Blick auf das SPD-Wahlprogramm

Die SPD schien unter Druck zu stehen. Zuerst hatte sie sich von den Medien drängen lassen, ihren Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück weit vor dem angekündigten Termin vorzustellen. Das Ergebnis war bekanntlich eine Reihe von Pleiten, Pech und Pannen. Am 11. März stellte sie als erste der größeren Wettbewerber das vom Vorstand beschlossene Wahlprogramm der Presse vor.

 Während man von dem Hauptgegner CDU außer Querelen lange nichts hörte, preschte man mit einem Programm vor, das nach der Meinung der Medien einen Linksruck bedeutet. Vielleicht ist das sogar folgerichtig, denn die Bemühungen der SPD, die großenteils konservative Mitte der Meinungsbürger zu gewinnen, führte zu recht unbefriedigenden Ergebnissen.

Der SPD- Kanzlerkandidat sprach in der Pressekonferenz von einer Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft. Man sei gegen die Spaltung der Gesellschaft und des Arbeitsmarktes und die ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung. Deutschland müsse wieder gerechter werden.

Das SPD-Programm umfasse im Wesentlichen fünf Punkte. Damit hat man sich viel vorgenommen. In Kurzform: Bändigung der Finanzmärkte, Bildung und Gleichberechtigung in einer modernen Gesellschaft, gerechte Steuerpolitik, soziale Sicherung und bezahlbares Wohnen.

Das Programmbuch

Leider hat man sich bei dem Wahlprogramm nicht an Steinbrücks Empfehlung gehalten, das Programm möglichst kurz zu halten. Es ist ein Buch mit 102 Seiten daraus geworden, das nicht nur die Ziele der Partei bei einem Regierungsauftrag nennt, sondern seitenweise gleich auch die Lage der Nation, Europas und der Welt erklärt. Immer wieder werden auch Teile des Bürgerkonvents vom 2. März 2013 als Programmpunkte eingefügt. Daraus ist ein schwer verdauliches Gemisch geworden, das es allen recht machen will. Und das, obwohl man doch im Vorwort selbstkritisch bemerkt: Wahlversprechen werden heute skeptischer denn je betrachtet.

Man lobt die Reformpolitik der „Agenda 2010“ und erklärt stolz, dass insbesondere die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung unter Gerhard Schröder den Industriestandort Deutschland verteidigt und ausgebaut habe. Dabei vergisst man die katastrophale Fehlentscheidung Schröders, versteckt  in seiner „Steuerreform 2000“, dass Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen, die eine Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft hält, steuerfrei sind. Das war ein milliardenschweres Geschenk an die Banken und Versicherungskonzerne und öffnete den „Heuschrecken“ das Tor zur deutschen Wirtschaft.

Man will einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro und eine bessere Bezahlung für Leiharbeiter durchsetzen. Die Zwei-Klassen-Medizin will man abschaffen und eine Bürgerversicherung einführen.

Im Programm steht auch eine Solidarrente von 850 Euro für Geringverdiener, die mindestens 30 Beitragsjahre aufweisen. Beschäftigte mit 45 Beitragsjahren sollen schon ab 63 Jahren in Rente gehen können. Bei Einkommen von unter 3000 Euro soll das Kindergeld von 184 auf bis zu 324 Euro monatlich steigen. Von der Kita bis zur Uni soll es keine Gebühren geben.

Umfangreich ist der Abschnitt über die Steuerpolitik. Der Spitzensteuersatz soll auf 49 Prozent angehoben werden, ab einem Single-Einkommen von 100.000 Euro, bei Ehepaaren ab 200.000 Euro. Für künftige Ehen ab einem Stichtag soll anstelle des Ehegattensplittings ein Partnerschafttarif für Ehegatten gelten, bei dem beide Partner individuell besteuert werden. Vorsichtigerweise wird hinzugefügt: Für Ehepartner, die ihre Lebensplanung auf das bisherige Steuersystem ausgerichtet haben, wollen wir nichts ändern. Wie sich das alles mit dem Steuerkonzept des potentiellen Koalitionspartners Die Grünen vereinbaren lässt, ist ungeklärt.

 Eine Vermögenssteuer mit einem „angemessenen Niveau“ ist vorgesehen. Doch bloß niemanden verprellen: Sie soll der besonderen Situation des deutschen Mittelstandes, von Personengesellschaften und Familienunternehmen Rechnung tragen. Und: Das normale Einfamilienhaus werde nicht von der Vermögenssteuer betroffen sein.

Dann noch etwas Populäres: Wir werden den sozialen Wohnungsbau und den genossenschaftlichen Gedanken stärken, damit gerade auf angespannten Wohnungsmärkten mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht. Wir werden die Mietpreisspirale bremsen und für effiziente, für Mieter bezahlbare und städtebaulich verträgliche neue Wege bei der energetischen Sanierung sorgen. Wir werden umgehend die Einschränkung von Mieterrechten rückgängig machen.

Den künftigen Bundestagsabgeordneten will die SPD verordnen, Einkünfte aus ihren Nebentätigkeiten vollständig auf Euro und Cent offenzulegen. Für Parteispenden soll es eine Höchstgrenze von 100.000 Euro pro Spender im Jahr geben.

Damit Entscheidungsprozesse nachvollziehbar werden, soll ein Lobbyregister beim Deutschen Bundestag eingerichtet werden. Die UN-Antikorruptionskonvention zur Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung soll endlich ratifiziert werden.
Zudem kündigte Steinbrück eine Reform der Pflegeversicherung und ein Verbot von Nahrungsmittel- und Rohstoffspekulationen an.

 Schließlich bezeichnet sich die SPD auch als eine Europapartei. Sie will die Europäische Union demokratisch weiterentwickeln. Die EU soll nur das regeln, was auf deren  Ebene sinnvoll ist.

 Diese Wunschliste hat einen Nachteil, ihre Realisierung dürfte ziemlich teuer werden. Ob da die geplanten Steuererhöhungen ausreichen, ist die Frage. Immerhin hat die SPD ein Konzept für die Gegenfinanzierung - im Gegensatz zu Angela Merkels angekündigten Wohltaten, die zwischen 20 und 30 Milliarden kosten würden.

Was in dem ganzen SPD-Programm fehlt, ist eine Teilhabe der Wirtschaft – auch eine finanzielle Beteiligung – an der Veränderung der politischen Landschaft. Ein Mindestlohn und eine bessere Bezahlung der Leiharbeit werden unsere Konzerne nicht ins Wanken bringen. Wichtig wären Gegenmittel gegen die Auslagerung der Arbeit zu Zulieferern mit geringeren Tarifen, gegen die zunehmende Subventionierung von Niedriglohn-Unternehmen, deren Niedriglöhne durch die Öffentliche Hand aufgestockt werden und durch die Beschäftigung von Arbeitnehmern mit sogenannten Werkverträgen.

 Horst (01.06.2013)

Zurück