Eine Antwort des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

 

Als Auftakt zu unserem Projekt „Atomstrom? Ja danke!“ hatte ViLE-Lübeck dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz du Reaktorsicherheit eine Reihe von Fragen übermittelt. Nach einer Wartezeit von fast zwei Monaten kam mit Datum vom 22. Oktober 2010 jetzt die Antwort aus Bonn. Sie traf ein an dem Tag, an dem der Bundestag die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke beschloß. Immerhin, die Antworten waren ausführlich. Hier das Ergebnis:

Frage:
Wann nimmt die reiche Atomstromindustrie der Bundesrepublik endlich das Risiko der Meiler und des Abbaus alter Anlagen ab?

Antwort:
Für Drittschäden; die durch ein nukleares Ereignis verursacht werden, haftet ausschließlich der Inhaber einer Kernanlage gemäß dem Pariser Atomhaftungsübereinkommen in Verbindung mit §§ 25 ff. des Atomgesetzes. Die Haftung setzt ein Verschulden des Inhabers nicht voraus (Gefährdungshaftung). Sie ist summenmäßig unbegrenzt.

Frage:
Welche Mengen hochstrahlender Abfälle sind in den vergangenen Jahrzehnten durch den Betrieb der AKW’s  erzeugt worden, wo werden diese aufbewahrt und welche Mengen kommen bei einer Laufzeitverlängerung hinzu?

Antwort:
Bis zum 31. Dezember 2009 sind in Deutschland insgesamt etwa 13.100 Tonnen bestrahlte Brennelemente aus Kernkraftwerken angefallen. Aus dem weiteren Betrieb der Kernkraftwerke entsprechend dem geltenden Atomgesetz werden noch ca. 4.000 Tonnen, durch die vorgesehene durchschnittliche Laufzeitverlängerung von 12 Jahren ca. 4.400 Tonnen weitere bestrahlte Brennelemente anfallen.

Von den bis heute angefallenen bestrahlten Brennelementen (13.100 Tonnen) wurden etwa 6.700 Tonnen zur Wiederaufarbeitung abgegeben. Hieraus müssen insgesamt 129 Behälter mit verglasten hochradioaktiven Abfällen zurückgenommen werden, die schon jetzt bzw. in Zukunft im Zwischenlager Gorleben aufbewahrt werden. Weitere etwa 150 Behälter aus Frankreich enthalten mittelradioaktive hochdruckverpresste oder verglaste Abfälle, die im Zwischenlager Ahaus oder Gorleben gelagert werden sollen.

Insgesamt müssen etwa 10.400 Tonnen bzw. bei einer Laufzeitverlängerung von durchschnittlich 12  Jahren 14.800 Tonnen bestrahlte Brennelemente endgelagert werden (direkte Endlagerung).

Die bestrahlten Brennelemente aus dem Betrieb der Kernkraftwerke lagern - nach dem Verbot der Abgabe an eine Anlage zur Wiederaufarbeitung im Jahr 2005 - an den jeweiligen Standorten der Kernkraftwerke (standortnahe Zwischenlager). Einige wenige Behälter lagern auch in den Zwischenlagern Gorleben und Ahaus. Bestrahlte Brennelemente aus den Kernkraftwerken in der ehemaligen DDR lagern im Zwischenlager Nord in der Nähe von Greifswald.

Die bestrahlten Brennelemente und verglasten hochradioaktiven Abfälle (Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle) müssen etwa 40 Jahre zwischengelagert werden, damit ihre Wärmeleistung soweit abklingen kann, dass sie endgelagert werden können. Vorwiegend für diese Art der Abfälle soll der Salzstock Gorleben auf seine Eignung weiter untersucht werden.

Für alle anderen Arten von radioaktiven Abfällen (radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung) wird derzeit das Endlager Konrad errichtet. Im Endlager Konrad können entsprechend des Planfeststellungsbeschlusses insgesamt 303.000 Kubikmeter radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung eingelagert werden. Zurzeit sind in Deutschland etwa 100.000 Kubikmeter entsprechende Abfälle vorhanden, insgesamt wird bis etwa 2080 von einer Menge von etwa 280.000 Kubikmeter ausgegangen; hierzu wären etwa weitere 10.000 Kubikmeter bedingt durch die geplante Laufzeitverlängerung zu addieren.

Frage:
Was geschieht mit diesem hochstrahlenden Atommüll angesichts der Tatsache, dass die mehr als 40jährige Suche nach einem Endlager ergebnislos geblieben ist?

Antwort:
Die Arbeiten zur Erkundung von Gorleben auf seine Eignung als Standort für die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle haben im Oktober mit vorbereitenden Maßnahmen begonnen. Bergmännische Arbeiten folgen ab November.

Frage:
Wer hat eigentlich diese Suche bezahlt?

Antwort:
Die Kosten für die Erkundung des Salzstocks Gorleben und eventueller Kosten für Errichtung und Betrieb eines Endlagers im Salzstock müssen von den Abfallverursachern getragen werden.

Frage:
Warum werden die Stromkonzerne nicht zum Ausbau ihrer Leitungsnetze verpflichtet, damit sie den Ökostrom nicht mehr blockieren können?

Antwort:
Die Betreiber von Stromversorgungsnetzen sind bereits jetzt nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verpflichtet. den gesamten Strom aus Erneuerbaren Energien vorrangig abzunehmen. zu übertragen und zu verteilen und den Strom zu vergüten (§§ B. 16 EEG). Um die Erfüllung dieser Pflichten sicherzustellen. sind Netzbetreiber auch verpflichtet, ihre Netzkapazität zu erweitern (§ 9 EEG). Dass Strom aus Erneuerbaren Energien wegen Netzüberlastung nicht einspeist werden kann ist nur ausnahmsweise und vorübergehend zulässig (§ 11 EEG). Der Betreiber der Erneuerbare-Energien-Anlage kann dann aber Entschädigung für die entgangene Vergütung verlangen (§§ 10, 12 EEG).

Frage:
Warum verlangt man bei einer Verlängerung der AKW-Laufzeiten von den Stromkonzernen keinen Verzicht auf Strompreiserhöhungen?

Antwort:
Der Strompreis bildet sich am Markt. Nicht alle Stromerzeuger betreiben auch Kernkraftwerke. Daher wird der Strompreis nicht nur durch die Preise der Kernkraftwerksbetreiber bestimmt. Die Strompreise würden also nicht durchgängig und nachhaltig gesenkt, wenn nur die Stromerzeuger, die Kernkraftwerke betreiben, auf Strompreiserhöhungen verzichten würden.

Der überwiegende Teil der Zusatzgewinne, die bei den Kerrikraftwerksbetreibern durch die Laufzeitverlängerung entstehen, wird durch die neue Kernbrennstoffsteuer und weitere Zahlungen abschöpft. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, die Finanzierung in den Bereichen Erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu stärken. Diese Verwendung der Mittel dient der Entwicklung einer klimafreundlichen Energieversorgung am besten.

gez.Ursula Adenauer

Ergänzende Fragen

Aus dieser Antwort ergab sich eine ergänzende Frage, die wir  erneut an das Bundesministerium übermittelten.
 
Zu unserer Frage nach dem Ausbau der Leitungsnetze hatte das Ministerium geschrieben: „Die Betreiber von Stromversorgungsnetzen sind bereits jetzt nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verpflichtet. den gesamten Strom aus Erneuerbaren Energien vorrangig abzunehmen …“

Dazu unsere Frage:
 Wir haben bei einem Seminar über Erneuerbare Energien in der Nordsee-Akademie erfahren, dass die Bürgerwindparks im windreichen Nordfriesland vor allem an den Wochenenden von Eon abgeschaltet werden, um heimlich Strom aus Dänemark zu beziehen. Es wurde offenbar durch einen Versprecher eines Eon-Vertreters bei einer Verhandlung mit Windpark-Betreibern. Das dürfte ein eindeutiger Verstoß gegen das EEG sein. Was unternimmt das Bundesumweltministerium dagegen?

Die Antwort:
„In Ihrer Nachricht schildern Sie, dass Windenergieanlagen in Nordfriesland abgeschaltet worden seien, um Strom aus Dänemark durchzuleiten. Ob die Abschaltung von Windenergieanlagen mit dem EEG vereinbar ist, hängt vom Einzelfall ab. Die dänische Stromerzeugung hat selbst einen sehr hohen Anteil von Windenergie. Eine mögliche Erklärung wäre also, dass bei starkem Wind sowohl die dänischen als auch die deutschen Windenergieanlagen viel Strom in das Netz einspeisen. Dann kann es zulässig sein, einzelne Windparks nach § 11 EEG abzuregeln, nachdem zuvor die konventionellen Anlagen vom Netz genommen wurden.

Wenn eine Erneuerbare-Energien-Anlage allerdings zu Unrecht abgeschaltet wird, kann der Betreiber die Clearingstelle EEG als Schlichtungsstelle anrufen oder vor den Zivilgerichten klagen.

Im Übrigen ist das Übertragungsnetz von E.ON inzwischen an den niederländischen Netzbetreiber TenneT verkauft worden. Da TenneT selbst keinen Strom erzeugt oder an Endkunden verkauft, gehen wir davon aus, dass sich das Unternehmen gegenüber den verschiedenen Netznutzern in keinen Interessenkonflikten befindet.

gez. Thomas Hinsch
Referat KI III 3 - Wasserkraft, Windenergie und Netzintegration der Erneuerbaren Energien
Bundesumweltministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

wp
 

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