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Warum "wandern"?
Gedanken zu Kundera's Unwissenheit von Erna Subklew
Das 20. Jahrhundert wird sicherlich als das Jahrhundert der größten
ethnischen Wanderungen eingehen. Nie bisher haben so viele Menschen ihre
Heimat verlassen müssen, wie in diesen Jahren. Und dies aus den
unterschiedlichsten Gründen. Denken wir nur an die vielen Menschen, die
nach Deutschland gekommen sind. Während ich bei diesen Menschen, wenn ich
mit ihnen sprach - und ich habe viele interviewt, - immer und trotz allem,
eine Sehnsucht nach dem Land der Herkunft bemerkt habe, sehe ich diese bei
Irena nicht. Sie besucht eigentlich ihr Land erst, nachdem Sylvie sie
darauf hinwies. Durch einen Zufall begegnet sie ihrer Vergangenheit in der
Person von Josef, mit dem sie eine frühe Liebe verband, und akzeptiert
damit ihre "Heimkehr", bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie merkt: Er hat mich
gar nicht erkannt. Sie kann also ihr Leben nicht im Anschluss an ihre
Vergangenheit fortsetzen. Sie hat es wohl so erwartet, denn sie ist ja, im
Gegensatz zu Josef, enttäuscht, dass eigentlich niemand der Dagebliebenen
an ihrem Leben außerhalb der Heimat interessiert ist. Josef, der das
Desinteresse an ihm auch bemerkt, abgesehen von der Angst, die die in Prag
Gebliebenen vor einer Schmälerung ihres Besitzes haben, ist längst nicht
so tief betroffen wie Irena. Wohl weil er, durch die Heirat mit einer
Dänin, seiner neuen Heimat viel mehr verbunden ist als Irena mit Paris.
Das Bild des Baumes, dessen einer Ast ihm zuwinkt heimzukehren, hat mich
beeindruckt. Auch die vielen anderen, die gleich Irena und Josef ihr Land
verlassen haben, werden mit ähnlichen Gefühlen konfrontiert, wie die
beiden. Meiner Ansicht nach führt dies zu dem ständigen Wechsel der
Aufenthaltsorte unserer ausländischen Bürger, wenn sie es sich durch ihren
Ruhestand leisten können.
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