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Karlsruhe, Stadt gewordene Idee
                                    von Roswitha Ludwig
Die Stadt am Oberrhein mit fast 300 000 Einwohnern feiert 2015 den 300. Jahrestag ihrer Gründung, eine sehr junge Stadt also. Ein außergewöhnliches städtebauliches Konzept wurde konsequent realisiert und durchgehalten.

Die Gründungszeit
Ludwig XIV. und sein Schloss Versailles wurde Vorbild für zahlreiche neu erbaute geistliche und weltliche Residenzen im Heiligen Römischen Reich. Mit dem Westfälischen Frieden von 1648 war die kaiserliche Macht so geschwunden, dass die Fürsten weitgehend souverän in ihren Territorien regieren konnten. Sie eiferten ihrem Vorbild Ludwig XIV. in doppelter Hinsicht nach: Sie wollten ihr „Klein-Versailles" erbauen und ebenso unumschränkt regieren wie er. Ihm wird der Satz zugeschrieben: „Der Staat bin ich." Die Sonne als Symbol unterstreicht diesen Absolutheitsanspruch.
Barocke Pracht und Weitläufigkeit der Residenzen unterstrichen die Macht der Herrscher. In der Gartengestaltung wurden die Formen wieder aufgegriffen, Bäume und Hecken entsprechend beschnitten, Wasserspiele eingebaut. Die Kunst diente der Verherrlichung des Regenten. Der Adel bei Hofe teilte den Glanz des Souveräns und verstärkte diesen mit seiner Verehrung.

Der Plan zu Carols-Ruhe

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Plan historisch v.Heinrich Schwarz 1721
 

Markgraf Karl Wilhelm von Baden (1709-1738) musste in seiner Residenz Schäden aus dem Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697) beheben lassen, dabei wollte er sein Schloss erweitern, stieß aber auf Widerstände und Zwänge durch die Gegebenheiten. Nur ein Neubau gestattete freies Planen, dafür entschied er sich. Ob der gewählte Platz im Hardtwald durch ein vorhandenes Gebäude bestimmt oder zufällig gewählt wurde, ist umstritten. So erklärt es eine Sage:
Der Markgraf habe während der Jagd geruht und einen Traum gehabt, der ihm die Stelle als Carols-Ruhe für eine neue Residenz empfohlen und auch die Strahlenform eingegeben habe. Von seinem „Platz", dem späteren Schloss, sollten 32 Radiale ausgehen. Wie ein Fächer öffnen sich neun davon zur Stadt. Die übrigen durchziehen Schlossgarten und Parkanlagen.

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Stadtwappen von Bildstelle Stadt K

Der Grundstein zum Schloss wurde am 17.Juni 1715 gelegt. Der Markgraf stiftete dabei einen Hausorden: Fidelitas (Treue). Diese Inschrift trägt das spätere Wappen der Stadt.


Werbung zur Ansiedelung
Zum Schloss sollte eine Bürgerstadt gehören, dafür warb der Herrscher um Ansiedelung. Der Privilegienbrief von 1715 versprach den Siedlern weitreichende Freiheiten, wie etwa Glaubenstoleranz. Alle im Heiligen Römischen Reich vorhandenen Religionen sollten zugelassen werden. Die Siedler bekamen ein Grundstück und Bauholz, zwanzig Jahre Steuer- sowie Zollfreiheit, dauerhafte Befreiung von Leibeigenschaft. Doch sie mussten auch eigenes Kapital nachweisen. Siedler gab es aus verschiedenen deutschen Ländern, auch aus Frankreich, Holland, Polen und Italien.
Die Häuser mussten den Vorgaben entsprechen. Nahe dem Schloss durfte für Verwaltung und Adel zweigeschossig gebaut werden. Bürgerhäuser in eingeschossiger Bauweise folgten. Im Osten siedelten Bauarbeiter im sogenannten „Dörfle" ohne die strengen Auflagen. Um 1720 lebten schon 2000 Menschen in der Stadt. Als der Markgraf 1738 starb und der Vormund des zehnjährigen Thronfolgers das Schloss gar nicht bewohnte, drohte der Holzbau zu verfallen.

Karlsruhe als Residenzstadt
Karl Friedrich, der Enkel des Stadtgründers (1746-1811) griff die Pläne für Schloss und Stadt engagiert auf und ließ das Schloss in Stein neu und größer aufbauen. Das Gebiet um Baden - Baden gewann er durch Erbfolge hinzu. Wie die anderen Rheinbundstaaten machte sich auch Baden von Napoleon abhängig. Der Markgraf erhielt den Titel Großherzog und die Herrschaft über ein von Napoleon geschaffenes Staatsgebilde, zehnmal größer als zuvor. Es reichte vom Bodensee bis zum Main und vereinigte die verschiedensten Herrschaften. Karl Friedrich erlangte als aufgeklärter Herrscher großes Ansehen, nicht Untertanen sondern Bürger sollten in seinem Staat leben. Seine Frau Caroline Luise von Hessen trug durch Bildung und Kunstsinn dazu bei, dass der Karlsruher Hof von Künstlern und Gelehrten beachtet und besucht wurde.
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Schloss Karlsruhe

1801 schrieb Heinrich v. Kleist an seine Schwester über die Stadt Karlsruhe: „...Sie ist klar und lichtvoll wie eine Regel, und wenn man eintritt, so ist es, als ob ein geordneter Verstand uns anspräche."

Klassizismus
Der Karlsruher Zimmermannssohn und Baumeister Friedrich Weinbrenner (1766-1826) gestaltete das Stadtbild in klassizistischem Stil. Für die Realisierung wurde die Konkordienkirche, Ruhestätte des Stadtgründers, abgerissen. Auf der Hauptachse vom Schloss zum Ettlinger Tor erhebt sich nun die Pyramide aus dunkelrotem Sandstein über der Grabstätte. Sie gehört zum Ensemble des weitläufigen Marktplatzes.
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Pyramide

Er wurde umgeben von Geschäftshäusern mit vorgegebener Fassade. Einander gegenüber liegen Stadtkirche und Rathaus mit wuchtigen korinthischen Säulen. Rechts- und links von der Mittelachse führen fächerartig vier weitere innerstädtische Straßen zum Schlossturm, dem Zentrum. Blickt man von dort über die Stadt, so sieht man in diese Straßen. Außerdem erkennt man die Kreislinie am Zirkel mit seinen Verwaltungsgebäuden. Von der geraden Langen Straße wurden die Fächerstraßen geschnitten. Sie verband das Durlacher Tor mit dem Mühlburger Tor. Heute erinnert nur noch der Name daran.

Ort mit demokratischer Tradition
Baden hat den Sturz Napoleons überdauert, doch Markgräfler im Süden, Vorderösterreicher um Freiburg, Kurpfälzer, Bewohner verschiedenartigster kleiner Herrschaften waren längst nicht auf Baden und den Regierungssitz Karlsruhe ausgerichtet. Sie wuchsen zusammen mit der freiheitlichen Verfassung von 1818. Diese galt als die fortschrittlichste im Deutschen Bund. Regelmäßig wurden Verfassungsfeste gefeiert. Von der Wertschätzung kündet die Verfassungssäule, ein Obelisk auf der Hauptachse der Stadt am Rondellplatz. Sie zeigt den Greif, das badische Wappen, und erinnert an Großherzog Karl, der die Verfassung erließ.
Die Bürger Badens entsandten ihre gewählten Vertreter in die Zweite Kammer. Für deren Tagungen wurde das Ständehaus gebaut, sozusagen das erste eigens dafür erbaute Parlamentsgebäude in Deutschland. Hier wurden im Vormärz liberale Positionen dargestellt und deren Umsetzung gefordert.
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Nachfolgebau Ständehaus

Doch Baden gehörte zum Deutschen Bund. Dieser setzte auf Fürstenmacht und vorrevolutionäre Zustände. Mit strenger Überwachung wollte man Unruhen im Keim ersticken.

Für Einheit und Freiheit
Im Revolutionsjahr 1848/49 erlebte auch Karlsruhe Aufbruch und Scheitern: Aber die badischen Aufstände erreichten die Stadt nicht. Doch das Abfallen des Militärs im Mai 1849 veranlasste den Großherzog zur Flucht in Richtung Pfalz. Lorenz Brentano proklamierte vom Rathaus die Republik, eine Episode. Preußisches Militär befriedete Baden und sorgte für die Rückkehr des Souveräns. Dankgottesdienste wurden angeordnet - und der Freiheit nachgetrauert.
Erst Großherzog Friedrich I. 1856-1907 baute Baden in einen modernen Staat um. Liberale wurden in Ministerien berufen und alle Bereiche der Verwaltung und Rechtsprechung grundlegend reformiert. Die Reichsgründung von 1871 ist in der Stadt aufzuspüren. Die Lange Straße wurde in Kaiserstraße umbenannt. Außerdem wurde Kaiser Wilhelm I. am Mühlburger Tor mit einem Reiterdenkmal geehrt.

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Kaiserdenkmal Wilhelm I.

Seit 2002 umgeben ihn Granitplatten mit Namen von 28 Revolutionären, die 1849 durch die preußischen Befreier unter seinem Oberbefehl standrechtlich erschossen wurden.

 „Residenz des Rechts"
Die beiden Weltkriege trafen die Stadt in ihrer Grenzlage schwer. Nach dem Versailler Friedensvertrag 1919 gehörte sie zur entmilitarisierten Zone und war von wirtschaftlichen Auflagen betroffen. Notjahre folgten.
Der Zweite  Weltkrieg hinterließ eine zerstörte Innenstadt. Dies ist im Stadtbild deutlich zu erkennen, obwohl das Schloss und die zentralen Gebäude weitgehend nach alten Plänen wieder aufgebaut wurden, bis weit in die fünfziger Jahre.
Die junge Bundesrepublik entschied sich für ein Bundesverfassungsgericht, das im September 1951 im Prinz Max Palais seine Arbeit aufnahm und 1969 im Schlossbezirk ein dafür gebautes zweigeschossiger Flachdachgebäude bezog. Generalbundesanwaltschaft und Bundesgerichtshof haben ebenfalls ihren Sitz in Karlsruhe. In guter Tradition demokratischer Vergangenheit tagen die Gerichte hier.
Doch als 1953 die Verfassung des  Südweststaates  Baden Württemberg in Kraft trat, war die Zeit einer Landeshauptstadt endgültig vorbei, Stuttgart war dafür bestimmt.

Karlsruhe in der Oberrheinregion
Offene Grenzen zu Frankreich eröffnen in der gesamten Region neue Möglichkeiten des Zusammenwirkens. Angeführt sei ein kulturelles Beispiel, der Oberrheinische Museumspass. Seit zehn Jahren kann er für 180 Museen in Baden, dem Elsass und der Schweiz genutzt werden.
Ein ganz konkretes Projekt thematisiert die Oberrheinregion. Das Badische Landesmuseum Karlsruhe zeigt bis August 2009 die Ausstellung:  „Jugendstil am Oberrhein, Kunst und Leben ohne Grenzen". Die Zeit um 1900 wird ergänzend in verbundenen Museen mit den jeweils eigenen örtlichen Ausprägungen präsentiert.
In der Stadt selber gibt es  zahlreiche Zeugnisse des Jugendstils zu entdecken trotz der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg. An den Gebäuden erkennt man, dass die Architekten durch die Fächerform oft zu interessanten Eckgestaltungen gelangten.

Wer sich auf die zunächst etwas nüchtern wirkenden Stadt einlässt und sie erkundet, wird mit vielfältigen Entdeckungen belohnt, von denen nur wenige angesprochen werden konnten.

Links:
Interaktiver Stadtplan von Karlsruhe von 1700-1999
Fundierter knapper Überblick zur Stadtgeschichte
Geschichte des Ständehauses
Zum Kaiser Wilhelm Denkmal
"Jugendstil am Oberrhein..." Sonderausstellung des Badischen Landesmuseums
Zum „Tag des offenen Denkmals" werden einzelne Gebäude beschrieben und historisch sehr gut eingeordnet
 

 
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