Bundestagspräsident: Parlament ist nicht machtlos

Im Forum Politik von Deutschlandfunk und Phoenix mit den Fraktionsvorsitzenden der fünf im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien wurde die Frage gestellt: Hat das Parlament noch die Gestaltungsmacht? Und es wurden Zweifel angemeldet wegen der „hohen Geschwindigkeit, mit der wir entscheiden müssen“. Dies veranlasste ViLE-Lübeck, Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert um eine Stellungnahme für unser Projekt „Wahlbeobachtung 2013“ zu bitten.

Hier seine Antwort:

„Es lässt sich schwerlich bestreiten: die öffentlichen Debatten über Entwicklungen in der Gesellschaft finden weder ausschließlich noch zuerst im Deutschen Bundestag statt. Aber ist das notwendig – und war dies je anders? Hinweise auf Ergänzung und Relativierung der parlamentarischen Beratung durch Wirtschaft, Wissenschaft und Medien als vierte, fünfte und sechste Gewalt sind nicht neu, trotzdem zutreffend. Die Schlussfolgerung aber, das Parlament werde als Forum der öffentlichen Auseinandersetzung oder als Ort verbindlicher Festlegungen durch Gesetzgebung immer unbedeutender, ist nicht nur voreilig. Das Gegenteil ist richtig: Am Ende werden verbindliche Entscheidungen im Parlament getroffen, auch wenn die Gesetzgebungsinitiative meist von der Bundesregierung ausgeht, die wiederum in der Gesellschaft und Wirtschaft vorhandene Interessen aufgreift oder zumindest berücksichtigt. Wer aber wünscht sich Entscheidungsprozesse, die fern der gesellschaftlichen Wirklichkeit wären? Und es gilt der Merksatz: kaum ein Gesetzentwurf verlässt das Parlament in der Fassung, in der er vorgelegt worden ist, auch wenn Zeit- und Arbeitsdruck nicht selten hoch sind. Der Bundestag beschränkt sich keinesfalls auf eine notarielle Beurkundung anderswo getroffener Entscheidungen. Je wichtiger ein Gesetz, desto sicherer wird es im Parlament verändert. Der bundesdeutsche Parlamentarismus ist robuster und vitaler als es auf den ersten Blick scheinen mag. Machtlos ist das Parlament ganz sicher nicht, aber offensichtlich auch nicht allmächtig. Das eine finde ich ebenso beruhigend wie das andere.“
gez. Unterschrift

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