Auferstanden aus Ruinen
                                     von Marlis Föhr
Mai 1945, Kriegsende. Die Rückkehr zur Normalität lief an. Die Menschen konnten sich zwar wieder ohne Angst vor Tieffliegern auf den Straßen bewegen; aber Trümmer mussten beseitigt, Strom- und Wasserleitungen repariert werden. Der „Aufbau Deutschland" musste geschultert werden!

Wirtschaftliche Einschränkungen
Lebensmittel blieben rationiert, Textilien und Schuhe gab es weiter auf Bezugscheine. Unsere Eltern trugen vielfach, soweit noch vorhanden, ihre Vorkriegskleidung. Für die heranwachsende Jugend musste nach neuen Lösungen gesucht werden. Aus grauen Wehrmachts- und khakifarbenen US-Wolldecken nähte die Schneiderzunft im Ort Mäntel und Jacken, aus Fallschirmseide entstanden luftige Sommerkleider. Diese „Kostbarkeiten" wurden auf dem Tauschwege beschafft, wobei manches wohlgehütete Schmuckstück seinen Besitzer wechselte.

Das neue Kleidergefühl
Im Oktober öffneten die Schulen wieder ihre Pforten. Lyzeen, die bis 1935 in Klosterhand waren und dann von den Machthabern des Dritten Reiches als Staatliche Schulen weitergeführt wurden, kamen wieder in die Zuständigkeit ihrer rechtmäßigen Eigentümer. Das bedeutete für die Schülerinnen eine große Umstellung und betraf nicht nur die Lehrmethoden, sondern auch die Kleiderordnung. Im Winter mussten Röcke über den heißgeliebten Skihosen getragen werden. Dabei war der Spott der Gymnasiasten vorprogrammiert. Geturnt wurde auch im Sommer mit langen Trainingshosen.

Aus Alt mach Neu
In meiner Heimatstadt gab es 1945 sechs Schneidermeisterbetriebe und etliche Hausschneiderinnen, die sich über mangelnde Auftragslage nicht beklagen konnten. Aus umgearbeiteten alten Kleidungsstücken wurden neue kreiert und oft wurden mit farbigen Stoffstreifen die Röcke verlängert. Hilfreich waren dabei die Kleiderspenden aus der Schweiz und die Care-Pakete aus Amerika, die häufig neben Lebensmitteln auch Kleidungsstücke enthielten.
Es gab bald wieder ausreichend Gelegenheit sich im „neuen" Modetrend zu zeigen: Im Theater, bei Konzerten und bei den zahlreichen Kirchweihfesten im Umfeld.

Konfektion - der neue Trend
Ende der vierziger Jahre wagte der Inhaber einer Bekleidungsfirma, dessen Betrieb in Köln völlig zerstört wurde, einen Neuanfang in unserer Stadt mit der Herstellung von Herren- und Damenhosen. Ein weiteres Unternehmen produzierte aus den gleichen Gründen sportliche Damenmode. Beide Firmen ließen durch Direktverkauf von Auslaufmodellen und zweite Wahl-Fertigungen die Bevölkerung am Aufschwung teilhaben, womit sie zudem die Fertigung zu günstigen Preisen ermöglichten. Nach Jahren des Improvisierens war es eine willkommene Gelegenheit sich nach der neuen Mode zu kleiden. Beide Betriebe unterhielten Lehrwerkstätten und gaben vielen Frauen und Männern unserer Stadt einen Arbeitsplatz.

"Aus" für Fabrikation und Handwerk
Bereits Ende der Sechzigerjahre drehte sich der Wind für die Bekleidungsfirmen. Erst kam die Kurzarbeit, dann die endgültige Schließung. Auch die Schneiderbetriebe arbeiteten nur noch für zahlungskräftige Kunden oder „Problemfälle".
Schneiderlehre gab es nicht mehr. Es war kein hausgemachtes Problem unserer Stadt oder des Kreises. Schuld waren vielfach die Kataloge der Versandhäuser, die mit vielen bunten Bildern für eine preiswertere Mode warben. Ihre Billigangebote aus China und anderen asiatischen Ländern konnte man ohne Risiko bestellen und bei Nichtgefallen zurücksenden. Die Menschen entschieden sich gegen die teuere Maßkleidung und kauften lieber die Billigware.

T-Shirts
Zu der Grundausstattung einer Garderobe gehört das T-Shirt, das zum beliebtesten Kleidungsstück avancierte. Ursprünglich meistens aus weißer Baumwolle und einfachem Schnitt, konnte man es bald auch in vielen weiteren Variationen kaufen. Es passte zu sportlichen Hosen und Röcken wie auch zu einem eleganten Outfit, wenn es mit Stickereien und Pailletten verziert wurde. Dieser luxuriösen Ausstattung haftete bald ein Makel an. Die Luxusausführung entstand durch Ausbeutung von Frauen und mit Kinderarbeit, durchgeführt in schmutzigen Werkstätten bei einem Hungerlohn.

Jeans
Jeans, vor Jahren noch die Arbeitskleidung der Bauarbeiter, zählen auch heute noch zu den Erfolgsmodellen. Die Hersteller ändern in jeder neuen Saison Farben und Schnitte und bestimmen mit ihren „Marken" das Outfit ganzer Schülergenerationen. Eltern, die diesen „Spuk" nicht mitmachen, setzen ihre Sprösslinge dem Spott der Mitschüler aus, da sie ja nicht „in" sind. Die soziale Stellung wird von der Kleidung abhängig gemacht.

Mode ist wandelbar
Der Spruch „Zeig mir, was du anhast, und ich sage dir, wer du bist", hat seine Berechtigung. Der Mensch kleidet sich und sendet durch seine Kleidung eine Botschaft an seine Umgebung. Seine Kleidung ist Ausdruck seines Geschmacks, seiner Einstellung und seines Lebensstils

Links zum Thema
http://www.mdr.de/hier-ab-vier/vorsicht-fettnaepfchen/1266618.html
http://journal-ethnologie.inm.de/
portal/WebObjects/PortalJE.woa/wa/select?id=180003002&entity=Artikel

http://www.gempfing.de/pfarrhof/kleider.htm

 
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