Das Ritual
Als die 68er den „Muff unter den Talaren“ abschafften, fielen diesem Aufbegehren auch viele nützliche Rituale zum Opfer. Erst allmählich merkte man, dass durch ihr Fehlen sich das Leben veränderte und dass Rituale einen Sinn haben.
So wurde 2008 zum Jahr der Rituale erkoren. Gedenkzeiten – Tage, Monate, Jahre – richtet man immer dann ein, wenn es auffällt, dass man einen Mangel an etwas hat. So ist es auch mit den Ritualen.
Rituale in ihrer allgemeinen Bedeutung sind Regeln des menschlichen Verhaltens, die die Interaktion mit dem Umfeld beeinflussen. Sie ermöglichen und erleichtern die zwischenmenschlichen Beziehungen, bringen Sicherheit und Ordnung in unser Leben und helfen bei der Kommunikation.
Rituale sind gemeinschaftsstiftend und fördern das „Heimisch-Werden“. Wer sie in einer Gesellschaft beherrscht, ist kein Fremder mehr.
Rituale greifen auf bekannte Abläufe zurück und vereinfachen dadurch schwierige Situationen.
Orte von Ritualen
Rituale begleiten uns in unserem ganzen Leben. So gibt es Rituale bei der Geburt, dem Eintritt in die Schule, bei ihrer Beendigung und an vielen anderen Stellen, immer dann, wenn ein Lebensabschnitt beendet ist und wir in eine neue Lebensphase eintreten. Van Gennep nennt diese Rituale „rites des passages“, also Übergangsriten.
Jede Familie hat aber auch ihre eigenen Rituale, die das Leben in der Familie strukturieren und seine Besonderheit kennzeichnen. Das kann das Vorlesen oder Singen beim Zu-Bett-Bringen der Kinder, das Küsschen beim Wecken, die Weißwurst beim gemeinsamen Sonntagsfrühstück sein.
Neben diesen Ritualen auf der persönlichen Ebene ist auch das Jahr durch Rituale geprägt: Winteraustreiben, Johannisfeuer, Erntedank, um nur einige davon zu nennen.
Religionsrituale
Einen breiten Raum nehmen Rituale in den einzelnen Religionen ein. Vor allem da, wo bestimmte Religionsgemeinschaften eine Minderheit bilden, helfen sie bei der Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls und geben Sicherheit und Geborgenheit.
Auch die Magie würde es ohne Rituale viel schwerer haben, Menschen an sich zu binden.
Eine weitere Institution, die sich der Bindefähigkeit der Rituale bedient, ist der Staat. Die Faszination Stalins, Hitlers und Mussolinis wäre sicherlich nicht so groß gewesen, wenn nicht ganz gezielt Rituale eingesetzt worden wären, seien es die bei jeder Gelegenheit stattfindenden Aufmärsche, die Grußformen, Fahnen, Musik und noch manches, was beim ersten Hinblicken nicht so sichtbar gewesen ist. Die Bindung an den Staat sollte zur Ersatzreligion werden.
Brauch und Sitte
Die oben genannten Wörter werden bei ihrem Gebrauch oft als identisch empfunden. Das ist aber nur in soweit richtig, als beide Wörter Verhaltensweisen bezeichnen, die durch ihre ständige Ausübung und Dauer zu Regeln in der Gesellschaft geworden sind.
Der Brauch unterscheidet sich aber von der Sitte dadurch, dass seine Nichteinhaltung keinerlei Konsequenzen nach sich zieht. So gibt es in Deutschland den Brauch des Karnevals, aber niemand würde diejenigen rügen, die Karneval nicht feiern.
Wird aber eine Sitte nicht eingehalten, so ist jedes Mitglied der Gemeinschaft oder Gesellschaft befugt, dieses Verhalten zu sanktionieren. Es ist Sitte, dass Männer in christlichen Kirchen die Kopfbedeckung abnehmen. Wenn wir auch heute liberaler sind, so wird derjenige, der dies nicht macht, aller Voraussicht nach darauf angesprochen werden.
Symbol und Zeremonie
Das Wort Symbol ist mehrdeutig. Symbole sind ein wichtiges Mittel der menschlichen Kommunikation und der Interaktion. Einen Symbolcharakter können sowohl reale Gegenstände als auch sprachliche Äußerungen und Verhaltensweisen haben. Im täglichen Leben signalisieren Symbole oft die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Wenn eine Frau einen Mann mit Handschlag begrüßen will, und der Mann ergreift die Hand nicht, signalisiert das in der Regel symbolhaft – ich bin orthodoxer Moslem .
In der Psychoanalyse sind Symbole Worte und Handlungen, in denen sich Unbewusstes ausdrückt.
Eine Zeremonie ist eine feierliche Handlung, in der sowohl im religiösen als auch im weltlichen Bereich die Rituale der Gemeinschaft oder Gesellschaft angewandt werden.
Für den Beitrag wurde benutzt:
Lexikon zur Soziologie. Hrsg. von Werner Fuchs-Heinritz u.a. 3.Aufl.
Opladen: Westdeutscher Verlag 1994
Links:
http://de.wikipedia.org./wiki/Ritual
http://images.zeit.de/text/zeit-wissen/2006/06/06_Rituale.xml