Wird die Atomlobby siegen?

Wird die Atomlobby siegen? Oder richtet sich die Politik endlich einmal nach dem Willen der Bürger?

Fast täglich Schlagzeilen oder ganzseitige Zeitungsanzeigen über die umstrittene Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke. Doch in diesem kaum noch zu durchblickenden Geflecht werden die wichtigsten Probleme bisher ausgeblendet. Deshalb will ViLE-Lübeck mit diesem Projekt Fragen stellen und Antworten veröffentlichen.

Das wollen wir wissen:

  • Wann übernimmt die Atomstromindustrie von der Bundesrepublik  das Risiko eines „Größten Anzunehmenden Unfalls“ (GAU) und das finanzielle Risiko des Abbaus alter Atomkraftwerke?
  • Welche Mengen hochstrahlender Abfälle sind in den vergangenen Jahrzehnten durch den Betrieb der AKW‘s erzeugt worden, wo werden diese aufbewahrt und welche Mengen kommen bei einer Laufzeitverlängerung hinzu?
  • Was geschieht mit diesem hochstrahlenden Atommüll angesichts der Tatsache, dass die mehr als 40jährige Suche nach einem Endlager ergebnislos geblieben ist?
  • Wer hat eigentlich diese Suche bezahlt?
  • Warum werden die Stromkonzerne nicht zum Ausbau ihrer Leitungsnetze verpflichtet, damit sie den Ökostrom nicht mehr blockieren können?
  • Warum verlangt man bei einer Verlängerung der AKW-Laufzeiten von den Stromkonzernen keinen Verzicht auf Strompreiserhöhungen?

Ein Gutachten, keine Klarheit

Das langerwartete wissenschaftliche Gutachten zur geplanten Verlängerung der AKW-Laufzeiten wurde Ende August vorgelegt. Doch es bringt den Bürgern keine Klarheit.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) trugen der Presse vor, welche Schlüsse sie aus dem 250-Seiten-Papier ziehen. Und das war sehr unterschiedlich. Doch darauf soll sich die Energiepolitik der nächsten Jahrzehnte gründen. „Tatsächlich wirkte es, als hätten sie verschiedene Gutachten gelesen“, berichte die Berliner Zeitung.

Brüderle und Röttgen streiten über die Auswirkungen einer Verlängerung der Atomlaufzeiten auf die Energiekosten. Brüderle sagte, der größte volkswirtschaftliche Nutzen ergebe sich aus Laufzeitverlängerungen zwischen 12 und 20 Jahren. Bis 2030 könnte es so beim Strompreis zu Einsparungen von 8 Mrd. Euro kommen.

Röttgen erwartet dagegen nur geringe Auswirkungen auf Klimaschutz und Preise. Der CDU-Politiker sprach von verschiedenen Akzenten aber keinen generellen Unterschieden zwischen ihm und Brüderle. Röttgen will die deutschen Atomkraftwerke nur acht Jahre über den im Atomausstieg vereinbarten Zeitraum am Netz lassen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am vorangegangenen  Wochenende zehn bis 15 Jahre als „fachlich vernünftig“ bezeichnet. Regierungssprecher Steffen Seibert stellte klar, dass dies keine politische Entscheidung sei.

Zur Verwirrung trägt bei: Die mit dem Gutachten beauftragten Institute legten ihren Untersuchungen insgesamt neun Szenarien mit so vielen verschiedenen Annahmen zugrunde, dass die Vorhersagen kaum noch vergleichbar sind. Was der Atomstrom bringt und was auf das Konto anderer Faktoren geht, bleibt Interpretationssache, schrieb ein Kommentator. Die  Positionen beider Minister lassen sich aus dem Gutachten ableiten.

Die Minister umgingen eine wichtige Frage

Interessanter sei, schrieb die FAZ, worüber sich die beiden Minister ausschwiegen: Die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung, so schreiben die Gutachter, stehen und fallen mit dem Abschluss eines verbindlichen internationalen Klimaschutzabkommens. Ohne das würde die deutsche Industrie im Wettbewerb untergehen. Ein Kyoto-Folgeabkommen liege jedoch in ganz weiter Ferne.

Regierung im Dilemma

Die Regierung steckt in einem Dilemma, urteilt die Financial Times Deutschland. Einer Verlängerung von zehn Jahren und mehr müssten die Bundesländer zustimmen. Das aber wolle Kanzlerin Merkel verhindern, da ihre schwarz-gelbe Koalition keine Mehrheit im Bundesrat hat. Mehrere Landesregierungen drohten mit einer Verfassungsklage, wenn sie bei der Laufzeitverlängerung umgangen würden. Umstritten sei, wann die Länder beteiligt werden müssten.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) halte lediglich eine Verlängerung von vier Jahren für nicht zustimmungspflichtig. Die verfassungsrechtliche Prüfung, an der sich auch das Innenministerium beteiligt, sei aber noch nicht abgeschlossen.

Niedrige zweistellige Verlängerung – aber Sicherheit

"Die Berechnungen der Institute ergeben, dass bei einer niedrigeren zweistelligen Verlängerung der Laufzeiten schon sehr positive Effekte auf diesen drei Feldern erzielt werden: in Sachen Energiepreise, Versorgungssicherheit und Minderung unseres C02-Ausstoßes", sagte Regierungssprecher Seibert nach einem Zeitungsbericht. Merkel lege aber ebenso großen Wert auf die Sicherheit der Meiler.

Manipuliert?

Atomkraftgegner glauben, die Regierung habe das Gutachten zu Energieszenarien manipuliert. "Wir kritisieren die Auswahl der Gutachter, denn wer von Eon und RWE bezahlt wird, kann nicht neutral sein", sagte der Sprecher der Anti-Atom-Organisation "ausgestrahlt", Jochen Stay laut SZ.

wp (Quellen: FTD, Berliner Zeitung, FAZ, Süddeutsche)

Seit Japan ist alles anders

Wir beobachteten mit dem Projekt „Atomstrom? Ja danke!“ die erbitterte Diskussion um die Verlängerung der Laufzeiten für deutsche Atomkraftwerke. Seit der Atomkatastrophe nach Erdbeben und Tsunami in Japan ist alles anders. Die Bundesregierung hält plötzlich hastige Maßnahmen für dringend. Wie sicher sind die deutschen Meiler wirklich?

wp

Fortsetzung dieses Themas mit dem Projekt "Atonstrom? Stattdessen Atomkatastrophe!"

 

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