Begegnungsreise nach Rumänien und Serbien

Am Montag, dem 18.April 2016 flog unsere kleine Gruppe mit Carmen, die die Reise initiiert und organisiert hat, von Memmingen nach Timişoara, wo wir im Minibus von Ana, einem rumänischen Vorstandsmitglied der Danube Networkers, abgeholt und in unsere kleine Pension gebracht wurden. Ana begleitete uns während der gesamten Woche.

Bei einem Abendspaziergang zeigte uns Ana die großzügigen Plätze,  die vielen herrschaftlichen barocken Bauten und die zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Jugendstil errichteten Paläste des vermögenden, oft deutschstämmigen  Bürgertums der zweitgrößten Stadt Rumäniens. Sie stand seit 1716 unter österreichisch-ungarischer Herrschaft und erinnerte an Wien. Eine Bronzekopie des antiken Standbildes der Wölfin mit Romulus und Remus wies auf die Verwaltung des Gebiets durch das antike Rom hin.

Am folgenden Morgen wanderten wir zur orthodoxen Kathedrale. Eine Nonne führte uns durch das im Untergeschoß befindliche Ikonenmuseum und zeigte uns die typische Gestaltung der Ikonen in Rumänien. Verblüfft waren wir, als wir eine Ikone entdeckten, die Jesus am Kreuz zeigte, wie er nicht von römischen, sondern von osmanischen Soldaten bedrängt wurde.

Anschließend spazierten wir zum pädagogischen Fachgymnasium Carmen Sylva. Die Schule verdankt ihren Namen der aus Neuwied am Rhein stammenden letzten rumänischen Königin, die unter dem Pseudonym Carmen Sylva Gedichte, Märchen und Romane verfasst hatte. Von den Lehrerinnen wurden wir mit Kaffee und Kuchen begrüßt, die Kinder der Vorschulklasse schenkten uns selbstgebastelte Ostereier für das in Rumänien am 1. Mai erwartete Osterfest,  Schließlich überreichte Carmen den Lehrerinnen einen Urteig aus Sauerteig als Zeichen der Verbundenheit der an der Donau liegenden Länder.

Den nächsten Urteig erhielten die Betreuer des Kinderheims der Rudolf- Walther-Stiftung in Timişoara. In dem Kinderdorf wachsen 200 Kinder aus sozial schwierigen Verhältnissen im Alter von 3 bis 18 Jahren in kleinen Wohngruppen auf. Nach dem Schulabschluss können die Jugendlichen eine praktische Berufsausbildung als Bäcker, Kraftfahrzeugmechaniker oder als Kosmetiker anschließen.

Mitglieder der Partnervereinigung Constantin Brancusi fuhren uns mit PKWs zum etwa 25 km entfernten Weingut Cramele Recas mit 1300 ha Rebfläche. Wir erfuhren, dass die Reben dort zu 80% maschinell geerntet werden. Wir hatten Gelegenheit, die Weiß- und Rotweine zu probieren. Die Weine können auch in Deutschland erworben werden, beispielsweise unter dem Etikett „richtig lecker“ in Penny-Märkten. Es folgte der Besuch der Großbäckerei Brutania Izvin, in der wir fasziniert die Herstellung von Blätterteig verfolgten und einen Urteig hinterließen. Ein verspätetes Mittagessen erwartete uns in der Dorfgaststätte Di-Ana-Tom. Es gab herrliche Sarmale (Krautwickel auf rumänische Art) und jede Menge duftenden Obstschnaps.

Am späten Nachmittag trafen wir schließlich bei der rumänischen Partnervereinigung der Danube-Networkers, der Liga Scriitorilor in Timişoara ein. Dort wurde ein rumänisches Buch über Brot, Wein und Kräuter vorgestellt, zu dem Carmen das Vorwort verfasst hat. Nach ausführlichen Begrüßungen, Gesangseinlagen, Lesungen von Gedichten und Tanz wurde der aus Ulm stammende Urteig feierlich übergeben und neben rumänischen Snacks auch Ulmer Brot und Schinken gemeinsam verzehrt.

Am Mittwoch fuhr unsere Gruppe gemeinsam mit Mitgliedern der beiden rumänischen Partnervereinigungen mit einem Kleinbus ins serbische Vrsac. Wir besichtigten zunächst die vom serbischen Herrscher Brankovic als Verteidigungsposten gegen die Osmanen im Jahr 1439 auf einem Hügel errichtete Festung. Sie bot eine weite Sicht auf das umliegende Land.

Um 14 Uhr trafen wir in der  Agricultural High School von Vrsac ein. Dort werden 3 und 4jährige Ausbildungen in der Landwirtschaft, der Gastronomie, dem Tourismus und in technischen Berufen angeboten. Nach einer 4jährigen Ausbildung kann ein universitäres Studium aufgenommen werden. Nach der Besichtigung von Treibhäusern, Viehställen, Apfelplantagen und Bienenstöcken wurden wir alle, d.h. wir Deutschen, die rumänische Delegation und die serbischen Lehrer, von den Schülern des Gastronomiebereichs bewirtet. Es folgten zahlreiche Vorträge zum Thema Brot, Wein und Kräuter, die von der serbischen in die rumänische und englische Sprache übersetzt wurden. Da den Kern der Veranstaltung das Projekt Tastes of Danube Brot, Wein und Kräuter bildete, wurde natürlich auch ein Urteig zur Vermehrung überreicht. Nach verschiedenen Musikeinlagen verabschiedeten sich die rumänischen Teilnehmer und wir beschlossen den Tag mit einem gemeinsamen Brotbacken, wobei uns die Kunstfertigkeit des serbischen Lehrers unvergessen sein wird.

Der Donnerstag begann mit der Besichtigung des kleinen Museums und der katholischen Kirche in Vrsac. Vrsac war ab 1552 bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts von den Osmanen besetzt. Ab 1717 wanderten Donauschwaben ein und bildeten eine neue Siedlung. Der ursprüngliche Ort und die deutsche Siedlung wurden zunächst getrennt verwaltet, bis beide 1794 vereinigt wurden. Spuren der Deutschen fanden sich im Museum und zeigten sich später in der großen katholischen Kirche.

Anschließend fuhren wir nach Gudurica, das bis zum zweiten Weltkrieg nahezu ausschließlich von Deutschen besiedelt war. Wir genossen den Aufstieg und den Aufenthalt im orthodoxen Kloster Konak manastira Središte.


Im Ortskern von Gudurica begrüßte uns in der Kirche der Schulchor von Vrsac mit beeindruckenden Konzerteinlagen und Gesang. Danach wurden wir in der Grundschule von Gudurica mit Brot und Salz empfangen und gaben auch dort einen Urteig ab. Nach dem Besuch des kleinen Robert Hammerspiel Museums empfing uns der Wirt eines kleinen Dorfgasthauses zu Mittagessen und Weinprobe. Eingeleitet wurde das Essen mit Obstschnaps. In der Gegend wird Wein in größeren und kleineren Mengen angebaut, wovon uns der Wirt und einige Winzer berichteten.

Am Abend erreichten wir nach einer von einer Reifenpanne unterbrochenen Fahrt unser innenstadtnahes Hotel in Belgrad.

Am Freitag hatten wir Gelegenheit, uns bei einer Mitarbeiterin der Heinrich-Böll-Stiftung über die Verhältnisse in Serbien zu informieren. Diese Stiftung verfügt seit 2008 über ein Büro in Belgrad und arbeitet vorwiegend mit Bürgerinitiativen zusammen. Sie sieht ihre Aufgabe darin, Demokratie, Menschenrechte, Ökologie- und Energiebewusstsein zu fördern, die Frauenbewegung und Minderheiten zu unterstützen. Die Mitarbeiterin beklagte, dass immer dann, wenn die Regierung wechselt, der gesamte Verwaltungsunterbau im Land ausgetauscht wird und die Bürger nicht an Entscheidungen beteiligt werden. Dadurch fehlt es an Kontinuität und Verlässlichkeit. Die Arbeitslosigkeit ist mit 18 % sehr hoch, Korruption und Vetternwirtschaft bestehen.

Von dort führte uns der Weg durch die Stadt zum Zentrum für Interkulturelle Studien nahe der Festung von Belgrad, wo gemeinsam mit viel Lachen und Spaß interreligiöse und internationale Brote gebacken wurden.

Abends trafen wir uns dort erneut, verstärkt durch die bulgarischen und rumänischen Vorstandsmitglieder der Danube Networkers zum gemeinsamen Brotessen und gemütlichen Zusammensein. Eine serbische Wissenschaftlerin informierte uns über die Zusammensetzung eines im 12. Jahrhundert gebackenen Brots, das Archäologen in Serbien gefunden hatten.

Die Freizeit am Samstag wurde unterschiedlich gestaltet. Höhepunkte bildeten ein Spaziergang über das Festungsgelände, von dem aus der Zusammenfluss von Save und Donau zu sehen ist, und das Schlendern über die von prächtigen Bauten, zahlreichen Restaurants und Geschäften gesäumte breite Fußgängerzone. Das berühmte Nationalmuseum war leider immer noch nicht zugänglich. Am späten Nachmittag fuhren wir mit der Straßenbahn zum Sommerfest der Organisation Supernatural, der es gelungen war, mit Freiwilligen einen verschmutzten Seitenarm der Save zu reinigen.

Der Abend wurde mit einem gemeinsamen Essen mit den Danube-Networkern im Schiffs-Restorant Vodenica unterhalb der Festung beendet.


Der Sonntag begann mit einem Gottesdienst in deutscher Sprache in der ehemaligen deutschen Kirche in Zemun. Pfarrer i. R. Rabus ist von der EKD beauftragt, die deutschsprachige Gemeinde seelsorgerisch zu betreuen. Der anschließende Gemeindekaffee bot Gelegenheit für interessante Gespräche. Nach einem Spaziergang durch den von der Donaumonarchie geprägten Ort und einem guten Mittagessen fuhren wir nach Belgrad zurück und trafen uns mit Mitarbeitern des Goetheinstituts von Belgrad.  29 serbische Lehrkräfte unterrichten in Serbien, dem Kosovo und Montenegro Deutsch als Fremdsprache. Die Kurse müssen bezahlt werden. Ein 3monatiger Intensivkurs kostet umgerechnet 300,-€. Besondere Kurse finden an der medizinischen Fachschule statt, sie sollen auf Pflegeberufe in Deutschland vorbereiten. Die Nachfrage nach diesen Kursen ist hoch, da sich das Durchschnittseinkommen in Serbien auf lediglich 350,- bis 400,-€ im Monat beläuft und die Arbeitslosigkeit hoch ist. Die Mitarbeiter des Goetheinstituts würden es begrüßen, wenn sich serbische Schüler mit Deutschen über das Internet austauschen könnten.

Unser Dank gilt Carmen und den Danube Networkern, die diese Reise organisiert und gestaltet haben. Wir haben Einblicke in das Leben in Rumänien und Serbien gewinnen können, die Touristen üblicherweise verschlossen sind.
Annemarie Werning.
12.05.2016.

 

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