Gedanken zum bevorstehenden Wahlkampf

Ich  möchte, bevor der Wahlkampf und somit die Diskussion darüber so richtig beginnen, einmal einige grundsätzliche Überlegungen darlegen, die mich schon lange bewegen.

Vor ca. zwei Wochen kam nachts im Fernsehen eine Sendung über das Zustandekommen des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages.  Wenn man Kenntnis hat von der Lebensgeschichte des Generals Charles de Gaulle, des späteren französischen Staatspräsidenten, wenn man weiß, daß über Jahrzehnte  die Bekämpfung des  „Erbfeindes“  sein Leben bestimmte, daß er auch mit innenpolitischen Gegnern gar nicht zimperlich umging  - es gab da eine Reihe von Gerüchten!! - und wenn man dann noch weiß, daß er zwischen 1958 und 1965 nur mit viel Glück einer ganzen Serie von Attentaten von Seiten seiner innenpolitischen Gegner unverletzt entging, dann steht man umso erstaunter vor der Tatsache, daß dieser Mann gegen Ende seines Lebens in der Aussöhnung mit Deutschland den einziges Weg zu einem dauerhaften Frieden in Europa sah. In Konrad Adenauer hatte er den idealen Partner gefunden - und umgekehrt!

Die Art und Weise wie diese beiden Politiker den deutsch-französischen Vertrag eingefädelt haben, wäre heute gar nicht mehr möglich. Durch die Boulevardpresse ginge ein Aufschrei, facebook und twitter täten ihr Übriges die damals für unmöglich gehaltene Aussöhnung zu Fall zu bringen.

Bevor wir in unsere Wahlkampfbeobachtungen einsteigen, sollten wir uns deshalb über die gesellschaftlichen Voraussetzungen im Klaren werden, unter denen Politiker heute ihrem Beruf nachgehen. Diese Bedingungen prägen unser Leben und unser Verhalten. Dasselbe gilt für in der Öffentlichkeit stehende Menschen in noch viel stärkerem Maße.

Eine verantwortungsbewußt agierende Medienlandschaft ist Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie. Wenn aber, wie in jüngster Zeit bei uns geschehen, durch Medienkampagnen politische Karrieren zerstört werden, sind kritische Fragen angebracht. Man kann einen amtierenden Bundespräsidenten nur zu Fall bringen, wenn man ihm Verfehlungen nachweist. Und man kann argumentieren, daß jeder von uns sich über seine Schwachstellen im Klaren sein sollte, bevor er sich in eine Position begibt, in welcher man ihm irgendwelche Verfehlungen nachweisen kann oder will - siehe Steinbrück! Wenn man aber eine Sexismusdebatte über einen Vorfall inszeniert, der ein Jahr zurückliegt, dann ist die Frage angebracht, ob hier nicht ein Politiker vor der Wahl zu Fall gebracht werden soll um auf diesem Weg einen Regierungswechsel zu erzwingen. Dann wird das Himmelreich zum Höllentrip!

Das Internert eröffnet uns heute ungeahnte Möglichkeiten der Kommunikation. Vile wäre ohne das Internet gar nicht möglich. Die Gefahr besteht allerdings darin, daß ich eine Kampagne gegen eine mir mißliebige Person starten kann ohne erkannt und somit auch ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Was müssen das für Charaktere sein, deren Lebensinhalt darin besteht u.U. jahrelang im Internet nach unzureichend erstellten Doktorarbeiten zu suchen, damit auch SIE einmal ein “Erfolgserlebnis“ haben!

Die trotz aller Probleme immer weiter voranschreitende Integration Europas stellt die amtierenden Politiker vor Probleme, die vor fünfzig Jahren undenkbar waren. Plötzlich gibt es eine den nationalen Hoheitsrechten übergeordnete Institution. Die nationale Politik wird auf diesem Weg immer stärker eingeschränkt. Die Gestaltungsmöglichkeiten werden geringer, der Erfolgsdruck auf die einzelnen Regierungen nimmt zu. Mit 27 Regierungen zu verhandeln, von denen jede glaubt, ihre Anliegen seien die wichtigsten, ist erheblich schwieriger, als sich gegen die Opposition zu Hause zu behaupten.


Lobbyismus gibt es seit es gewählte Parlamente gibt. Die Einflußmöglichkeiten dieser Gruppeninteressen haben in erschreckendem Maße zugenommen, was z.T. auch den heutige Kommunikationsmöglichkeiten zuzuschreiben ist. Der Einfluß der Pharmaindustrie könnte auf nationaler Ebene eingegrenzt werden, falls unsere Politiker sich den dafür notwendigen Freiraum schaffen würden. Bei einer Bankenregulierung sind wir auf die Kooperation mit anderen Ländern angewiesen. Es kann nun einmal nicht angehen, daß sich in einer Demokratie einzelne Gruppierungen mit ihren Partikularinteressen über das Allgemeinwohl stellen. Das sollte vor der nächsten Wahl die Botschaft an unsere Politiker sein!

Heinz (09.02.2013)

Kommentar von Heribert Richardt |

Ein bedenkenswerter guter Artikel!
Interessant wäre der Lebenshintergrund des Verfassers.

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