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Ein Afro-Sklave im kaiserlichen Wien
                                     von Lore Wagener
Wenn man im web nach Angelo Soliman „googelt“, werden 67700 Ergebnisse angezeigt. Der Sklave aus dem kaiserlichen Wien ist also kein Unbekannter. Sein Leben und besonders sein Ende im kaiserlichen Naturalienkabinett füllen viele Seiten


Angelo Soliman

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Angelo Soliman um 1750

Unser Bericht soll im Wesentlichen den Ausführungen des Wiener Professors Dr. Walter Sauer vom SADOCC (Dokumentations- und Kooperationszentrum Südliches Afrika) folgen. Prof. Dr. Sauer befasst sich mit der Biographie Angelo Solimans, des bekanntesten der so genannten "Hofmohren" des 18. Jahrhunderts in Wien. Er versucht, dem wuchernden "Mythos" über Soliman die quellenmäßig fassbare Wirklichkeit entgegenzustellen.
Zum allgemeinen Verständnis merkt Sauer zuerst an, dass Afrikaner und Afrikanerinnen im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wien sehr selten waren. Sie standen in der Regel auf einer der untersten Sprossen der gesellschaftlichen Leiter. Einzelne Künstler schafften einen Aufstieg, die meisten waren aber arm, was jedoch noch nicht Ausdruck rassischer Diskriminierung war. Ihre Anwesenheit in Österreich erklärt sich vor allem durch den Konflikt mit dem Osmanischen Reich (so genannte "Beutetürken") und Verbindungen zum südeuropäischen Sklavenhandel.

Der junge Angelo
Angelo Soliman war aber ein „Geschenk“. Er soll 1721 in Südäthiopien oder Kamerun geboren und im Kindesalter von Feinden entführt und an Sklavenhändler verkauft worden sein. Später erwarb ihn eine reiche Adelige aus Messina. Diese ließ ihn taufen und verschenkte ihn schließlich an den österreichischen Fürsten Johann Georg Christian Lobkowitz. Fürst Lobkowitz lebte von 1688 bis 1753. Er war 1741 Feldmarschall von Österreich und Befehlshaber der kaiserlichen Armee in Italien und später Gouverneur von Sizilien. Prof. Sauer meint zur Quellenlage: „Ob Angelo den Fürsten tatsächlich - wie manche Lebensgeschichte erzählt - auf dessen militärischen Einsätzen begleitete und sich dabei reiche gesellschaftliche und militärische Erfahrungen und Verdienste erwarb,“ sei dahingestellt. Nach dem Tod des Fürsten im Jahre 1753 kam Angelo jedenfalls um 1755 in die Dienste des Fürsten Wenzel von Liechtenstein und damit in dessen fürstliche Residenzen in Wien.

In Wien
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Fürst Joseph Wenzel I. von Liechtenstein

Angelos neuer Besitzer, Fürst Josef Wenzel I. von Liechtenstein (1696 bis 1772), hatte alle Talente eines barocken Fürsten und wurde am Kaiserhof sehr geschätzt. 1760 wurde er mit der ehrenvollen Aufgabe betraut, die Braut Erzherzog Josephs, des späteren Kaisers Joseph II., aus Parma heimzuholen. Einen weiteren ehrenvollen Auftritt hatte der Fürst im Jahre 1764, als er als Prinzipalkommissar bei der Kaiserwahl und Krönung Josephs II. in Frankfurt am Main fungierte. Angelo Soliman passte gut in den repräsentativen Hofstaat des Fürsten; er soll drei Sprachen fließend und drei weitere einigermaßen gesprochen haben. Der „Hofmohr“ zierte daher auch bei den vorgenannten gesellschaftlichen Ereignissen das Gefolge, gekleidet in sündhaft teure Gewänder, wie die noch erhaltenen Akten belegen.
Im Alltag hatte Soliman wohl die Aufgabe, Bittsteller zu empfangen. Seine Biografen bezeichnen ihn als "Schutzgeist der Bedrängten" und „glücklich in Erfüllung dieser Pflicht für Andere“.

Heirat
1768 verliebte sich Soliman und wurde heimlich nachts im Stephansdom mit seiner Angebeteten Magdalena geb. von Kellermann, verwitwete Christiani, der Schwester eines französischen Generals, getraut. Kardinalerzbischof Migazzi selbst sorgte für größte Diskretion. Im Trauungsbuch der Dompfarre St. Stephan ist diese Heirat als Einzige in Latein vermerkt. Die Heirat sollte ohne Wissen des Fürsten erfolgen, weil dieser Eheschließungen seiner Dienerschaft wegen der möglichen späteren "Versorgungslasten“ nicht wünschte. Natürlich erfuhr Fürst Liechtenstein trotz aller Vorsicht von der Hochzeit und warf Soliman fristlos aus seinem Dienst. Die Familie Soliman-Kellermann bezog ein der Magdalena gehörendes Wohnhaus in der Vorstadt, wo sie bis 1783 lebte. Die 1772 geborene Tochter Josephine heiratete 1797 den Militär-Ingenieur Ernst von Feuchtersleben. Ihr Sohn Eduard von Feuchtersleben wurde nach seinem Studium Sudhüttenmeister in Bad Aussee.

Die späten Jahre
Als Fürst Josef Wenzel im Jahre 1772 kinderlos starb, wurde dessen Neffe Franz Josef I. von Liechtenstein sein Nachfolger. Dieser Fürst nahm den Angelo 1773 als Prinzenerzieher wieder in seine Dienste. Zum ersten Mal überhaupt erhielt Soliman von ihm eine recht ansehnliche Gage. 1781 wurde Soliman in die elitäre Freimaurerloge „Zur wahren Eintracht“ in Wien aufgenommen. 1783 ging er als Hofmeister in Pension. Er starb 1796 in dem Bewusstsein, ein angesehener Bürger und Freimaurer zu sein, aber angeblich in verarmtem Zustand.
Bis dahin deckt sich diese Biografie nach Prof. Sauer in etwa mit den Biografien anderer Afrikaner in Europa: Gefangennahme, Sklaverei, Hofdienst in unklarer personenrechtlicher Position. Hier zeigte sich, dass es damals doch eine - zwar seltene - Möglichkeit gab, sich trotz anderer Hautfarbe und unklarer Herkunft eine beachtenswerte gesellschaftliche Position zu erobern.“ Aber nach dem Tod wurde diese Biografie noch sehr ungewöhnlich.

Ausgestopft
Die Geschichte begann damit, dass schon wenige Stunden nach Solimans Tod der akademische Bildhauer Franz Thaller im Trauerhaus erschien, um - angeblich auf kaiserliche Weisung - einen Gipsabguss vom Leichnam abzunehmen. Dann wurde Angelo die Haut abgezogen und diese präpariert und ausgestopft. Die so entstandene Figur endete in der kaiserlichen Naturaliensammlung, und dies nicht etwa in angemessener Ausstattung, sondern so: "Angelo Soliman war in stehender Stellung mit zurück gerücktem rechten Fuß und vorgestreckter linker Hand dargestellt, mit einem Federgürtel um die Lenden und einer Federkrone auf dem Haupt, die beide aus bunten Straussfedern zusammengesetzt waren. Arme und Beine waren mit einer Schnur weißer Glasperlen geziert und eine breite aus gelblichweißen Münzporzellanschnecken zierlich geflochtene Halskette hing tief bis an die Brust herab." Die exotischen Pflanzen und Tiere, welche die Dekoration „schmückten“, waren aber eher amerikanisch.

Petitionen
Das Fürsterzbischöfliche Konsistorium kritisierte dieses Arrangement heftig. Es nahm daran Anstoß, „dass durch die Ausstellung eines Mohren als einer schönen Rarität lediglich die Neugier des Publikums erzielt werden solle“. Dies störte die Aussteller aber nicht. Ebenso blieben die jahrelangen Petitionen der Tochter Josephine von Feuchtersleben erfolglos. Erst 1806 verbannte ein neuer Leiter der Sammlungen die ausgestopften menschlichen Präparate - es gab noch einen Afrikaner und zwei Waisenkinder - in die Requisitenkammer. Eine verirrte Kanonenkugel traf schließlich 1848 bei der Wiedereroberung Wiens durch kaiserliche Truppen den Aufbewahrungsort und verbrannte gnädig diese Geschmacklosigkeiten. Die Aussteller selbst hatten wohl damals - in einem von "moderner" Naturwissenschaft faszinierten Europa - nichts Ungewöhnliches darin gesehen, „Neger“ zu präparieren, allerdings geschah das sonst eher zum Zweck von anatomischen Untersuchungen, nicht zur Schaustellung.

Falsche Freunde?
Den letztgenannten Punkt hat Frau Dr. Monika Firla bei ihren Forschungen betrachtet. Sie kommt in ihrer Arbeit „Soliman und seine Freunde im Adel und in der geistigen Elite“ zu dem Ergebnis, dass Soliman in einer elitären Freimaurerloge war, der die damals führenden Wiener Anatomen angehörten. Er war mit vielen von ihnen gut bekannt und wohl auch mit ihren Forschungen vertraut. Es sei also nicht auszuschließen, dass Angelo Soliman selbst im Dienste der Wissenschaft seine Haut gespendet habe. Für diese Annahme zählt die Wissenschaftlerin viele Indizien auf, aber einen handfesten Beleg gibt es wohl nicht. Dr. Firla schreibt: „Doch zu Solimans Freundeskreis scheinen außerdem einige gehört zu haben, welche ihn unter dem Einfluss rassistischer Theorien, die in jener Zeit „modern“ geworden waren, zur publikumswirksamen Überlassung seiner Haut veranlassten.“ Aber die genauen Umstände bleiben aufgrund der schwierigen Quellenlage bis heute ungeklärt.

Lokale Tradition?
Prof. Dr. Sauer bemerkt zu diesem Punkt: „Seit der osmanischen Belagerung bestand in Österreich sogar eine lokale Tradition: Rauchfänge wurden mit konservierten Türkenleichen zur Abschreckung böser Geister dekoriert, in Spiritus eingelegte "Türken-" und "Mohrenköpfe" über ganz Europa hinweg verkauft. Das Problem, das die Konservierung und Ausstellung des Soliman (in den Augen vieler Zeitgenossen) aufwarf, war aber, dass es sich bei ihm nicht um eine antike Mumie, nicht um einen muslimischen Feind oder einen unbekannten Exoten handelte, sondern um ein bekanntes und respektiertes Mitglied der Wiener Gesellschaft. Deshalb wurde gerade seine Ausstellung im Museum (noch dazu in praktisch nacktem Zustand) als Skandal betrachtet:“
 
Links
Prof. Dr. Walter Sauer Wien: Leseprobe aus: Afrikanisches Wien, 1996

Dr. Monika Firla: Angelo Soliman und seine Freunde im Adel und in der geistigen Elite

Eine Besprechung des Sammelbandes „Von Soliman bis Omerofan“:

Eine kurze Geschichte des Wiener Naturhistorischen Museums

Alle Bilder Wikipedia gemeinfrei
 
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