Bericht über ViLE-Tagung zum internationalen Donaufest in Ulm vom 07.bis11.Juli 2016..

Pünktlich um 15.45 Uhr wurden wir, die wir aus dem Frankfurter Raum angereist waren, von Erla im Hotel abgeholt. Am Ulmer Münster trafen wir mit den anderen ViLE-Mitgliedern aus der Gegend von Ulm, Freiburg, Mannheim und Heidenheim zusammen.

Dort führte uns Erla in die Geschichte Ulms ein. Ulm wurde erstmals 854 urkundlich erwähnt, erhielt bereits 1181 das Stadtrecht und wurde 1184 freie Reichsstadt. Schon im Jahr 1377 begannen die Bürger Ulms, damals etwa 10.000 Einwohner, mit dem Bau ihres Münsters.

Ulmer Münster

Ulm war damals eine sehr wohlhabende Stadt, die Lage an der Donau begünstigte Handel und Wirtschaft. Zudem gehörte Ulm zu den führenden Zentren der Barchentherstellung, einem  Mischgewebe aus Baumwolle und Leinen, auf dem europäischen Markt.

Rathaus.
Vorbei am 1420 fertiggestellten gewaltigen Rathaus seiner astronomischen Uhr, dem Schwörhaus und dem als Hotel genutzten schiefen Haus

Schiefes Haus

 sowie dem Metzgerturm

Metzgerturm.

und zahlreichen früheren Speichergebäuden gelangten wir schließlich zum Fischer- und Gerberviertel, wo wir im Zunfthaus zum Abendessen erwartet wurden.

Am Abend besuchten wir das choreografische Musiktheaterstück „Treibgut“, das der rumänische Komponist und Geiger Alexander Balanescu für das 10. Internationale Donaufest komponiert und konzipiert hat. An der Aufführung waren Künstler aus 20 Nationen beteiligt. Das Stück weckte Assoziationen an Migration, Freundschaft, Heimatlosigkeit. Man sah auf dem Boden sich schlängelnde Menschenkörper, Menschen, die wie Treibgut angelandet und durch andere aus ihrer Cellophanhülle befreit wurden. Wir waren sehr beeindruckt und versuchten uns noch lange an der Deutung des Gesehenen.

Am nächsten Morgen durften wir an der internationalen Konferenz „Tastes of Danube – Let’s taste it“ teilnehmen. Von Professor Dr. Hirschfelder wurden wir in die geschichtliche Entwicklung des Donauraums eingeführt. Bis zum Beginn der Völkerwanderung bildete die Donau die Barriere zu den „Barbaren“ im Norden. Die Welt südlich der Donau war von orientalischer, griechischer und römischer Kultur geprägt. Eine Kulturgrenze innerhalb dieses Raums entstand erst durch die Spaltung von orthodoxer und katholischer Kirche im Jahr 1054. Diese Trennung wurde durch die Ausweitung des osmanischen Reichs über die Balkaninsel hinaus verstärkt. Die Menschen im Osten schauten eher nach Damaskus als zu den Habsburgern nach Wien.
Das Denken im Westen wurde dagegen von der Aufklärung geprägt. Im 20. Jahrhundert bildeten sich Nationalstaaten. Die jüdische Kultur wurde durch die Nazis vernichtet. Nach dem Krieg wurde der Donauraum durch den Ost/Westkonflikt getrennt. Nach 1989 aber stellt der Donauraum wieder eine Verbindung zur gemeinsamen Geschichte, zur orthodoxen Kirche und zum islamischen Kulturkreis dar.

Der frühere Oberbürgermeister von Ulm, Ivo Gönner, gemahnte an die gemeinsame Verantwortung der Donauländer für sauberes Wasser und eine gesunde Umwelt, in der auch die nachfolgenden Generationen leben können.

Professor Dr. Wuketits sprach über die Esskultur im Donauraum. Die Menschen lebten zunächst von dem, was sie in der Natur fanden. Die Entdeckung des Feuers bot ihnen Schutz vor wilden Tieren und die Möglichkeit, Werkzeuge herzustellen. Das Aufkommen von Landwirtschaft und Tierhaltung förderte die Entstehung von Städten. Der Lebensstil hat sich in der Neuzeit durch die industrielle Produktion von Lebensmitteln verändert. Der Referent warnte vor der Gefahr durch eine großräumige Agrarwirtschaft im Donauraum.

Tamara Ognjevic berichtete von ihren Forschungen zu den mittelalterlichen Essgewohnheiten in Serbien.

Dr. Hudson von der Slow-Food Bewegung wies darauf hin, dass unsere Essgewohnheiten auch Teil unserer Kultur sind. Deshalb sollten wir unsere kleinbäuerliche landwirtschaftliche Produktion fördern. Nur der gemischte Anbau ermöglicht eine Vielfalt des Geschmacks und der Tierwelt.

Dr. Savova-Grigorava stellte uns das Bread Houses Network in Sofia vor (www.breadhousesnetwork.org). Diese Organisation bietet Gelegenheit zum gemeinsamen Brotbacken und schafft damit einen Ort der Begegnung ohne soziale Schranken (www.lovens.net).

Zuletzt berichtete Srdjan Stankovic aus Belgrad, wie es ihm mit Freunden gelungen ist, große Wirtschaftsunternehmen dazu zu bringen, finanzielle, technische und personelle Mittel für die Renaturierung einer in Belgrad als Mülldeponie verwendeten Donauinsel zur Verfügung zu stellen. Inzwischen ist aus der Mülldeponie ein Naherholungsgebiet in einer Größe von 12 ha der Stadt Belgrad geworden. Mittlerweile hat das jährliche Open-Air Festival von Supernatural zum zehnten Mal stattgefunden. Um die Menschen zur Vermeidung von Umweltverschmutzungen anzuregen, werden als Eintrittsgeld Plastikflaschen oder gebrauchte Kleidungsstücke entgegengenommen (www.supernatural.rs)

Nach einer gemeinsamen Mittagspause mit den Konferenzteilnehmern aus Serbien, Kroatien, Bulgarien, Rumänien, Slowenien, Ungarn, Österreich, Ukraine, Bosnien, der Slowakei und Deutschland begab sich unsere Gruppe an die Donau und erkundete Ulm von einem Donau Schiff aus.

Die Donau.

Anschließend schlenderten wir an den zahlreichen Verkaufs- und Imbissständen, die am Donauufer aufgebaut waren, entlang.

Danach fand ein Bunter Abend im Haus der Begegnung mit Musik und Tanz statt, bei dem Gelegenheit bestand, sich mit den ausländischen Konferenzteilnehmern auszutauschen.

Der Samstag war der Altsteinzeit im Gebiet der Schwäbischen Alb gewidmet. Wir besuchten zunächst das urgeschichtliche Museum (URMU) in Blaubeuren. Die Höhlen am Südrand der Schwäbischen Alb gehören zu den wichtigsten altsteinzeitlichen Fundstellen der Welt. Hier lebten bis vor etwa 42.000 Jahren der Neandertaler und vor etwa 40.000 Jahren der frühe moderne Mensch. Die Wissenschaft geht davon aus, dass sich beide in dieser Region nicht trafen. Die frühen Menschen entwickelten Werkzeugtechniken, sie konnten mit Feuersteinen Feuer anzünden. Sie kochten, indem sie eine bestimmte Art Stein stark erhitzten und ihn zusammen mit dem Kochgut in eine aus Tierfell gefertigte Kuhle legten.
In der Schwäbischen Alb wurden aber nicht nur Werkzeuge, sondern auch Kunstgegenstände gefunden. Wir bewunderten die im Jahr 2008 in der Höhle vom Hohlen Fels gefundene etwa sechs Zentimeter hohe Figur einer Frau aus Mammutelfenbein, die „Venus vom  Hohle Fels“, die mit etwa 42.000 Jahren die weltweit älteste plastische Darstellung eines Menschen ist. Ihr fehlt der Kopf, stattdessen war eine Schlaufe angebracht, so dass zu vermuten ist, dass die Figur als Anhänger getragen wurde.

Figur einer Frau aus Mammutelfenbein.

Fasziniert hat uns ein etwa 4,7 cm großer ganz fein mit Kopf, Auge und Schnabel gearbeiteter Wasservogel aus Mammutelfenbein.
Überrascht hat uns, dass die Menschen schon vor so langer Zeit Musik mit fein gearbeiteten Musikinstrumenten machen konnten. Das zeigten 42.000 Jahre alte Flöten, die aus der Speiche eines Gänsegeiers, aus Schwanenknochen und Mammutelfenbein hergestellt worden waren. Wissenschaftler haben die Flöten nachgebaut und damit gespielt. Der Klang war sehr schön.
Wir hatten im Museum eine hervorragende Führung. Verblüfft hat uns die Aussage, dass nach dem jetzigen Kenntnisstand die Menschen, die nach Europa einwanderten, bis etwa vor 7000 Jahren eine dunkle Hautfarbe und krauses Haar hatten und sich erst nach und nach eine hellere Hautfarbe durchsetzte. Die weiße Haut konnte besser Vitamin D aufnehmen.

Nach dem Mittagessen in Blaubeuren besuchten wir die Höhle, in der die „Venus vom Hohle Fels“ gefunden worden war.  

Vor dem Höhleneingang.

Dort finden immer noch Ausgrabungen statt. Flächen werden in Quadratmeter eingeteilt, diese geviertelt und dann jeweils 3 cm tief ausgegraben. Diese Masse wird dann in der nahe gelegenen Aach gesiebt und nach möglichen Bruchstücken von Artefakten durchsucht. 

Unsere Fahrt nach Blaubeuren endete mit einem Spaziergang um den Blautopfsee, einem wunderschönen blauen Karstsee, der aus einer 21 m tiefen Quelle gespeist wird, hinter der sich ein bis jetzt auf eine Länge von 12,6 km erforschtes Höhlensystem verbirgt.

Der Tag endete mit einem klassischen Konzert des Donaujugendorchesters im Ulmer Münster.

Am Sonntagmorgen fand zum Abschluss des internationalen Donaufestes ein gemeinsames Frühstück auf der Herdbrücke statt, organisiert von den Ulmer Danube-Networkers, insbesondere von Carmen Stadelhofer. Auf mehr als 30 Biertischgarnituren wurden die unterschiedlichsten Leckereien angeboten. Beate, Erla, Ute und Renate hatten sich schon um 9 Uhr auf der Herdbrücke eingefunden und damit begonnen, Brote zu schmieren.   

Vorbereitungen des Frühstücks auf der Herdbrücke.

Nach der Eröffnung um 10.30 Uhr strömten die Gäste herbei und probierten hier und da. Wichtig und anregend waren dabei die geführten Gespräche mit Gästen und Gastgebern.
      Frühstück auf der Herdbrücke. 

Das Wetter spielte mit, die Sonne schien und jeder freute sich über die vorhandenen Sonnenschirme.
Nach dem Frühstück fand ein interreligiöser Gottesdienst statt, danach bestand Gelegenheit, sich im Ulmer Brotmuseum, im donauschwäbischen Zentralmuseum oder im Ulmer Museum umzuschauen.
Der Tag klang bei einem gemeinsamen Essen im Biergarten der Gaststätte „Die drei Kannen“ aus.

Unsere Zusammenkunft in Ulm endete am Montagmorgen mit einer Führung durch das Ulmer Münster.  

Ulmer Münster / Innenansicht.

Der Schwerpunkt der Führung lag auf dem Chorgestühl des Münsters. Es gilt als eines der berühmtesten und schönsten Gestühle der deutschen Gotik. Es wurde in den Jahren 1469-1474 von Jörg Syrlin d.Ä. in Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Michel Erhart aus Eichenholz geschnitzt. Die Büsten auf den Pultwagen an der Nordseite zeigen berühmte Männer des Altertums wie Pythagoras, Seneca und Cicero.  
     Pultwangen, Chorgestühl.

Auf den Pultwangen der Südseite sind weise Frauen des Altertums, Sybillen, dargestellt.
Dass im 15. Jahrhundert Frauen, die nicht als Heilige verehrt wurden, in einer Kirche dargestellt wurden, ist einmalig. Es spricht für die Unabhängigkeit der Ulmer Bürger, die ihr Münster mit eigenen Mitteln so gestaltet haben, wie sie es für richtig befunden haben.

Mit Wehmut und voller Eindrücke verließen die angereisten ViLE-Mitglieder Ulm. Unser ganz großer Dank gilt Beate, Erla und Barbara, die diese Tagung ausgearbeitet, organisiert und begleitet haben und Carmen mit den Danube-Networkern, durch die wir an ihrer internationalen Arbeit im Projekt Brot, Wein und Kräuter teilhaben durften.
Annemarie Werning

Zurück