Atomstrom? Stattdessen Atomkatastrophe

Einst hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Laufzeitverlängerung um zehn bis 15 Jahre als „fachlich vernünftig“ bezeichnet. Nach vergeblichen Beschwichtigungsversuchen der Politik äußerte sie nun vor der Presse: "Ich finde, an einem solchen Tag kann man nicht einfach sagen, die deutschen Atomkraftwerke sind sicher".

Merkel legt sich nicht mehr fest

Auf die Frage eines Journalisten, ob sie dennoch an der Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke festhalte, wich Angela Merkel aus: "Ich bitte um Verständnis, dass wir nicht alle Fragen jetzt diskutieren."
Nanu? Man war sich doch so sicher. Aber jetzt will man die Sicherheit aller 17 deutschen Reaktoren überprüfen zu lassen. Da scheinen die bisherigen Kontrollen wohl nicht ganz ausgereicht zu haben.

Überprüfung überflüssig

Die von der Bundesregierung nun angekündigte Überprüfung der deutschen Atomkraftwerke ist nach Ansicht des Physikers Dr. Sebastian Pflugbeil, Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz, überflüssig. In einem Deutschlandfunk-Interview sagte er, man kenne die Probleme der AKW’s. Aber schon mit dem Ausstiegsbeschluß seien Erleichterungen der Sicherheitsauflagen vereinbart worden. Bei der Verlängerung der Laufzeiten habe man der Atomindustrie weitere Erleichterungen zugebilligt. Seit vielen Jahren bestehe daher ein Überhang an den erforderlichen Nachrüstungen. Die Unternehmen müssten erst in zehn Jahren mit den Nachrüstungen beginnen.

Bundesregierung wird nachdenklich

Inzwischen scheint ein Umdenken in der Bundesregierung zu beginnen. Ein Aussetzen der beschlossenen Laufzeitverlängerung für die AKWs scheint nach der Atomkatastrophe in Japan möglich. Vizekanzler Westerwelle schließt ein Moratorium nicht mehr aus. Er äußerte jetzt, Sicherheit gehe vor Wirtschaftsinteressen.

FDP weiter gutgläubig ?

Die FDP scheint noch immer unbeeindruckt zu sein. Ihre Sprecherin Angelika Brunkhorst, zuständig für Reaktorsicherheit, zeigte sich überzeugt, dass die deutschen AKW’s einen „enormen Sicherheitsaufwand“ betrieben und dass die Bürger sich sicher fühlen könnten. Deutschland sei auch nicht von solch gewaltigen Erdbeben bedroht wie Japan, meinte sie, ohne zu bedenken, dass man auch dort diese Erdbebenstärke beim Bau der Kraftwerke als unwahrscheinlich betrachtet hatte. Und: Auch in Europa gibt es Kernkraftwerke in Erdbebengebieten.

Der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer sagte in einer ARD-Diskussion, man könne nicht darauf warten, bis bei uns durch einen GAU nachgewiesen ist, dass auch unsere Atomkraftwerke nicht sicher sind.
In derselben Sendung meinte eine Teilnehmerin, man habe uns versichert, das Restrisiko eines AKW-Unglücks liege bei 1 zu 100.000 Jahren. Nun sei es schon zweimal geschehen.

Abschaltungen gefordert

Die Geschehnisse in Japan führten zu erneuten Forderungen nach Rücknahme der Laufzeitverlängerungen und nach schneller Abschaltung der ältesten deutschen Atomkraftwerke.

Oppositionspolitiker fordern eine Rücknahme der von Union und FDP durchgesetzten Laufzeitverlängerung. Sigmar Gabriel wird zitiert, die Katastrophe in Japan zeige, dass "der Super-GAU keine rein theoretische Rechengröße" sei: "Was in Japan ein Erdbeben ist, kann in Deutschland auch ein Flugzeugabsturz sein." Letztlich gehe es "um das Problem, was passiert, wenn es einen Stromausfall gibt".

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin erklärte in Berlin: "Es ist eine zweideutige Botschaft, auf der einen Seite zu behaupten, deutsche Anlagen seien sicher, auf der anderen Seite eine Überprüfung anzukündigen, wie es die Kanzlerin tat."

Die Parteispitze der Linken teilte mit: "In Deutschland müssen wir zu einer Politik der systematischen Reaktorabschaltung kommen, unverzüglich und unumkehrbar."

Schnellerer Ausstieg möglich

Die sieben ältesten Reaktoren an den Standorten Biblis, Isar, Brunsbüttel, Neckarwestheim, Philippsburg und Unterweser sollten nach Ansicht der Umweltorganisationen abgeschaltet werden. Außerdem sollte auch der Pannenreaktor Krümmel vorzeitig abgeschaltet werden. Er verfügt wie Fukushima über einen Siedewasser-Reaktor.

Die Warnung vor Strommangel und Stromabschaltungen bei Stilllegung der genannten AKW’s wird nach einem Bericht der Berliner Zeitung von Energie-Experten für unberechtigt gehalten. Karsten Smid von Greenpeace sagte dem Blatt: "Das Abschalten der älteren Meiler ist ohne weiteres sofort möglich." Auch Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe ist davon überzeugt: "Die risikoreichsten Atomanlagen müssen so schnell wie möglich vom Netz, das ist technisch machbar." Diese AKW produzieren zusammen rund acht Gigawatt Leistung - wenn sie denn in Betrieb sind. Krümmel und Brunsbüttel stehen seit 2007 still. Auch Biblis A und B waren in den vergangenen Jahren zum Teil lange und auch gleichzeitig abgeschaltet. "Da hat es entgegen vorheriger Warnungen auch überhaupt keine Probleme mit dem Stromnetz gegeben", sagte Gerd Rosenkranz.

Horst (Quellen: Berliner Zeitung, Deutschlandfunk, ARD, Süddeutsche Zeitung, FTD)

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