Ushuaya 'Die Bucht, die nach Osten blickt'.

Ushuaya – ein Wort, das mich sofort zum Träumen einlud! Ein Wort: Weich, verheißungsvoll, voller Wohlklang und Geheimnis!! Und was steckt dahinter? Ein Ort am Ende der Welt, eine Stadt in Argentinien am südlichsten Zipfel Südamerikas. * - Als ich hörte, dass ich die Möglichkeit hatte, dorthin zu kommen, sprang ich schier in die Luft vor Freude!!!

Schon die Reise dorthin war ein Abenteuer, mit Spannung erwartet - aufgeregt und voller Neugierde!! Der Flug: so lange unterwegs, über endlosen, einsamen Weiten, so als habe sie nie ein Mensch betreten. Und dann glitzert das Meer am Horizont und am Ufer liegt die langersehnte Stadt!!


Der Flughafen ist klein und überschaubar, getragen von einer lichten Holzkonstruktion. Wir durchschreiten die Halle, treten ins Freie - und atmen diese ganz besondere Luft: kühl, frisch, salzig, ja, und irgendwie: frei …. , die Augen blendet ein helles, klares Licht - ich fühle mich wie verzaubert, verzaubert - und doch auch seltsam zu Hause: Angekommen!

Die Stadt schmiegt sich an den Wänden eines weiten Talkessels hoch, der einen natürlichen, schützenden Hafen bildet für die vielen Schiffe, die hier ein- und auslaufen, Fischerboote, Yachten, Fähren, Dampfer aller Art.

Eine Stadt: gefühlt zeitlos, in sich ruhend. Was fehlt, ist jede Form von Gigantomanie, gigantisch ist hier nur die Natur: das graue Meer, die zackige Krone der Berge ringsum, einige mit weißen Schneespitzen, der Himmel mit seinen atemberaubenden Wolkenbildern. Sonst: keine Riesenschiffe, keine gewaltigen Dome, keine glitzernden Bankenpaläste, keine weitausladenden Supermärkte, keine Hochhäuser. Die meisten Häuser in schlichter Bauweise, die an Skandinavien erinnert. Als die Stadt vor etwa 200 Jahren gegründet wurde, fand man dort keine Gebäude vor, die den Stil mitgeprägt hätten, die wenigen Menschen, die schon dort lebten, waren Nomaden – und die lebten nicht mehr lange … - also konnte man bauen, wie es einfach und zweckmäßig war, mit dem Material, das am einfachsten zu haben war: Holz und Steine.

Die Straßen verlaufen alle rechtwinklig zueinander, steigen steil die Hänge hinauf. Vorfahrt haben die Autos, die rauf und runter fahren, die von rechts oder links müssen warten – so einfach ist das …

Viele Menschen sind unterwegs, Einheimische und Touristen, schlendern und schauen sich um, streben einem Ziel zu, wirken gelassen, freundlich, ruhig. Dazwischen ich, voller Staunen schaue ich mich um, herauskatapultiert aus einem so dicht besiedelten Land in diese unendliche, menschenleere Umgebung rings um die Stadt, heraus aus einer grauen, tristen Jahreszeit (wir haben Anfang Februar) in eine völlig andere, aber in welche??? Nein, nicht Winter (natürlich nicht, wir sind auf der Südhalbkugel!) - also eigentlich Herbst?! - Oder doch noch Sommer?? Schwer auszumachen: Es ist kühl, man braucht Jacken und gerne auch Mützen, aber überall blüht es: Ein Holunder streckt seine blühenden (!) Zweige über eine Mauer,

Lupinen an den Ecken, Rosen in den Gärten, Ringelblumen in fröhlich leuchtendem Gelb und in den Blumenrabatten an den Straßen stehen die Blütenköpfchen so dicht gestopft nebeneinander, dass kein grünes Blatt dazwischen Platz hat, so dicht, dass ich mich vergewissern musste, ob diese 'Gestecke' überhaupt echt sind… - und sie sind echt!!!

Ein Bummel führt an den Hafen, dort, wo in der Hauptsaison viele Weltumsegler und Polarreisende einen Zwischenstopp machen, aber zum Glück ist schon Nebensaison. Ich beobachte die Menschen bei der Arbeit, das Treiben der Boote (mit denen ich auch einmal aufs Meer in Richtung Süden fahren werde), genieße die Ruhe, die von allem ausgeht. Schlendere vorbei an kleinen Geschäften und einladenden Restaurants, aus denen ein verlockender Duft nach Steaks und Fisch kommt. Und plötzlich entlädt sich aus einer grauen, eilig dahinziehenden Wolke ein kräftiger Schutt. Im Nu ist alles klatschnass, blinkt und glitzert in der Sonne, die von einer anderen Ecke des Himmels herunterlacht und sich in den Pfützen spiegelt – und mit einem Mal spannt sich weit über die Bucht ein leuchtender Regenbogen!!!

Der Zauber dieser Stadt beruht nicht auf menschlichen Kunstwerken, Prunk und Luxus, sondern auf ihrer besonderen Lage am äußeren Ende eines Kontinents – ihrer räumlichen und atmosphärischen Distanz zu den Megastädten weit im Norden und von ihrer Nähe zu dem gar nicht so weit entfernten, einsamen, ewigen Eis des Südpols, ihrer Schlichtheit, ihrem Einvernehmen und ihrem Einklang mit der Natur, dem Spiel von Sonne und Wolken, Licht und Schatten über Land und Wasser – und dem allgegenwärtigen Meer.


(*Hab 's nachgeschlagen: Ushuaya bedeutet schlicht: 'Die Bucht, die nach Osten blickt' – und dieser Name ist ziemlich das Einzige, was von den ersten Bewohnern dort geblieben ist … )

Ute D. 10.11.2017.

Fotos: Ute David.

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