By Photograph taken in 1905, as shown on www.margarete-von-wrangell.de
(Universität Hohenheim) [Public domain], via Wikimedia Commons
An Margarethes Biografie hat mich besonders beeindruckt, dass ihre Mutter sie bedingungslos in ihrer Laufbahn unterstützte. Auch zeigt ihr Lebensweg, dass sie damals schon global dachte und wirkte und darin auch Unterstützung fand.
Margarethe von Wrangell entstammte einer bekannten deutsch-baltischen Grossgrundbesitzerfamilie. In Reval besuchte sie eine deutschsprachige Mädchenschule und absolvierte diese und die Lehrerinnenausbildung 1894 mit Auszeichnung. In den folgenden neun Jahren gab sie in Reval Privatstunden in Naturwissenschaften und nahm selbst Malunterricht. Obwohl ihre Verwandtschaft entsetzt auf dieses „unweibliche Vorhaben“ reagierte, beschloss sie nach Jahren von Krankheiten und psychischen Krisen zu studieren. Dabei erhielt sie die Unterstützung ihrer Mutter, die sogar mit ihr nach Tübingen zog. Weil sie zwar ein Lehrerinnenexamen aber kein Abitur hatte, war sie zunächst nur Gasthörerin.
Sie wurde 1904 eine der ersten Studentinnen, die von der hart umkämpften Zulassung von Frauen zum Studium profitierten. Margarethe absolvierte gemeinsam mit den ersten Abiturientinnen des Stuttgarter Mädchengymnasiums ihr Studium in Botanik, Physik und Chemie und erhielt für ihre Doktorarbeit die höchste Auszeichnung. In ihrer Freizeit trieb sie viel Sport, unter anderem spielte sie Tennis, schwamm, ritt und radelte.
Nach Studien- und Forschungsaufenthalten in London und Paris übernahm sie 1912 in ihrer Heimat die Leitung der Versuchsstation des Estländischen Landwirtschaftlichen Vereins in Reval. Hier untersuchte sie den Phosphatbedarf von Nutzpflanzen und fand heraus, dass er geringer war als bislang angenommen, ein Ergebnis von großer wirtschaftlicher Bedeutung für ihr Land, da Estland während des Ersten Weltkriegs von Düngerlieferungen abgeschnitten war. Ihr Institut wurde 1918 infolge der russischen Revolution geschlossen.
Margarethe konnte ihre Forschungen an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim bei Stuttgart fortführen, weil ihre estländischen Ergebnisse dort Aufmerksamkeit erregt hatten. Sie habilitierte sich 1920 mit dem Thema Phosphorsäureaufnahme und Bodenreaktion. Das Reichsernährungsministerium stellt ihr 1923 ein eigenes Pflanzenernährungsinstitut in Hohenheim zur Verfügung. Als erste Frau in Deutschland erhielt sie 1923 eine ordentliche Professur, war also als Ordinaria zur selbstständigen Lehre und Forschung berechtigt. Doch hatte die Wissenschaftlerin trotz ihrer Erfolge auch mit Intrigen zu kämpfen. Ihre Existenz fast ohne Privatleben sah sie als den Preis an, den sie – wie andere Frauen ihrer Zeit auch – für ihre Karriere erbringen musste.
Erst 1928 fand sie in ihrem Jugendfreund Fürst Andronikow einen Partner, der ihr berufliches Engagement akzeptierte und ihr den Rücken frei hielt. Nach der Heirat brauchte sie allerdings eine Ausnahmegenehmigung des Staatspräsidenten, um ihre Arbeit weiterführen zu dürfen („Beamtinnenzölibat“). Im Alter von 55 Jahren starb Margarethe von Wrangell, die von Jugend an immer wieder gesundheitliche Krisen zu überwinden hatte, an einem Nierenleiden.
Für einen Gedenkstein in Hohenheim wurde ihr Ausspruch gewählt: „Ich lebte mit den Pflanzen, ich legte das Ohr an den Boden und es schien mir, als seien die Pflanzen froh, etwas über die Geheimnisse ihres Wachstums erzählen zu können.“ Das seit 1997 ausgeschriebene "Margarete von Wrangell-Habilitationsprogramm für Frauen" versteht sich als ein Baustein, um strukturell bedingten Benachteiligungen von Frauen in der Wissenschaft entgegen zu wirken.