Zukunftsaspekte der Alterssicherung
                              von Roswitha Ludwig
Manche Unsicherheiten birgt die Zukunft in sich, aber eine Sicherheit teilen die Menschen – ihr Altwerden. Heute wie früher stellt sich die Versorgungsfrage.

Rentenfrage 2009 in der Diskussion
Zwanzig Millionen Wählerstimmen entfallen schon jetzt in der BRD auf Ruheständler, ein begehrtes Wählerpotential. Diesen brachte die Rentengarantie 2009 die Zusage, dass ihre Renten auch 2010 nicht gekürzt werden. Kürzungen können sich aus der Rentenformel dann ergeben, wenn durch die Kurzarbeit das allgemeine Lohnniveau sinken wird. Nach der Rentenformel ist die Rentenanpassung daran gekoppelt. Also 2009 Rentengarantie und Bundestagswahl. Steigen jedoch z.B. ab 2011 die Löhne wieder, so wird ein Ausgleich dafür vorgenommen. Wenn durch die Garantie mehr gezahlt wurde, muss in Anstiegsjahren diese Überzahlung wieder eingeholt werden.
Auch die Wählergruppe der Beitragszahler wird angesprochen als die Belasteten. Ab 2012 ist sogar eine Absenkung ihrer Beiträge geplant. Sie sind es, die im Umlageverfahren die Rentner von heute versorgen – soweit die Beiträge ausreichen. Wählergruppen stehen im Fokus der Parteien. Nach der Wahl folgen meist die Diskussionen zum weiteren Reformbedarf.

Die gesetzliche Rente
Sie ist das Fundament der Alterssicherung, Angesichts gegebener Tatsachen wird sie sich in Zukunft verändern müssen. Selbst bei steigenden Beiträgen kann das Leistungsniveau nicht gehalten werden.
Die Rentenbezugsdauer ist durch die erfreulich höhere Lebenserwartung von 1970 bis 2003 um fünf Jahre gestiegen. Vorhergesagt wird bis 2050 eine weitere Steigerung um fünf Jahre.
Die Beitragszahler werden weniger durch das schon länger verzeichnete Geburtendefizit. Wenn 33 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte 2007 Beiträge entrichteten, so erwartet man bei annähernd stabiler Wirtschaftslage bis 2030 ein Absinken auf 31 Millionen (6% weniger) und bis 2050 könnten es 14 % weniger sein.
Die Zahl der Rentner steigt außerdem, weil die „Babyboomer“ der sechziger Jahre ins Ruhestandsalter kommen, dagegen werden die Beitragszahler weniger.
Werden höhere Zuschüsse aus dem Bundesetat benötigt, so erhöhen sich die Schulden, die zukünftig abgetragen werden müssen

Alter als Generationenaufgabe
“Man muss sich einen Stecken in der Jugend schneiden, damit man im Alter daran gehen kann.“ (Konfuzius, chinesischer Philosoph 551 – 479 v.Chr.)
Image
Verschiedenes kann mit diesem „Stecken“ gemeint sein.
einmal materielle Vorsorge für das Alter;
zum andern die Zuwendung zur nachfolgenden Generation.
Wer als Kind Geborgenheit und Liebe erfährt, wird diese Haltung auch gegenüber den alt und hilfsbedürftig gewordenen Eltern und Großeltern eher leben als ein Mensch, dem dieses versagt blieb. Hier wird eine Haltung verinnerlicht und gelebt – Immaterielles also.

Image
Junge, seit Juli 09 auf dem Lebensweg

Beides ist im Leben wichtig – auf besondere Weise im Alter. Wer nicht mehr arbeiten kann und mit altersbedingten Einschränkungen leben muss, braucht finanzielle Ausstattung und menschliche Bindungen, die ihn tragen und ihm Kraft geben. Als Witwen oder Witwer müssen Menschen das alltägliche Alleinsein nach Jahrzehnten wieder neu erlernen. Das Miteinander der Generationen verhindert Vereinsamung und die Bildung von Vorurteilen.

Vorindustrielle Gegebenheiten
Zu Gesellschaften gehören Versorgungserfordernisse. Die Menschen, die bis zur Industrialisierung diesen Lebensabschnitt erreichten, lebten meist in Großfamilien. Betriebsübergaben an die Nachfolgegeneration wurden vertraglich geregelt. Die Jungen gingen Versorgungsverpflichtungen ein, die Alten blieben im Rahmen ihrer Möglichkeiten tätig. Geteilt wurden auch die Notjahre, die Schwache und Kranke besonders trafen. Familienbetriebe schließen heute noch vergleichbare Übergabeverträge, wenn es Nachfolger gibt. In Deutschland wurde erst 1957 die Landwirtschaft in die gesetzliche Rente integriert.
Im Mittelalter entwickelten Zünfte und Bruderschaften eine Art genossenschaftlichen Beistand für Notsituationen. Auch Klöster und Spitäler nahmen Menschen auf, diese übergaben dafür meist ihr Vermögen.
Mittellose konnten mit der Barmherzigkeit ihrer Arbeitgeber (Herren) oder kirchlicher Einrichtungen rechnen. Oft ging es um Obdach und Bewahrung vor dem Hungertod.

Staatliche Versicherungen (historisch)
Die industrielle Revolution brachte einschneidende Veränderungen. In der Sprache von Karl Marx standen sich nun die Gesellschaftsklassen der Proletarier und Kapitalisten gegenüber. Massenquartiere in Industriezentren, die Trennung von Wohn- und Arbeitsstätte gaben die Arbeiter der Entwurzelung und Verelendung preis, vor allem wenn sie nicht arbeiten konnten.
Das Deutsche Reich von 1871 führte unter Reichskanzler Bismarck die staatliche Sozialgesetzgebung ein. Diese betraf Krankheit, Alter und Unfall. Beitragszahlungen leisteten anteilig Unternehmer und Beschäftigte. Die Unfallversicherung betraf die Unternehmen. Mit dem Reichsrentengesetz von 1911 wurden die Angestellten einbezogen.
Der Staat leistete die Verwaltung und Verteilung der eingehenden Gelder. Diese Sozialgesetzgebung war für jene Zeit epochemachend und diente vielen Ländern als Vorbild. Nach Weltwirtschaftskrise, Inflationen und Weltkriegen musste die junge BRD eine neue Struktur suchen.

Der sogenannte Generationenvertrag
Die neue krisensichere Lösung schien in den 50er Jahren das Umlageverfahren zu sein mit dem Grundgedanken: Wer heute in die Rentenkasse einzahlt, leistet die Rente der jetzigen Bezieher und wird ebenso versorgt, wenn er Rentner geworden ist. Wilfried Schreiber, Vorsitzender de Bundes katholischer Unternehmer, verfasste eine Studie und legte sie Bundeskanzler Adenauer vor. Seine Ansicht klingt heute fast prophetisch: „ Wenn es nicht genügend Kinder gibt, werden irgendwann entweder die Jungen ausgebeutet oder die Alten enteignet.“ Die Antwort Adenauers ist legendär: „Kinder kriegen die Leute immer.“
Im Jahr 1995 kam in der genannten Struktur die Pflegeversicherung dazu. Allerdings wurde der rentenberechtigte Personenkreis durch politische Entscheidungen mehrfach erweitert. Auch aus diesem Grunde sind die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt erforderlich.
Mit der Geburtenrate von 1,4 Kindern kann das Umlageverfahren wie einst geplant nicht mehr funktionieren.

Verbreiterte Basis der Alterssicherung
Nach verschiedenen Reformen setzt sich die Alterssicherung in der BRD aus drei Säulen zusammen.
Die tragende wird in allen Planungen die gesetzliche Rentenversicherung bleiben, in die möglichst viele Beschäftigte einbezahlen. – Dafür müssen sozialversicherungs-pflichtige Jobs vorhanden sein. Fehlen diese, so erhöht sich der Bundesetat für Sozialausgaben weiter.
Die zweite Säule liefert die betriebliche Altersvorsorge - wie für viele Rentenbezieher heute auch schon. Sie arbeitet mit Kapitaldeckung. Manche Großbetriebe organisieren als Direktzusage Rentenzahlungen. Andere organisieren Gruppen-versicherungen als Pensions- und Unterstützungskassen für Ansparungen. Einlagen der Beschäftigten sind sozialabgaben- und steuerfrei. Hier vereinbaren sich Betrieb und Arbeitnehmer.
Mit Riesterrente bezeichnet man staatlich geförderte Sparprogramme für das Alter. Diese bieten Zuschüssen, Steuervergünstigungen und Zulagen für Kinder.

Gesicherte Zukunft – ungesicherte Zukunft?
Ob in F. Schirrmachers Methusalem-Komplott oder E. Kistlers Methusalem-Lüge, die Zukunft wird sehr kontrovers gedacht.
Prof. Kistler befürchtet weniger die Spaltungsgefahr der Gesellschaft angesichts der demografischen Entwicklung, als vielmehr ein Auseinanderdriften in Arm und Reich.
Es ist richtig, wenn im Berufsleben Stehende auf das erforderliche persönliche Sparziel „Altersversorgung“ hingewiesen werden und dieses verfolgen.
Die Voraussage, dass eine Rentenlücke droht, kann durch heutige Informationsmöglichkeiten individuell überprüft und abgemildert werden. Nur wer die Notwendigkeit erkennt, wird bereit sein, in der Gegenwart Konsumverzicht zu leisten und dieses durchzuhalten. Über ihre Sparfähigkeit befinden Menschen ganz individuell verschieden.
Ein Mitredakteur schrieb mir:“ Wenn du mir sagen kannst, dass wir uns keine Sorgen zu machen brauchen, bin ich beruhigt.“ – Niemand kann das, vor allem nicht angesichts struktureller und aktueller Herausforderungen.

Links und Literatur:
Rentenfrage 2009 in der Diskussion
Tagesthemen 07.05.09 – Kommentar von R. Becker SWR

Die gesetzliche Rente
Umfassende und gut verständliche Studie von 2005 das anerkannten Mannheimer Instituts MEA (Mannheimer Forschungsinstitut Ökonomie und demografischer Wandel)


Geschichte der Altersversorgung – historischer Abriss

Der sogenannte Generationenvertrag

Verbreiterte Basis der Alterssicherung
Altersvorsorge in Deutschland; Untersuchung der deutschen Rentenversicherung

OECD –Studie bewertet Struktur positiv

Gesicherte Zukunft – ungesicherte Zukunft?
Frank Schirrmacher: Das Methusalem-Komplott

Ernst Kistler: Die Methusalem-Lüge
(Rezension und Einordnung)
Aktuelle Informationen zu Rentenfragen:

Untersuchung zur privaten Altersvorsorge von 2006

 
< zurück