von Sibylle Sättler
Es waren stolze Herren, diese Hansekaufleute; sie trugen vornehme Gewänder, aber auch in der Friesjacke des Schiffers trotzten sie Wind und Wellen und dem Seeräuberbund und gepanzert behaupteten sie sich im Krieg.
„Hanse“
Hanse Kogge; Foto Andreas Burmann
“Hanse“ (althochdeutsch Hansa „Gruppe, Gefolge, Schar“), auch Deutsche Hanse oder dudesche Hanse, lateinisch „Hansa Teutonica“, war zunächst ein Zusammenschluss norddeutscher Kaufleute (Kaufmannshanse), der nach Mitte des 14. Jahrhunderts in die Städtehanse umgewandelt wurde. Sie bot ihren Mitgliedern Schutz im Ausland, vertrat ihre Handelsbelange gegenüber fremden Machthabern, verschaffte ihren Mitgliedern Handelsprivilegien (Zollbefreiung) und entschied interne Streitigkeiten durch eine eigene Gerichtsbarkeit, die von den Ältesten, den Oldermännern, ausgeübt wurde. Ihr gehörten in ihrer Hochzeit etwa 200 Hafen- und Binnenstädte an. Ihr Einflussbereich erstreckte sich von der Zuidersee über den Finnischen Meerbusen, die Ostsee bis nach Thüringen. Die „Kogge“ war das Segelschiff der Hanse, das auch mit Kanonen ausgestattet werden konnte.
Entwicklung der Hanse
Als Ursprung der Hanse im Ostseeraum, neben Kontakten aus dem Kölner Raum mit Westeuropa, gilt die Genossenschaft der „Gotlandfahrer“. Diese rekrutierten sich nicht nur aus Lübeck, sondern auch aus westfälischen und sächsischen Städten.
Ende des 12. Jahrhunderts wurde in Novgorod eine erste deutsche Kaufmannsniederlassung gegründet, und um 1230 der erste Vertrag zwischen Lübeck und Hamburg geschlossen. Im Laufe der Zeit traten dem Verbund auch die Kaufleute aus den neu gegründeten Städten an der slawischen Ostseeküste bei. Mit dem Handel entwickelte die Hanse auch politische Macht in Nordeuropa. Wenn zur Durchsetzung wirtschaftlicher Ziele Verhandlungen oder Boykott-Maßnahmen nicht ausreichten, griffen die Hansestädte durchaus zu militärischen Maßnahmen. 1364 bis 1370 führten sie Krieg gegen Waldemar IV von Dänemark.
Handel und Kontore
Große Niederlassungen (Kontore) entstanden außer in Novgorod (St. Peterhof) in London (Stalhof), Brügge, Bergen (Bryggen oder „die Deutsche Brücke“). In diesem geografischen Rahmen besaß die Hanse seit Mitte des 13. Jahrhunderts fast eine Monopolstellung. Im 14. Jahrhundert dehnte sich der Handelsraum nach Süddeutschland und Italien, Frankreich, Spanien und Portugal aus. Die hansischen Kaufleute versorgten West- und Mitteleuropa mit den Luxuswaren, Nahrungsmitteln und Rohstoffen des nördlichen und östlichen Europa. Hierzu gehörten Pelze, Wachs, Getreide, Fisch, Flachs, Hanf, Holz und Holzbauprodukte wie Pech, Teer und Pottasche. Im Gegenzug brachten sie in diese Länder die gewerblichen Fertigprodukte des Westens und Südens wie Tuche, Metallwaren, insbesondere Waffen, und Gewürze.
Städtegruppen innerhalb der Hanse
Die Städte wurden meist nach Regionen in „Drittel“ oder „Viertel“ (Quartiere) eingeteilt und einer größeren Hansestadt unterstellt. Eine Klassifizierung von zwölf Handelsstädten (vermutlich aus dem 15. Jahrhundert) sei hier in einem Merkvers zitiert:
“Lübeck, ein Kaufhaus; Köln, ein Weinhaus; Braunschweig, ein Zeughaus; Danzig, ein Kornhaus; Magdeburg, ein Backhaus; Rostock, ein Malzhaus; Lüneburg, ein Salzhaus; Stettin, ein Fischhaus; Halberstadt, ein Frauenhaus; Reval, ein Wachs- und Flachshaus; Krakau, ein Kupferhaus; Visby, ein Pech- und Teerhaus.“ Lübeck war das Zentrum des wendischen Quartiers.
Man unterscheidet zwischen 200 historischen Hansestädten, von denen nur 70 aktiv hansische Politik betrieben; Städten mit hansischem Einfluss (die vier genannten Hansekontore) und Hansischen Niederlassungen und Handelshöfen.
Das hanseatische Stadtbild
Die Hansestadt zeichnete sich durch große bauliche Geschlossenheit aus. Am Markt, dem Zentrum der Stadt, standen Rathaus und Stadtkirche. Von dort gab es eine Verbindung zum Hafen. Angrenzend an das Zentrum, von Stadtmauern umgeben, befanden sich Wohn- und Ackerflächen. Letztere wurden mit zunehmender Bevölkerungsdichte hinter die Stadtmauern verlegt. Ab dem 15. Jahrhundert baute man die kleineren Wälle zu riesigen Stadtmauern aus, auch die Türme auf den Stadtmauern, die später als Stadttore dienten (erhalten: das Holstentor in Lübeck, Krantor in Danzig, Wassertor in Wismar, Nobistor in Hamburg). Gepflasterte Gehwege gehörten zum Stadtbild. Die Gebäude in den Küstenstädten der Hanse wurden meist aus tiefroten bis hellgelben Backsteinen errichtet. Giebel und Fassaden wurden individuell gestaltet.
Hansestädte und Backsteingotik
Wismar Bürgerhaus Alter Schwede; Wikipedia Commons
Die Hansestädte erfreuten sich wachsenden Reichtums. Es entstanden gewaltige Kirchen (aus rotem Backstein) und Rathäuser, Klöster, Stadttore (bereits erwähnt) und Bürgerhäuser. Sie zählen heute als Denkmäler der Backsteingotik zu den bedeutendsten Bauwerken deutscher Geschichte. Mit zunehmender Weltoffenheit der Städte wurden Bauformen und Stilelemente aus ganz Europa aufgenommen und mit der Backsteinbaukunst verschmolzen. Beispiele: Die um 1300 erbaute Rostocker Jacobikirche, die im letzten Krieg schwer beschädigt wurde, war eine Basilika mit achteckigem Chor, von der englischen Gotik beeinflusst. Aus Frankreich setzte sich die Kathedrale mit überhöhtem Mittelschiff und Umgangschor durch. Dieser Baustil findet sich wieder in der Rostocker Marienkirche und den drei Wismarer Kirchen St. Marien (festungsgleich), St. Georg und St. Nikolai.
Wandel
Die Mitglieder des Städtebundes waren ab 1356 nur durch unregelmäßig stattfindende „Hansetage“, meistens in Lübeck, gebunden. Es gab weder Kasse noch Satzung. Ihre Glanzzeit erreichte die Hanse um 1370 zur Zeit des Friedens von Stralsund nach dem Krieg gegen Dänemark. In den folgenden Jahrhunderten wurde der Einfluss der Hanse langsam rückläufig, auch durch die Schließung einzelner Kontore (Novgorod 1478 und London 1598). Die Handels- und Bündnisform war nicht mehr zeitgemäß. Der hanseatische Handel wurde insofern behindert, als ausländische Herrscher und deutsche Landesfürsten den Handel selbst in die Hand nahmen. Zudem erwiesen sich die Geschäftspraktiken der großen Handelshäuser Fugger und Welser mit ihren Waren- und Geldgeschäften als rentabler und flexibler als die der hauptsächlich auf den Warenhandel beschränkten Hanse.
Das Ende der Hanse
Die Reformation brachte im 16. Jahrhundert eine neue Kirchenordnung und Säkularisierungsmaßnahmen mit sich. Individualität in der Lebensführung kam auf. Im Rat der Städte saßen jetzt neben Kaufleuten auch andere Bürgerliche. Die Ostsee war nicht mehr Handelszentrum. England und Holland wurden mächtiger. Amerika war entdeckt. Immer mehr Städte orientierten sich nach Westen und nahmen nicht mehr an den Handelstagen teil.
Die Städte Lübeck, Hamburg und Bremen schlossen 1630 ein engeres Bündnis, um vor allem die finanziellen Interessen der vor dem Ende stehenden Hanse wahrzunehmen. Beim letzten Hansetag der historischen Hanse im Jahre 1669 in Lübeck waren noch neun Städte vertreten: Lübeck, Hamburg, Bremen, Wiederbelebung der Hanse war zu der Zeit nicht mehr möglich.
Lübeck und die Hanse
Holstentor und Salzspeicher; Wikipedia Commons
Lübeck wurde 1158 von Heinrich dem Löwen gegründet. Mit Erwerb Travemündes 1329 erlangte Lübeck direkten Zugang zur Ostsee und aufgrund seiner günstigen Lage die Vormachtstellung als „Haupt der Hanse“. Im 14. Jahrhundert zählte Lübeck 30.000 Einwohner und war, nach Köln, die zweitgrößte Stadt in Deutschland. Seine Ausdehnung entsprach der heutigen Altstadt. Lübeck blieb eine bedeutende Handelsstadt auch nach dem Ende der Hanse und behielt die Verbundenheit mit Hamburg und Bremen bis 1937 bei. 1937 verlor Lübeck nach über 700 Jahren seine Selbständigkeit durch das von den Nationalsozialisten erlassene Großhamburggesetz. Danach wurde es in die preußische Provinz Schleswig-Holstein integriert. Lübeck konnte nicht, wie Hamburg oder Bremen, nach dem Krieg den Status eines selbständigen Bundesstaates erlangen.
“HANSE heute“ und UNESCO-Welterbe
1980 haben sich in der niederländischen Stadt Zwolle 173 Städte der historischen Hanse aus fünfzehn europäischen Ländern zur Städtegemeinschaft „HANSE heute“ zusammengeschlossen mit einstimmigem Beschluss einer Satzung ab 29. Mai 2000. Das war eine historische Weichenstellung. Es gibt wieder Hansetage: 2009 in Welikij Novgorod/Russland.
Zum UNESCO-Welterbe wurden mehrere Hansestädte mit ihrer restaurierten Altstadt erklärt. Dazu gehören Lübeck, Stralsund und Wismar als Beispiele. Die Farben der Hanse weiß/rot finden sich in den Stadtwappen wieder. Sehenswert sind sie alle, zum Beispiel die Hansestädte entlang der Nord- und Ostseeküste, von Bremen über Hamburg, Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald: Das bedeutet 400 km Reisen auf den Spuren der Hanse mit prächtigen Architektur-Zeugnissen aus der Zeit der Backsteingotik.
Links
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Hanse
Liste der Hansestädte
Geschichte der Hansestädte an der Ostsee
Deutsches Küstenland
Backsteingotik
Unesco-Welterbe Stralsund und Wismar
Bild "Alter Schwede", Foto Reinhard Kraasch
Bild " Holstentor", Foto MacPac
beides unter Lizenz CC
Meyers Neues Lexikon
Erbe des Abendlandes, Mittelstufe Teil II, Mittelalter
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