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_ Weihnachten meiner Kindheit
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ODE Open Doors for Europe

Stand:


Weihnachten meiner Kindheit

Nach dem Heiligen Andreas begann die Zeit der Vorbereitung auf Weihnachten - der Advent. Gleich am n�chsten Tag scheuerte meine Mutter mit Sorgfalt alle T�pfe in der K�che, damit darin ("Gott bewahre!") nicht einmal die kleinste Spur von Speck oder Fleisch �brigbleibt. Dabei verwies sie uns immer auf den Spruch: "Heiligabend n�hert sich, Fleisch und Speck sind weg vom Tisch". Und wir mussten fasten. Alle Speisen wurden nur mit Pflanzen�l zubereitet. Der Vater nahm dann einen Sack mit Leinsamen und begab sich damit in die �rtliche �lm�hle. Wir konnten es kaum erwarten, bis er mit frischem, aromatischem und so leckerem �l zur�ckkommt. Wenn er endlich erschien, fingen wir mit dem Schmaus an: Wir tunkten Brotst�cke in das �l, bestreuten sie mit Salz und genossen das Futter, als ob es eine Spezialit�t w�re. Auch zum Kochen, Backen und Braten wurde nur dieses �l verwendet. Es kam in Suppen, gef�llte Teigtaschen, Gr�tze, Nudeln, Eierkuchen und Pfannkuchen aus Buchweizen. Brot mit Speck- oder Fleischgrieben wurde aus dem Bewusstsein verdr�ngt. Unser Men� wurde mit Sauerkraut bereichert, das unsere Mutter rechtzeitig in einem gro�en Fass eins�uerte.

Im Advent wurde alles peinlich genau aufger�umt und geputzt, manchmal wurden sogar W�nde neu gestrichen. In diese Zeit geh�rte auch gro�e W�sche, die die Mutter j�hrlich veranstaltete, wobei sie alles nat�rlich von Hand machen musste. Zuerst wurde in der K�che auf einem Kohleofen Wasser auf die richtige Temperatur gebracht und dann in ein gro�es Becken �bergegossen. Danach wurden die Kleidungsst�cke auf einem Waschbrett gewaschen und zum Schluss im nahe liegenden Teich oder am Brunnen auf dem Hof ausgesp�lt.

Meine Mutter gab sich auch die M�he, unsere Wohnung zu verzieren. Beispielweise machte sie aus gefaltetem Papier eine riesengro�e Spinne, die sie dann an der Decke unterbrachte. W�nde und Bilder schm�ckte sie mit Girlanden aus k�nstlichen Blumen. Und unsere Aufgabe war es, Schmuckst�cke f�r den Tannenbaum anzufertigen. Wir Kinder setzten uns dann an den Tisch in der Mitte des Zimmers und machten so eine Art "Brainstorming" dazu, was wir alles in diesem Jahr herstelle wollen. Nach dieser Planungsphase und den notwendigsten Eink�ufen entstanden auf dem Tisch unterschiedliche Ketten, Sterne, Kugeln, K�rbchen und Tiere. Am besten kamen aber bei allen unsere Figuren an. Es waren Puppen, Engel und Hampelm�nner, f�r deren Anfertigung wir uns auf dem Wochenendmarkt fertige K�pfe anschafften, und daran nur noch originelle Kleidungsst�cke klebten. Na ja, eine Ausnahme waren die Engel, von denen jeder noch als Extra-Zubeh�r jeweils zwei Fl�gel bekam.

Im Advent fanden Andachts�bungen statt, und unsere Mutter sorgte unerbittlich daf�r, dass wir die nicht vers�umen. Jeder musste zur Beichte gehen und die Kommunion empfangen. Dieser Pflicht mussten wir nachgehen, und f�r Argumente unsererseits, dass der Winter streng, der Schnee sehr tief und der Weg zur Kirche drei Kilometer lang ist, blieb die Mutter immer taub.

Am 24. Dezember standen wir alle fr�h auf, weil dieser Tag immer sehr gesch�ftig war. Die Mutter war in der K�che besch�ftigt, sie bereitete die Weihnachtsgerichte zu und buk Kuchen. Selbstverst�ndlich machten wir, Kinder, mit, indem wir L�cher in Teigst�cke bohrten, damit sie man dann an dem Tannenbaum aufh�ngen konnte. Die Mutter legte Wert darauf, dass die Zahl der Gerichte immer ungerade ist. In der Wohnung roch es wundersch�n nach Speisen und Kuchen, und die Ger�che mischten sich zu einer m�rchenhaften Duft. Dieses Aroma, wie auch den Geschmack der Speisen, habe ich heute noch in angenehmer Erinnerung: Es waren Nudeln mit Mohn, Gr�tze mit Pilzso�e, Teigtaschen gef�llt mit Kohl und Pilzen, in �l gebackene Eierkuchen, gekochtes Sauerkraut mit Erbsen, Heringe, Karpfen und andere Fische. Und zum Trinken wurde Kompott aus D�rrobst gekocht.

An diesem Tag a�en unsere Eltern �berhaupt nichts, und uns, Kindern, wurde nur sp�rlich serviert. Nach einer solchen Hungerkur schauten wir mit Sehnsucht zum Himmel hin und sahen nach dem ersten Stern aus, dessen Aufleuchten Einladung zum Abendmahl war.

Der Vater hatte auch volle H�nde zu tun. Er brachte den Hof und die ganze Umgebung um die Geb�ude herum in Ordnung und bereitete f�r unsere Tiere Futtervorr�te f�r die bevorstehenden zwei Festtage, weil man an diesen Tagen unn�tige Arbeit einstellen sollte. Gegen Abend brachte er in die Wohnung ein Bund Heu und er streute es �ber den Tisch. Dann steckte er unter das Heu an allen vier Tischecken Oblatenst�cke f�r Tiere. Danach holte er ein Strohbund und deckte damit den Fu�boden in der K�che ab. Eine Handvoll Stroh landete auch hinter dem Bild der Heiligen Familie an der Wand. Zum Schluss h�ngte er noch den Tannenbaum hoch an der Decke auf und er beaufsichtigte uns beim Schm�cken des Baumes. Die Mutter legte inzwischen eine schneewei�e Decke �ber den Tisch und brachte in der Mitte eine Kerze und die Oblate unter. Dann holten wir gemeinsam Geschirr, Besteck und Gerichte aus der K�che und es ging schon ein bisschen hektisch zu, weil wir mit den Vorbereitungen um jeden Preis noch vor dem Aufleuchten des ersten Sternes fertig werden wollten. Endlich erschien der ersehnte Stern am Himmel und der Vater lud alle zu Tisch ein. Um den Tisch versammelt h�rten wir uns im Stehen einen kurzen Abschnitt aus der Heiligen Schrift an und wir sprachen dann zusammen ein Gebet. Danach nahm der Vater die Oblate in die Hand und brach sie zuerst mit der Mutter, erst dann kamen wir, Kinder, dran. Nach dem Oblate brechen durften wir endlich etwas zu uns nehmen, was wir auch mit gro�em Appetit taten. Die Mutter sorgte daf�r, dass wir von jeder Speise mindestens ein kleines St�ck nehmen, so wie es sich nach einer alten Sitte geh�rte. Nachdem der gr��te Hunger gestillt worden war, wurden Weihnachtslieder gesungen. Nat�rlich gab Mama dabei den Ton an: Sie stimmte immer als erstes Lied die "Stille Nacht" an, und wir folgten ihr, soweit uns das m�glich war. Vati dachte damals sehr gerne an seine Jugend zur�ck und erz�hlte uns mit Leidenschaft �ber Weihnachtsspiele, in denen er den K�nig Herodes gespielt hatte. Wir h�rten ihm mit Entz�cken zu, zumal er immer noch fast alle Texte und Lieder aus diesen Spielen im Kopf hatte und die auch vorzutragen wusste.

Und darauf folgten die irren Spiele im Stroh! Aus der Nachbarschaft kamen unsere Freunde zu Besuch und es begann Zeit der Austobung. Beispielweise warf Mutti eine Handvoll Bonbons in den Stroh auf dem Boden, und wir sollten die schnellstens wieder finden. Gewann, wer am flinksten war und am meisten S��igkeiten raffte. Wenn dar�ber hinaus noch die Bonbons gerade Anzahl ergaben, dann soll das dem Gewinner das ganze Jahr hindurch Gl�ck bringen. Dann drehten die Jungen Seile aus Stroh und versuchten damit den M�dchen Arme und Beine zusammenzubinden, wovor sich die Letzteren selbstverst�ndlich wehrten. Dabei gab es jede Menge Spa�, Geschrei und Gel�chter, bis aus dem Stroh nur H�cksel �brig blieb.

Am sp�ten Abend gingen wir in unseren Garten. Jeder Baum wurde mit einem Strohseil umgebunden und musste den folgenden Spruch zur Kenntnis nehmen: "Bringst du keine Fr�chte, werden wir dich f�llen." Der Vater nahm in dieser Zeit Essensreste und die Oblate vom Tisch und begab sich damit in den Schweine-, Vieh- und Pferdestall, wo er alles unter die Tiere verteilte. Auch unser Hund und die Katze hatten ihren Anteil an der Bescherung. Das Heu unter der Tischdecke wurde erst am letzten Tag der Weihnachtszeit wegger�umt.

Langsam wurde Zeit zur Mette auszubrechen. Die Mutter musterte nur noch kurz unsere Kleidung, und wir konnten losmarschieren. Es war eine Expedition: ein drei Kilometer langer Weg �ber Schneehaufen. Aus der dunklen Ferne um uns herum lie�en sich nur schwer verst�ndliche Ausrufe, vorgesungene Weihnachtslieder und das Bellen der Hunde vernehmen. Am ersten Weihnachtstag verwandelten wir uns in totale Nichtstuer und Allesfresser. Wir faulenzten im Scho� der Familie und genossen alles Essbare, das sich zu Hause ermitteln lie�: ger�ucherte W�rste, gebratenes Fleisch, Br�he aus echten Landh�hnern, leckere Kuchen und vieles mehr.

Der zweite Weihnachtstag war f�r gegenseitige Besuche vorbehalten. Familienmitglieder, Freunde oder Nachbarn kamen an diesem Tag vorbei und wurden herzhaft bewirtet, um so mehr, als dass sie zur Kostprobe eigene Spezialit�ten und auch kleine Geschenke mitbrachten.

Obligatorisch wurden Weihnachtslieder gesungen, Erinnerungen an das ausgehende Jahr nahmen kein Ende, und es wurden sogar Versuche unternommen, das Wetter f�r das kommende Jahr vorherzusagen, und zwar auf der Basis von Volksmundspr�chen, wie: "Eisgl�tte an Ostern, wenn Weihnachten w�ssrig".

�blich war es an diesem Tag auch., dass kleine Knaben in Gruppen von Wohnung zu Wohnung gingen und an die T�ren klopften, um ihr Weihnachtslieder zu pr�sentieren. �ltere Jungen gaben sich viel mehr M�he dabei, sie bereiteten eine Art Theatervorf�hrung �ber Christi Geburt vor und verkleideten sich als Figuren aus der Heiligen Schrift: K�nig Herodes und andere Juden, Engel, Teufel und Tod, mit allen notwendigen Requisiten der jeweiligen Gestalt. Ihr Programm umfasste auch lustige Kommentare zu unserem Alltag und viele Weihnachtslieder. Und wenn sie dann aus einem Haus weggingen, liefen ihnen kleine Kinder hinterher, sie legten sich mit dem Teufel oder mit dem Tod an. Alle fanden das sehr lustig, Geschrei und Gel�chter nahmen dabei kein Ende.

Wacława Sołdaj, Lublin