ViLE-Seminar in Bad Urach vom 24. bis 28. Februar 2020

Thema: 30 Jahre Wiedervereinigung.

Vorträge am Vormittag wechselten mit Workshops am Nachmittag ab, eine bewährte Mischung bei den ViLE-Seminaren in Bad Urach, aufgelockert durch Essens- und Kaffeepausen im schönen Ambiente des Hauses und einen Nachmittag am Mittwoch zur freien Verfügung. Am Mittwochabend fand die ViLE-Mitgliederversammlung statt.


 Das Video mit Interviews von Teilnehmenden wurde von Karin Hunsinger geführt.

 

Eingeführt wurde die Veranstaltung mit einer Bilderkollage zu DDR und BRD, von der Landespolitischen Bildungsstelle für das Seminar zur Verfügung gestellt.
Die Hauptvorträge am Montag (Frank Seibel), Dienstag (Reinhard Mehring), Mittwoch (Wittenburg) beschäftigten sich mit dem Blick zurück auf das geteilte Deutschland, mit Schwerpunkt DDR, eindrücklich dokumentiert auch durch die Fotopräsentation des Rostocker Fotografen Siegfried Wittenburg. Bei dem Hauptvortrag am Donnerstag (Michael Wehner) welche Auswirkungen das politische System der DDR auf unsere Demokratie hatte.

Foto 1 Markus Marquard und Herr Templ,

 


Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen (Foto Wittenburg)


Seibel: Rückblick auf 30 Jahre Wiedervereinigung:
Herr Seibel ist Kulturanthropologe, Politikwissenschaftler und Journalist. Besonders interessant waren seine einigen persönlichen Erfahrungen zu seiner Nachwendezeit in Görlitz. Ein besonderer Aspekt dabei auch die heutige Situation an der deutsch-polnischen Grenze. So sprach Herr Seibel von einer „zweiten Wiedervereinigung“, weil der in Polen liegende östliche Teil von Görlitz durch die EU-Erweiterung, u. a. mit Polen, wieder normal zugänglich wurde. Herr Seibel schlug vor, „ein Stück zur Seite zu gehen“ um einen anderen Blick auf die ehemalige DDR zu werfen, und auch den ehemaligen DDR-Leuten auf Augenhöhe zu begegnen.
Herr Seibel ist der Leiter der Begegnungsstätte in Görlitz. Wir werden bei unserer ViLE-Forschungsreise im Oktober dort stationiert sein. Herr Seibel wird mit Markus Marquard ein Begegnungsprogramm zusammenstellen.

Mehring: Geschichte des geteilten Deutschlands und Nachwendeerfahrungen:

Foto 3 Mehring beim Vortrag

Angefangen hat Herr Mehring mit den Ostverträgen in den 1970er Jahren, die eine neue Ostpolitik mit Anerkennung des Staates DDR einschlossen; die KSZE-Konferenz (Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) war eine Folge von blockübergreifenden Konferenzen der europäischen Staaten zur Zeit des Ost-West-Konfliktes. Die erste Konferenz fand vor allem auf Initiative des Warschauer Paktes ab dem 3. Juli 1973 in Helsinki statt und leitete eine Entspannungsphase in der Ostpolitik ein. 1989 verkündete Genscher in der Prager Botschaft die Ausreisemöglichkeit der geflüchteten DDR-Bürger aus der Botschaft. Ermöglicht hatte er dies durch seine vorherigen Verhandlungen mit Schewardnadse.1990 formulierte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl ein 10 Punkteprogramm zu dem künftigen Umgang mit der DDR aus, ein Programm, das als Grundlage für den Einigungsprozess gesehen werden konnte: In den ersten beiden Punkten ging es um die Reisefreiheit der Bürger in beide Richtungen. Herr Mehrung erzählte auch, dass ein Sturz Gorbatschows, ohne den die Wiedervereinigung wohl nicht möglich gewesen wäre, immer wieder „im Raum“ stand (was uns im Westen wohl nicht so bewusst war). Herr Mehring beleuchtete auch die politischen Entwicklungen in der DDR und im Westen. Nach der Wende gab es besonders in der ehemaligen DDR „Wende-Verlierer“. So waren z. B. zunächst nur Wissenschaftler aus dem Westen auf Professorenstellen in der ehemaligen DDR berufen worden. Noch heute leben Mehrings Kollegen an der Humboldt-Universität teilweise prekär. Vor allem in der DDR ist ein Verlagssterben zu beobachten und Druckmedien verschwinden. Die Wende war schwierig besonders für diejenigen, die zu jung waren, um in Rente zu gehen, oder zu alt, um noch etwas Neues anzufangen. Herr Mehring empfahl uns einiges an Literatur zur Nachwendezeit.

Am Donnerstag und Freitag hatten wir Gelegenheit, unsere Bewertung der Wiedervereinigung aus heutiger Sicht zu Papier zu erarbeiten. In Kleingruppen zu circa 8 Personen konnten 10 relevante Themen bearbeitet und in 10 Postern dokumentiert werden. Es zeigte sich während der intensiven Diskussionen und beim Austausch der eigenen Erlebnisse, das auch 30 Jahre danach immer noch die Menschen aus Ost und West emotional bewegt sind. Zum Abschluss des Seminars erfolgte wie üblich eine Evaluation der Gruppenarbeiten. Markus Marquard und Herr Templ von der Landespolitischen Bildungsstelle hatten gewohnt perfekt das Seminar geplant, organisiert und durchgeführt.


Kleingruppenarbeit: Beate Braun vor dem Poster Ost-West-Begegnungen

Dieses Seminar war eine sehr gute Vorbereitung für unsere ViLE-Forschungsreise nach Sachsen im Oktober 2020, wo wir unsere neu gewonnenen oder wiederbelebten Erkenntnisse „in der Praxis“ anwenden können. Auch hoffen wir, mit den Bürgern in Görlitz direkt ins Gespräch kommen.

Die exzellente Küche haben wir wieder sehr genossen und bedauern es wirklich, dass wir nächstes Jahr darauf verzichten müssen, weil das Haus auf der Alb renoviert wird und einige Zeit nicht mehr zur Verfügung stehen wird.


Foto 5 Michael Vesper mit Küchenpersonal


Bericht von Barbara Heinze 09.03.2020

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