von Liane Rohn
Die
mit dem Berliner Gesundheitspreis 2008 u.a. ausgezeichnete
Arbeitsgruppe der Ulmer Universitätsklinik für Psychosomatische
Medizin und Psychotherapie Dr. Lucia Jerg-Betzke, Prof. Jörn von
Wietersheim, Pd. Dr Vladimir Hrabal, Prof. Dr. Harald Traue plant
ein multimediales Lehrbuch.
Ziel
Das
Forscherteam befasst sich mit dem Verhältnis Arzt-Patient seit Mitte
der neunziger Jahre. Schon aus statistischen Erhebungen bei
Patientenbefragungen in der Vergangenheit wurde klar, wie wichtig ein
gutes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ist.
Gestützt
auf diese langjährigen Forschungserkenntnisse wurde ein Konzept
entwickelt, dessen Ziel eine verbesserte Adherence der Patienten
während der therapeutischen Behandlung ist.
Unser
Gesundheitssystem erfordert zunehmend eine qualifiziertere Aus- und
Weiterbildung der Ärzte. Um zu einer gesunden Kommunikations- und
Behandlungs-Balance von Arzt und Patient zu gelangen, ist eine
verbesserte Adherence der Patienten außerordentlich wichtig, ihre
Bereitschaft und Einsicht, den medizinisch-therapeutischen
Verordnungen möglichst vorausschauend zu folgen. Kommunikative und
soziale Kompetenz gehören also zur Lehre von Gesprächstechniken,
trainiert z.B. in Rollenspielen.
Um
die verschiedenen Behandlungserwartungen zu erfüllen, sind
umfangreiche Informationen über die Patiententypen einzuholen.
Die
Wissenschaftler entwickelten zwei Vorgehensweisen, um möglichst
präzise Anhaltspunkte zu gewinnen.
Dazu gehören als wesentliche
Faktoren:
Patientenfragebögen
Patientenfragebögen geben
wichtige Informationen über die Erwartungen der Patienten an den
behandelnden Arzt. Hier ein paar beliebig ausgewählte Erwartungen
aus dem Fragebogen: wenn ich einen Arzt besuche . . .
möchte
ich, dass er mich nach meiner Meinung über mögliche
Behandlungsweisen fragt,
habe ich Angst, dass er mir eventuell weh
tun muss,
möchte ich, dass er mich psychisch unterstützt,
möchte
ich, dass er mir keine Fragen über mein Privatleben stellt,
möchte
ich, dass er alle medizinischen Maßnahmen mit mir bespricht.
Die
Antworten werden in einer fünfteiligen Skala zwischen trifft nicht
zu, eher nicht, manchmal, oft zu, trifft zu ausgewertet.
Und
als ebenso sinnvolles Faktum galt es, Patiententypen
herauszuarbeiten
Typ 1
Dieser Patient kennt sich selbst recht
genau, hat mit Ärzten gute Erfahrungen gemacht, öffnet sich, steht
adherierend zu einer Therapie.
Typ 2
neigt dazu, seine
Beschwerden herunterzuspielen, gar zu verleugnen, akzeptiert nicht,
eventuell selbst verschuldet erkrankt zu sein (Alkohol, Rauchen z.B.)
Wird dennoch ein Arztbesuch notwendig, sollte der Arzt so geschult
sein, die psychische Verfassung des Patienten zu erkennen.
Typ
3
hat hohe Erwartungen an den Arzt und ist zweigeteilt: einerseits
will er über alle möglichen Dimensionen der Erkrankung aufgeklärt
werden, um die Beschwerden selbst zu bewältigen (z.B. durch
Stressabbau, Sport oder in Selbsthilfegruppen einzusteigen),
andererseits haben Patienten eine eher konservative
Behandlungsvorstellung, soll heißen, bevor sie einen Arzt aufsuchen,
sich, vom engeren Umfeld geprägt, volksmedizinisch zu
orientieren.
Typ 4
Ängstliche und unsichere Patienten halten
zunächst Abstand zu Arzt und Behandlung. Ursache kann z.B.
ungünstige Erfahrung mit Ärzten sein, sodass der Patient zögerlich
Distanz zum Arzt hält. Eine "distanzierte" Behandlung auf dieser
Ebene vom Arzt angenommen, führt sehr wahrscheinlich zu einer
unbefriedigenden Arzt-Patienten-Beziehung und schließlich zum
Arztwechsel.
Aufgrund dieser Erkenntnisse ist festzustellen,
den Studierenden frühzeitig theoretische und praktische Anleitungen
für die künftige Arzt-Patienten-Kommunikation zu geben. Laut
Unterrichtskommission der Universität Ulm kam aus der Reihe der
Medizinstudenten der Wunsch, bereits vom ersten Studiensemester an
diese Kriterien in die einzelnen Studienabschnitte einfließen zu
lassen. (In der Ulmer Universität geschieht das bereits.) Zumal mit
Einführung der Studiengebühren eine Quantitäts- und
Qualitätserweiterung des Lehrstoffes vorstellbar ist.
Patient-Arzt-Erwartung
Dass die gesteigerte Adherence der
Patienten erhöhte Behandlungserfolge nach sich zieht, ist absehbar.
Und je positiver die Kommunikation zwischen Arzt und Patient
verläuft, ein wesentliches Ziel der medizinischen Ausbildung, desto
erfolgreicher die Interaktion von Patient und Arzt.
Orientierung
Das
Forschungsteam setzt bei kompetenter Medizinausbildung in Zukunft
nicht nur auf ein naturwissenschaftlich orientiertes Studium, sondern
darauf, mehr Raum für sozialwissenschaftliche Ansätze zu
schaffen.
Partnerschaft - Empathie
Selbstbestimmende
Patienten und kompetente Mediziner in Kommunikation über
therapeutische Behandlungsmethoden führen zu positiven
Krankheitsverläufen und schließlich zur
Arzt-Patienten-Zufriedenheit. Ein wesentlicher Weg zu diesem Ziel
ist, in einfühlsamer Art des Arztes sozusagen in die "persönliche
Wahrnehmungswelt" des Patienten zu gelangen. Diese Empathie ist
eine Verbindung zwischen Patient und Arzt, die sowohl Akzeptanz und
Verstehen des Patienten gegenüber dem Arzt ausdrückt, als auch die
Ernsthaftigkeit des Arztes zum Patienten, ihm in seiner
gesundheitlichen Problematik "auf gleicher Augenhöhe" zu
begegnen.
Lehrmaterial
Die aus der Forschung entwickelten
Testfragebögen sind geeignet, in entsprechenden Arztpraxen als
Unterstützung der medizinisch psychologischen Diagnostik zu
dienen.
Zwar
wird an der Universität Ulm bereits anhand eines vom oben gezeigten
Wissenschaftler-Team entwickelten Kurs gelehrt, für die Entwicklung,
Herstellung und Anwendung eines Gesamtlehrbuches über die Ulmer
Universität hinaus, fehlen bislang die finanziellen Mittel.
Für
die nahe Zukunft ist die Hoffnung des Ulmer Forscherteams auf
Unterstützung, auch und gerade infolge der Auszeichnung mit dem
Berliner Gesundheitspreis 2008, groß und
berechtigt.
Berliner Gesundheitspreis
Ulmer
Universitätsmagazin vom Juni 2009 Nr.
298
Titel:Arzt-Patientenbeziehung
wichtig für erfolgreiche Behandlung.
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