Quedlinburg - malerisches Fachwerk und prächtige Kirchen

Der dritte Tag unserer ViLE-Reise in den Harz führte uns nach Quedlinburg. Mit Heinrich I. (919-936), dem ersten König aus sächsischem Geschlecht, begann der Aufstieg der Stadt. Sie war sein Lieblingssitz  und er machte sie zu seiner Reichspfalz.

Unter den Ottonen erhielt Quedlinburg Markt-, Münz- und Zollrecht und gehörte im 10./11.Jhd. zu den bedeutendsten Städten des Reiches. Heinrich gründete hier 936 ein weltliches Damenstift, das, geleitet von energischen Äbtissinnen, zu einer der  einflussreichsten Einrichtungen der Stadt wurde.

Als sich z.B. 1426 die Stadt der Hanse anschloss und die Bürger als Zeichen ihrer Eigenständigkeit einen Roland aufstellten, rief die damalige Äbtissin sächsische Truppen herbei, ließ die Stadt besetzen, zwang die Quedlinburger zum Verzicht aller Privilegien und ließ den Roland entfernen. Erst seit 1803 (Quedlinburg ging an Preußen) steht der Roland wieder am Rathaus.


Rathaus

Hier begannen wir unseren Stadtrundgang und erfuhren von unserem kundigen Führer viel über die Geschichte der Stadt. Besonders interessant waren seine Ausführungen zu den Fachwerkhäusern. Rund 1300 aus acht Jahrhunderten sind erhalten, und da sie zum Weltkulturerbe der UNESCO gehören, sind in den vergangenen Jahren  Gelder geflossen, um rund zwei Drittel von ihnen zu sanieren.


Das älteste Haus in Quedlinburg

Wir lernten  viel über den Fachwerkbau. Für die älteste Art, den Hochständerbau, bei dem die Ständer von den Grundmauern bis zum Dach durchgehen, gibt es noch ein Beispiel aus dem 14.Jhd. in der Wordgasse. Es beherbergt jetzt ein Museum.


Typische Fachwerkhäuser

Später wurden die Häuser in der sog. Rahmenbauweise ausgeführt, wobei stockwerkweise Gefache entstehen, die meist mit Holzgeflecht und Lehmbewurf gefüllt, später auch ausgemauert wurden. Interessant war auch, dass man aus der Ausgestaltung der Balkenköpfe und verschiedener Schmuckelemente die Entstehungszeit der Häuser bestimmen kann.

Da die Räume der Häuser sehr niedrig und wegen der kleinen Fenster  ziemlich dunkel sind, sind sie als normaler Wohnraum nicht so sehr beliebt und werden häufig als Ferienwohnungen vermietet.

Anschließend wanderten wir zum Schlossberg hoch, von dem man einen schönen Blick über die Stadt und die umgebende Landschaft hat. Nach einer kurzen Mittagspause besuchten einige von uns die Stiftskirche St. Servatius, die mit ihren zwei wuchtigen Türmen eindrucksvoll auf dem Berg thront. Der Bau der dreischiffigen Basilika wurde um 1100 begonnen, 1347 wurde der  romanische Chor errichtet. Berühmt ist die Kirche für die Kapitele an ihren Pfeilern – Adler, Bären, Vögel, Menschen und Fabelwesen verzieren sie. Die dreischiffige Krypta enthält Reste hochromanischer Deckenmalerei und die Gräber von Heinrich I., seiner Frau Mathilde sowie Grabplatten Quedlinburger Äbtissinnen aus dem 11.bis 13.Jahrhundert.


Innenraum der Stiftskirche

Oberhalb der Krypta ist der Domschatz ausgestellt, dessen wichtigste Exponate der Quedlinburger Wandteppich (um1200) sowie das um 840 entstandene Samuhel-Evangeliar sind. Letzters wurde im 2. Weltkrieg von einem amerikanischen Soldaten gestohlen und als seine Erben es 1991 auf dem internationalen Kunstmarkt zum Verkauf anboten, wurde es von der deutschen Kulturstiftung für 3 Millionen.Euro zurückgekauft.

Den Ostchor mit den ausladenden Treppen ließ H. Himmler anlegen, romanisch ausgestalten und mit nationalsozialistischen Emblemen  versehen - ein Versuch, die Kirche zu einer nationalsozialistischen Weihestätte umzufunktionieren.

Der Abstieg vom Schlossberg führte uns vorbei am barock angelegten Abteigarten und von dort zur Wipertikirche. Nach einer wechselvollen Geschichte - 140 Jahre diente sie als Scheune – wurde die um 1000 gebaute Basilika 1959 neu geweiht und ist heute eine katholische Kirche.

 Einzigartig ist ihre 1000 Jahre alte Krypta, eine sog. Umgangskrypta. Es ist ein stimmungsvoller kleiner Raum, mit einer andeutungsweise erhaltenen Freskomalerei in der Apsis. Der  Architrav, der das Gewölbe trägt, ruht im Wechsel auf Pfeilern und Säulen, wobei erstere sog. Spolien sind: es wurden alte Grabsteine verwendet, die, um sie von ihrer vergangenen Funktion zu entbinden, auf den Kopf gestellt wurden.

Der Besuch dieser kleinen besonderen Kirche war ein schöner Abschluß unseres Quedlinburg-Tages.

Hiermit enden die Berichte über die ViLE-Reise in den Harz.

Text Ingeborg,. Fotos Axel (23.10.2016)

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