Von Hockney bis Holbein

Eigentlich wollten wir am dritten Tag unseres Berlinbesuchs die Gärten der Welt in Marzahn besichtigen. Aufgrund des schlechten Wetters planten wir um und gingen in die Sammlung des Unternehmers Würth, der 400 Bilder seiner riesigen Kunstsammlung (von insgesamt 17.000) im Gropiusbau in Berlin ausstellt.

Diese einmalige Ausstellung- von Holbein bis Hockney- also vom späten Mittelater bis heute - wird es in dieser Form nie mehr geben. Das Ziel von Würth ist es, seine Bilder in offenen Museen zu zeigen, die Orte können also wechseln, er nennt das „Musee imaginaire.“

Die Ausstellung umfasst das gesamte Erdgeschoß und die Hälfte des Obergeschosses sowie alle Nebenräume, Treppenhaus und Foyer. Insgesamt 160 Künstler werden ausgestellt, darunter alle berühmten des 20. und 21.Jahrhunderts von Max Beckmann über Pablo Picasso bis Andy Warhol. Und die mittelalterliche und spätere Kunst umfasst Namen wie Hans Holbein, Lukas Cranach der Ältere und auch der Jüngere.

Während der Sammler Würth seine Sammelleidenschaft mit der klassischen Moderne begonnen hatte und erst später, veranlasst durch seine Frau, sich auch den vergangenen Kunstepochen zuwandte, ist die Ausstellung so aufgebaut, dass man den Rundgang entweder mit Hockney oder mit Holbein beginnen kann.

Wir entschieden uns für den Weg von heute in die Vergangenheit. Bevor man den Innenraum betritt, steht man vor einer sehr großen Skulptur von Henry Moor. Sie deutet auf das Leitmotiv des Sammlers hin, der den größten Bestand von Skulpturen in Deutschland besitzt.


Die Moore-Skulptur, © Sammlung Würth

Wenn man den Lichthof erreicht hat, steht man vor einer riesigen Sammlung von Plastiken und Skulpturen von Anthony Caro, einem Schüler von Moor. Der Titel : Das jüngste Gerücht. Eine gewaltiges Skulpturenensemble, das die Gräuel des Balkankrieges - besonders im Kosovo - versinnbildlichen soll.


Anthony Caro, The Last Judgement, © Sammlung Würth

Um die Wirkung zu verstärken ist der Lichthof abgedunkelt und wird umgeben von riesigen schwarzen Linolschnitten von Georg Baselitz.

Der Rundgang führt durch die Themenräume von Gerhard Richter (wie immer verwirrend präzise oder leicht verwischt) und Hockney mit seinen riesigen vier Bildern des Jahreszeitenzyklus: Gemalt ist immer die gleiche Landschaft, mit Straße, Feldern und drei Bäumen. Die Bilder scheinen wie gemalt für diesen Raum - an jeder Wand eines - und der Betrachter kann die Jahreszeiten fühlen und spüren.


Hockney: Three Trees near Thixendale, , © Sammlung Würth

Es folgen Bilder der Im- und Exprsessionisten wie Munch, Max Liebermann, Emil Nolde und Ernst Ludwig Kirchner.

Da wir uns in diesem Jahr besonders mit Im- und Expressionismus beschäftigt haben und große Ausstellungen in München, Oberbayern und Berlin besuchten, waren wir überrascht, wie viele Bilder es noch im Privabesitz gibt, die wir nicht kennen.

Auch die Künstler der Abstraktion aus Deutschland und Frankreich haben ihre Schwerpunkträume .

Da Würth aus Baden-Württemberg kommt, spielen die Künstler aus diesem Land - besonders Lehrer und Schüler der Karlsruher Kunstakedemie - eine wichtige Rolle: Namen wie Baselitz, Horst Antes, Emil Schuhmacher und Stephan Balkenhol, der mit einer riesigen Holzplastik vertreten ist , sind hier versammelt. Dabei fällt auf, es sind überwiegend riesige Gemälde und Objekte - wohl niemals gedacht für private Räume.

Im rechten Teil des Gebäudes angelangt, findet man einen frühen Picasso im Vergleich zum späteren, in dem Kritiker schon die drohende Kriegsgefahr erahnen.


Picasso: Venus und Amor 1968, © Sammlung Würth

Es folgen Bilder von Max Ernst, Rene Magritte und Giorgio de Chiricos - also prominte Vertreter des Surrealismus. Da diese Künstler mehr oder minder alle Kosmopoliten waren und überwiegend auch im Ausland lebten und arbeiteten, wurde bereits damals in der Kunst ein Vorgriff auf das später vereinte Europa gewagt. Insbesondere Max Ernst hat es dem Sammler Würth angetan - von ihm hat er Bilder aus allen Epochen seiner künstlerischen Tätigkeit.

Der nächste Schwerpunkt des temporären „Museum Würth“ ist dann überraschend Mexiko. Schon früh kaufte Würth Werke mexikanischer Künstler und versuchte damit den Übergang von der europäischen Moderne zur außereuropäischen Welt zu „Mexicanidad„ zu schaffen.

Da man bei diesem Museumsbesuch vor Überraschungen nicht sicher ist und sich gedanklich darauf einstellt, fordert die nun folgende „Kunst- und Wunderkammer„ dem Besucher doch einiges ab an der Einordnung der Dinge. Ging bisher der Ablauf eher zeitlich geordnet und thematisch sowie nach Künstlern sortiert zu, ist nun ein Sammelsurium und Mix von Zeitepochen, Künstlern, Bildern, Objekten, Schmuckstücken, Gläsern, Pokalen und auch einem Silberhirsch mit abschraubbarem Kopf zum Nachfüllen zu bestaunen.

R. Würth liebt den Kunstsinn seiner Heimat und orientiert sich hier an den Repräsentationsbedürfnissen der hohenlohischen Adelshäuser. So gibt es viele Elfenbeinschnitzereien, kostbare Humpen, sowie Hausaltäre.

Dazwischen hängen dann diesmal kleinere Bilder von Picasso, Tomi Ungerer, Paul Wunderlich und Salvatore Dali.

Allein für die Beschäftigung mit diesem Raum hätte man gut eine Stunde gebraucht. Dass dann auch Carl Spitzweg,Yve Klein und Horst Antes auftauchen, macht den Namen Wunderkammer nachvollziehbar.

Durch die folgenden Räume geht man automatisch schneller - zum einen machen sich nach fast 2 Stunden Ermüdungserscheinungen spürbar - zum anderen will man so schnell wie möglich zum eigentlichen Höhepunkt, der Madonna von Holbein kommen.

Doch vorher passiert man noch Andy Warhol und Christo und Jeanne Claude, doch das kennt man irgendwie - hat es schon öfter gesehen. Dann aber bleibt man stehen und bestaunt die Poträts von Luther (aus der Cranach Werkstatt) und Melanchton und ist endgültig im 15Jahrhundert angelangt.

Der letzte Raum des Rundganges ist inszeniert, wie eine Opernaufführung, Abgedunkelter Raum, wenig Bilder an den Wänden, in der Mitte eine Bühne, auf der die Madonna mit prächtigen Vorhängen präsentiert wird. Andachtsvoll nimmt man auf den Bänken davor Platz und ist zunächst überwältigt.


Holbeins Madonna, © Sammlung Würth

Die Schutzmantelmadonna von Holbein ist ein absolutes Meisterwerk der Malkunst im frühen 16. Jahrhundert. Sie zählt zu den großartigsten und zugleich rätselhaftesten Bildern der deutschen Malerei.

Wie nach jedem Höhepunkt braucht es jetzt eine längere Pause.
Die genießen wir in dem sehr schönen, aber lauten und zugleich preiswerten Cafe des Martin-Gropius-Baus.

Was dann im ersten Stock folgt ist eher Kür als Pflicht. Dennoch interessant. Es folgen Malerei aus Österreich, Skulpturen, Max Bill und, noch einmal - diesmal ausführlich mit orginal Objekten - ein ganzer Raum für Christo und Jeanne Claude.

Und auch hier im letzten Raum eine Überraschung: 5 Objekte des Schweizer Künstlers Tinguely, der aus Schrott, Kinderwagen, Fahrrädern, Autoteilen und sonstigem Abfall wundersame, bewegliche und auch durch Knopfdruck in Bewegung zu setzende Objekte geschaffen hat, deren Klirren, und Leuchten, Schaben und Schnaufen, Kratzen und Kreischen einen schönen Abschied aus dieser einmaligen Ausstellung einläuten.

Axel/Begleittext von P.K.Schuster (23.10.2015)

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