als Ersatzheimat für die an Sesshaftigkeit gewöhnten Menschen nicht geeignet sein. Ein Artikel von Thomas Fischermann in der ZEIT, der sich mit den modernen weltweit operierenden Konzernen beschäftigt, heißt "Giganten ohne Heimat".
    Hier ein Zitat daraus:
      Diese zunehmende Spezialisierung hat mehr und mehr Unternehmen zu echten "Global Playern" gemacht - zu Konzernen, die in ihrer jeweiligen Marktnische auf der ganzen Welt mitspielen. Zwar wurde schon früher viel von den heimatlosen, entwurzelten Konzernen geredet - doch Multi-Experten wie der britische Wirtschaftsforscher Peter Dicken glauben, dass bis heute noch die weitaus meisten Unternehmen stark mit ihren Heimatländern verbunden sind. Auch Daimler und Mannesmann waren deutsch geführt und behielten etwa wichtige Forschungslabors im Heimatland. Doch wo liegt die Heimat der neuen globalen Riesen, die aus den Fusionen zwischen Daimler und Chrysler, zwischen Vodafone (Großbritannien), Airtouch (USA) und Mannesmann (Deutschland) entstanden sind? [ 5 ]
    Auch der Cyberspace, die von Computern erzeugte allgegenwärtige virtuelle Scheinwelt, kann die reale Heimat des Individuums nicht ersetzen. Der in F01 zitierte Autor versieht eine solche Möglichkeit nicht umsonst mit einem Fragezeichen.

    Wir können sicher sein: Die Menschen werden sich durch die Globalisierung das Recht auf Heimat nicht nehmen lassen und zu bestimmen, was sie darunter verstehen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich die Merkmale der individuellen Heimat im Laufe des Lebens und von Generation zu Generation ändern. Maria schreibt in ihrem Beitrag "Kein Widerspruch sondern eine Chance und Bereicherung" (F05) sehr eindrucksvoll und mit Beispielen aus eigenem Erleben belegt über den Zusammenhang von Globalisierung und Heimat. Sie kommt zu dem Schluss:
              Wir brauchen beides, die Globalisierung und die Verankerung in der "Heimat". Sie
              wird ihre Bedeutung behalten, auch wenn die Formen sich ändern werden
    .
    Auch ein Artikel aus der Stuttgarter Zeitung vom 22.01.02 "Im Zeitalter der Globalisierung", auf den Dieter aufmerksam macht (F13), behandelt die Bedeutung der lokalen Heimat unter den Bedingungen der Globalisierung. Das Fazit:
              Globalisierung ist nicht alles, sie wird vielmehr begleitet von einer Gegenbewegung,
              der Besinnung aufs Lokale. More global, aber auch more local.

    Wir sollten aber auch die Gefahren nicht verkennen, die z.B. in der Verschandelung eines solch wichtigen Merkmals zur Bestimmung von Heimat wie der Sprache mit überflüssigen und teilweise sinnlosen Anglizismen bestehen. Es geht nicht um die Eindeutschung aller englischen Ausdrücke, die Eingang in die Umgangssprache gefunden haben. Aber die Eigenheit und der Reichtum der Sprache müssen erhalten bleiben. Ein Begriff wie E-Mail findet sich inzwischen in der "Heiligen Schrift" der deutschen Sprache, dem DUDEN. Muss jedoch die Geschäftsstelle einer Krankenkasse ein City-Point sein oder der Zubringerbus zum Flughafen ein Airport City Liner? Dabei sind solche Beispiele nicht die schlimmsten. Da wird etwas in die pipeline gestellt, wenn eine wichtige Sache auf den Weg gebracht wurde. Dieses "Denglisch" hat nichts mit Globalisierung zu tun und ist auch nicht modern. Es ist Gedankenlosigkeit oder Wichtigtuerei.
    Hierzu gibt es einen empehlenswerten Artikel im SPIEGEL 29/2001: "Welcome in Blabylon". [ 6 ]

    Zum Verhältnis Globalisierung - Heimat gab es eine interessante Diskussion. Madeleine hat in einem engagierten, mit vielen Beispielen illustrierten Beitrag (F07) die Zerstörung von Heimat durch die Globalisierung beklagt. Dazu haben sich Peter (F08), Volkmar (F09), nochmals Madeleine (F10) und Dieter (F11) geäußert. Außerdem gab es E-Mails und Debatten im Chat.
    Ich denke, es gibt Übereinstimmung darüber, dass Globalisierung nicht per se die Wurzel aller Übel dieser Welt ist, dass aber verhindert werden muss, im Interesse des globalen Profits die Interessen und Gefühle der Menschen zu ignorieren. Das gilt auch für die Heimat. Natürlich gibt es im Zusammenhang mit der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung in allen Ländern Veränderungen in der Bindung und den Gefühlen der Menschen für ihre Heimatregion.

    Das gilt vor allem in Verbindung mit den Forderungen nach Flexibilität, sowohl was den Ort als auch die Tätigkeit und die damit verbundene Qualifikation betrifft. Angenita bespricht in ihrem Beitrag "Globalisierung und Heimat" (F06) das Kapitel "Ortspolygamie: Mit mehreren Orten verheiratet zu sein ist das Einfallstor der Globalisierung im eigenen Leben", aus dem Buch "Was ist Globalisierung" von Ulrich Beck. [ 7 ]
    Der Begriff der transnationalen Ortspolygamie mag verwirren, aber er bringt plastisch zum Ausdruck, wie das Leben an Orten verschiedener Kulturen zu einer Globalisierung der Biografie führt. Es wird die Frage gestellt:
      Was heißt Mehrörtigkeit, Transnationalität des eigenen Lebens, wenn der Begriff des Ortes selbst mehrdeutig ist? Wenn das eigene Leben über mehrere Orte gespannt ist, kann das bedeuten, dass diese Biographie im allgemeinen Raum stattfindet, also z.B. auf Flughäfen, in Hotels, Restaurants usw., die überall gleich oder ähnlich, folglich ortlos sind und die Frage, wo bin ich? letztlich unbeantwortet machen.
    Es ist möglich, dass Menschen sich diese Sichtweise zu eigen machen. Ich glaube aber nicht, dass das die allgemeine Lebensweise wird. Mir scheint, dass die andere Alternative eher typisch für die meisten sein wird:
      Oder Mehrörtigkeit kann bedeuten, dass man sich immer wieder neu in die Unterschiede der Orte, ihre Gesichter und Geschichten verliebt. Inwieweit ist der Ort "mein Ort" und "mein Ort" mein eigenes Leben? Mehrörtigkeit heißt: etwas Neues, auf das man neugierig sein oder werden kann, um dessen Welt(-Sicht) zu entschlüsseln.
    Globalisierung ist auch nicht erst eine Erscheinung des ausgehenden 20. und des 21. Jahrhunderts. Ansätze gab es bereits im Mittelalter. Die italienischen Bank- und Handelshäuser und Reederein, die Hanse, die Fugger und andere operierten international, beeinflussten Politik und Religion. In diese Periode fielen auch die Entwicklung der Städte und der Beginn der Landflucht. Damit hat sich die Heimat für einen großen Teil der damals lebenden Menschen verändert. Im 15. Jahrhundert begann auch die Gründung der Kolonialreiche mit ihren katastrophalen Folgen für die Völker in den Kolonien, die bis heute nachwirken. Große Teile der Weltbevölkerung wurden durch Sklavenhandel, brutale Ausrottung ganzer Stämme und die Vernichtung gewachsener Kulturen dezimiert und ihrer Heimat beraubt.

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    5. Terrorismus - Globalisierung - Heimat
    Angesichts der Ereignisse des 11.September können wir an dem Problem Terrorismus nicht vorübergehen, der eine neue Dimension erreicht hat. Der globalisierte Terrorismus operiert vergleichsweise wie ein multinationaler Konzern und nutzt die modernen Technologien der Information und Kommunikation. Seine Kriegshandlungen sind von nationalstaatlichen Bindungen gelöst, sie missachten zugleich jegliche Konvention. Der Hass seiner Träger richtet sich gegen alle, deren Lebensstil nicht ihren Vorstellungen einer Weltordnung entspricht. Das muss durchaus nicht unter dem Deckmantel der Religion erfolgen. Der Attentäter von Oklahoma war amerikanischer Veteran des Golfkrieges, der Giftgasanschlag in Tokio wurde von Anhängern einer Sekte verübt.
    Gemeinsam ist diesen Terrorakten, dass sie sich rationalen Überlegungen entziehen. Kann man bei palästinensischen Selbstmordattentätern noch vermuten, dass sie in dem Glauben handeln, etwas für die ihrem Volk verwehrte Heimat zu tun, ist das einzige Motiv der Todesflieger von New York und ihrer Hintermänner offenbar nur blinder Hass auf die westliche Lebensweise.
    Zu Zeiten des kalten Krieges war die Frontlinie klar: die Berliner Mauer. Nach Ende des kalten Krieges sind es die "Schurkenstaaten", die die freie Welt bedrohen. Immer jedoch waren diese Auseinandersetzungen und die möglichen Reaktionen darauf nationalstaatlich dominiert.
    Doch wie soll die Reaktion auf den globalen Terrorismus erfolgen, der sich nicht nationalstaatlich eingrenzen lässt und sich bestenfalls einzelner Staaten als Rückzugsgebiet und logistische Basis bedient? Selbstverständlich erwarten die Menschen entschlossenes Handeln der Staaten, in denen sie leben. Insofern ist die Welle des Patriotismus, die in den USA nach dem Anschlag sichtbar wurde, nicht erstaunlich. Es wird vorausgesetzt, dass der Staat seine Bürger und ihre Heimat wirksam vor dem Terror schützt. Wer sollte es sonst tun?
    Die Entwicklung der letzten Monate zeigt aber auch, dass ein einzelner Staat nicht in der Lage ist, die dazu notwendigen Kräfte zu mobilisieren. Selbst die USA sind auf die Unterstützung einer weltweiten Antiterror-Allianz angewiesen. Insofern erzwingt der Kampf gegen den Terrorismus eine neue Qualität der internationalen Zusammenarbeit, die nicht nur auf ein koordiniertes militärisches und sicherheitspolitisches Vorgehen beschränkt bleiben wird.

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    6. Fußnoten

    [
    1 ] Hagen Schulze, Die Erfindung des Staates. DER SPIEGEL 6/2002
           http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,druck-180478,00.html
    [ 2 ] Schlink, Heimat als Utopie. S.23 Sonderdruck edition suhrkamp 2000
    [ 3 ] Ilja Trojanow, DIE WOCHE 33/2001
           "... wo einen die Feuerwehr kennt"
    [ 4 ] Wolfram Siebeck, Warum früher alles besser war. DIE ZEIT 48/2000
           http://www.zeit.de/2000/48/Leben/200048_wie_find_siebeck.html
    [ 5 ] Thomas Fischermann, Giganten ohne Heimat. DIE ZEIT 37/2000
           http://www.zeit.de/2000/37/Wirtschaft/200037_multis1.html
    [ 6 ] Nicole Alexander, Nikolaus von Festenberg, Reinhard Mohr; Welcome in Blabylon.
           DER SPIEGEL 29/2001
           http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,146332,00.html
    [ 7 ] Ulrich Beck, Was ist Globalisierung. Suhrkamp Verlag. Frankfurt am Main 1997


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