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Eine kommentierte Inhaltsangabe von Erna Subklew
Emine Sevgi Özdamar, Die Brücke vom Goldenen Horn
Das o. g. Buch von E.S. Özdamar ist 1998 erschienen und das zweite Buch einer Trilogie.
Anfang der 90er Jahre erschien das erste Buch „Das Leben ist eine .einer Tür kam ich rein. Aus der anderen kam ich raus“ ist bereits Anfang der 90er Jahre erschienen, das dritte dagegen „Seltsame Sterne starren zum Himmel“ erst 2004.
Die drei Bücher, sie gehören zur Literatur der Eingewanderten – Migrantenliteratur –sind aber in großem zeitlichen Abstand zu den tatsächlichen Ereignissen entstanden. Aus diesem Grunde und obwohl weitgehend biographisch, sind sie nicht nur eine Wiedergabe der Befindlichkeit der Schriftstellerin. Die Bücher sind auch keine Übersetzungen aus dem Türkischen, sondern sie wurden auf Deutsch geschrieben. Sie geben nicht nur dem Schmerz und der Sehnsucht nach der Heimat Raum, sprechen nicht nur von Bahnhof und Koffer. Das tatsächlich Geschehene ist literarisch verarbeitet und hat damit die eigentliche Sparte „Gastarbeiterliteratur“ verlassen
Während der erste Band vorwiegend den Wechsel von einem Land ins andere beschreibt und die Bahnfahrt zum Thema hat, behandelt das vorliegende Buch das Leben und die Entwicklung der türkischen Heldin auf mehreren Ebenen.
!966 erreicht die damals 18jährige Heldin, mit einem einjährigen Arbeitsvertrag ausgestattet, Berlin. Sie lebt in einem „Wonaym“ , (die türkische Aussprache für Wohnheim) zusammen mit vielen anderen Frauen, die sich alle haben anwerben lassen. Grund für ihre Ausreise ist der dauernde Streit mit ihrer Mutter und eine Portion Abenteuerlust. Genau wie bei ihren Mitbewohnerinnen auch, nur spielt bei den meisten von denen das Geld eine sehr große Rolle. Tagsüber arbeitet sie bei Telefunken, nachmittags besucht sie Hertie und lernt auch Aschinger kennen. Abends wartet dann das Wohnheim mit den vielen Frauen und dem ständig laufenden Fernsehgerät.
Für den Verwalter sind die Bewohnerinnen „Zuckers“. Eine für uns ungebräuchliche, im Türkischen jedoch oft gebrauchte Anrede “sekerim“. Er sorgt dafür, dass genügend Lesestoff im „Wonaym“ vorhanden ist: Tschechow, Brecht, Engels, Dostojewski... So werden die Abende nicht gar so langweilig. Möglicher Weise stammt aus dieser Zeit die große Vorliebe der Autorin für Brecht.
Die fremde Umgebung, die fremde Sprache, die fremde Arbeit lassen E.S. Özdamar das Leben, das sie führt wie einen Film erleben. Sie empfindet sich weniger als Akteurin, denn als Zuschauerin. Sie nimmt allerdings nicht nur ihr Leben wahr, sondern gleichzeitig auch die Anfänge der Studentendemonstrationen und der politischen Veränderungen in Deutschland. Sie besucht Künstlerkneipen, ihr politisches Bewusstsein erwacht.
Die ersten Sätze der deutschen Sprache lernt sie, wie sie früher die Rollen des Schülertheaters gelernt hat, durch ständiges Wiederholen der Schlagzeilen der deutschen Zeitungen.
Nach zwei Jahren kehrt sie nach der Türkei zurück. Sie wohnt nun wieder bei ihren Eltern, im asiatischen Teil von Istanbul. Sie bewirbt sich in der Schauspielschule und muss so jeden Tag vom asiatischen Teil nach dem europäischen fahren. Auch in Istanbul findet sie Kontakt zu Künstlerkreisen und zu Linksintellektuellen. So findet sie sich auch hier ständig im Zwiespalt zwischen Tradition und Fortschritt, dem Elternhaus und der politischen Szene. Als die Zusammenstöße zwischen den Linken und der Polizei immer heftiger werden und viel Blut fließt, hat es ihr die Sprache verschlagen. Sie sagt, dass sie von da an nicht mehr in Türkisch schreiben konnte. Wie viele türkische Studenten verlässt sie die Türkei und kehrt nach Berlin zurück. In Ostberlin findet sie eine Arbeit am Theater, wohnt aber weiter in Berlin. Wie sie in Istanbul von Kadiköy nach Galata gependelt ist, pendelt sie nun von Westberlin nach Ostberlin. Schon in den 80er Jahren schreibt sie ihr erstes deutsches Stück: Karagöz in Alamanya.
Türkisches Denken und deutsches Schreiben führen bei E.S. Özdamar zu einer Symbiotik, die die Einmaligkeit ihrer Schreibweise ausmacht. Der sehr eigenwillige Umgang mit der deutschen Sprache, manchmal hatte ich das Gefühl, sie hat aus einer Reihe von deutschen Übersetzungen für ein türkisches Wort das Wort herausgesucht, das ihr am besten gefiel, macht einen gewissen Reiz aus. Bei welchem anderen Schriftsteller würde es einen beleidigten Bahnhof geben? Gleichzeitig wird der deutsche Leser - türkische Leser wird es nicht viele geben , da das Buch nur auf Deutsch erschienen ist – an Dinge erinnert, die ihm zwar bekannt sind, aber aus einer anderen Sichtweise.
Das Buch ist ein Zeitzeugnis für die Jahre 1966 – ca. 1980. Der letzte 2004 herausgekommene Band führt die Erzählung weiter bis zum Fall der Mauer.
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