SWP 03/2004

Noch lassen die meisten älteren Menschen die Finger davon: Der Einstieg ins Internet scheint ihnen zu kompli- ziert. Doch wer den Schritt erst einmal gewagt hat, findet es einfach toll" - nicht nur, weil man E-Mails schreiben, im Netz surfen und Reisen buchen kann.

ANTJE BERG

Das Internet - für Brigitte Linder (63) eine fremde Welt. Sie kann sich nicht vorstellen, noch zu lernen, wie man das Netz nutzt. "Was soll mir das bringen?", fragt sie. Ganz anders Elke und Peter Joksch, 65 und 71 Jahre alt. Im Haushalt des Tettnanger Ehepaares finden sich gleich zwei Computer, weil es um den einen, den man sich zunächst angeschafft hat, immer wieder Streit gab. Beide nutzen intensiv das Internet - nicht nur, um E-Mails. zu verschicken, im Netz zu surren oder Reisen zu buchen.
Noch halten es die meisten Senioren wie Brigitte linder. Zwar geht die Hälfte der Deutschen inzwischen online, bei den über 60-Jährigen aber sind es nur 15 Prozent. "Die wenigsten wissen, wie' viel Spannendes man mit dem'Internet

machen kann", sagt Carmen Stadelhofer vom Zentrum für allgemeine wissenschaftliche Weiterbildung (Zawiw) der Universität ,Ulm. Hier zeigt man älteren Menschen, welche Chancen das Netz bietet. Ein Einführungskurs, den man von zu Hause aus machen kann, kostet 25 Euro.
Die frühere Kontoristin Elke Joksch nimmt zur Zeit an einem virtuellen Kolleg teil. 14 Männer und Frauen, unter anderem aus Hamburg, Leipzig und München, diskutieren über alles, was ihnen am Herzen liegt: Was bedeutet Zeit, was Glück im Alter? Welche Rolle spielt die Familie künftig? Wie können die Generationen voneinander lernen? Einer präsentiert das Thema in einem Kurzbeitrag, die anderen schreiben ihre Gedanken dazu. In kürzester Zeit entspinnt sich im Forum, das durch ein Passwort vor fremdem Zugriff geschützt ist, eine rege Diskussion. "Das Tolle daran ist", sagt der ehemalige Apotheker Werner Toporski (69) aus'Biberach, "dass man sich so intensiv mit einem Thema auseinandersetzt. Man ist gezwungen, seine Gedanken zu sammeln und sie in konzentrierter Form den anderen mitzutei- len". Jogging fürs Gehirn.
Elke Joksch freut sich: "Man muss nicht zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sein, um sich auszutauschen.

Man ist unabhängig - und doch mit dabei.". Carmen Stadelhofer erzählt von einem Senioren, der nach einem Schlaganfall froh war, dass er von zu Hause aus aktiv sein kann: "Das gibt ihm ein Gefühl der Freiheit."
Brigitte Nguyen-Duong (63) hat sogar Freundschaften geknüpft. "Viele meinen, durch das Internet verkümmern Kontakte. Doch das Gegenteil ist der Fall." Die Übersetzerin wollte mit anderen Seniorinnen mehr über Frauen heraus finden, die in der Geschichte eine Rolle gespielt haben. Startpunkt war i auch hier das Zawiw: Bei Recherchen im Internet knüpften die Frauen Kontakte, die weit über ülm hinaus reichten. Sie stießen auf Spanierinnen, Französinnen und Schwedinnen, die sich um dasselbe Thema bemühten. Der Austausch war so fruchtbar, dass man binnen kürzester Zeit eine Internet-Ausstellung präsentierte und sich längst auch gegenseitig besucht.
Peter Joksch, früher Ingenieur, und (Element Thelen, ein 57-jähriger pensionierter Berufssoldat, sind noch tiefer in die Materie eingetaucht. Sie begannen unlängst eine Ausbildung zum "Senior-Online-Redakteur" in Bad Urach. Dort konnten 24 ältere Männer und Frauen aus der ganzen Republik lernen, wie man eine Online-Zeitung erstellt. Im Online-Journal "LernCafe",

das vom Zawiw herausgegeben wird, wollen, sie nun zeigen, was sie können. Zwei Gruppe arbeiten zu den Themen "Wirtschaftsfaktor älterer Mensch" und "Freundschaft, Partnerschaft und Sexualität im Alter". Das LernCafe wird vom Bundesbildungsministerium gefördert, bis die Online-Redakteure das Journal allein betreuen können
Thelen sieht darin eine echte Herausforderung, und Peter Joksch ist stolz darauf, dass inzwischen auch Dritte von seinen Fähigkeiten tieren. Er hat für den Tettnanger Sportverein eine eigene Webseite gestaltet. Zwar geht er auch heute Herzklopfen an neue Aufgaben, aber wenn er sie dann bewältigt,fühlt er sich umso besser.
Für Brigitte Nguyen-Duong das Internet im Alter Zukunft. "Wenn- ich heute Besuche im Altenheim mache, sehe ich dort viele Menschen, die vor dem Fernseher hocken. Dann denke ich mir: vielleicht sitzen wir eines Tages, wenn wir körperlich nicht mehr so fit sind, eher vor dem Computer - und bleiben so in Verbindung mit der Außenwelt."


Das Zawiw ist unter (0731) 50-23193 zu erreichen. Die Homepage www.zawiw.de und www.gemeinsamlernen.de informieren über Schgen. Lernmaterial und bundes- sowie europaweite Projekte.