Grünes Licht für den Ausstieg

Endgültiges Aus für acht Atomkraftwerke

Die Bemühungen Angela Merkels, die Atomfrage schnellstmöglich aus den Wahlkämpfen und der öffentlichen Diskussion herauszuhalten, scheinen Erfolg zu haben. Als Bundesumweltminister Norbert Röttgen nach rund 13stündigen Verhandlungen der Regierungsparteien in der Nacht zum 30. Mai im Bundeskanzleramt vor die Presse trat, verkündete er grünes Licht für den Ausstieg aus dem Atomstrom.

Die Spitzen von CDU, CSU und FDP einigten sich auf folgendes Verfahren:
Die sieben im Zuge des dreimonatigen Atommoratoriums abgeschalteten Meiler sowie der Pannenreaktor Krümmel werden für immer stillgelegt. Sechs weitere Meiler sollen bis spätestens Ende 2021 abgeschaltet werden. Die drei modernsten Meiler sollen bis Ende 2022 laufen dürfen, falls es Probleme bei der Umstellung der Energieversorgung gibt. An der  Brennelementesteuer wird festgehalten.

Nicht revidierbar

Bundesumweltminister Röttgen erläuterte, dass 2018 überprüft werden soll, ob bereits bis 2021 ein kompletter Ausstieg möglich ist – oder ob die AKW bis 2022 laufen müssen. Damit bekämen die AKW eine Strommenge zugeteilt, die einer Gesamtlaufzeit von 32 Jahren entspreche. Röttgen sagte, dass es keine Revisionsklausel geben werde. Der nun beschlossene Fahrplan zum Ausstieg sei "nicht revidierbar".

Eines der älteren Kraftwerke soll bis 2013 als Reserve-Kraftwerk bereitgehalten werden. Welches das sein soll, werde die Bundesnetzagentur entscheiden, sagte Röttgen. Bei Stromknappheit soll zunächst auf die Reserven bei fossilen Kraftwerken zurückgegriffen werden.

Beschleunigungsgesetze

Zur Beschleunigung der Energiewende planen die Regierungsparteien ein Gesetz zum beschleunigten Ausbau der Stromnetze und ein  Planungsbeschleunigungsgesetz für Kraftwerke und Speicher. 
Die Reaktion der Oppositionsparteien: Skeptisch, aber die Kritik maßvoll. Die Grünen wollen die konkreten Gesetzentwürfe abwarten. Die SPD deutete eine Zustimmung zu den Atomausstiegsplänen an. Sowohl SPD-Chef Sigmar Gabriel als auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin lehnten allerdings die Idee ab, Atomkraftwerke als Reserven für die Stromerzeugung einzusetzen.

Großes Medienecho

Fast alle deutschen Zeitungen kommentieren den Ausstiegsbeschluß der Koalition, doch die Meinungen sind sehr unterschiedlich.

"Was jetzt kommt, ist in erster Linie ein Irrtumsbereinigungs-Gesetz“, meint die LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG. „Da allerdings der Irrtum nicht einmal eingestanden wird, geht die Operation mit dem Verlust an Glaubwürdigkeit einher."

 Begeistert ist dagegen die WESTDEUTSCHE ZEITUNG. Der in der Nacht zu gestern beschlossene Atomausstieg sei Angela Merkels Meisterstück,

Skeptisch die FULDAER ZEITUNG. Die Koalition trage das endgültig endgültige Ausstiegsdatum wie eine Monstranz vor sich her, „hat aber noch keinen blassen Schimmer, wie der Weg bis dahin beschritten werden soll."

DIE WELT veröffentlichte eine scharfe Kritik. "Die Demokratie lebt davon, dass es immer Alternativen gibt. Gegen diese Grundregel verstößt die Bundesregierung zurzeit auf skandalöse Weise“, heißt es in ihrem Kommentar. „Keine Frage, das Land braucht in Zukunft eine kluge Mischung verschiedener Energiequellen, und deswegen ist es dringend notwendig, Alternativen zur Atomenergie zu entwickeln. Doch der Schweinsgalopp, in dem die Bundesregierung die endgültige und schnelle Abkehr beschlossen hat, spricht allen demokratischen Verfahrensregeln Hohn.“ 

Gemessen an dem, was die eigenen Experten empfehlen, komme das Ausstiegsdatum zu spät, urteilt die FRANKFURTER RUNDSCHAU. „Das Umweltbundesamt hält 2017 für möglich - und für dringend angezeigt. Auch die Ethik-Kommission liegt auf dieser Linie.“

„Dass die Atomkraft gefährlich und nur teilweise beherrschbar ist und außerdem extrem langlebige Folgen hat, war bekannt“, schreibt der KÖLNER STADT-ANZEIGER. „Dass der Ausstieg nun unerwartet herabfällt wie vom Baum der Erkenntnis, ist darum befremdlich. Und macht die sich anbahnende Wendeeuphorie verdächtig."

Die FRANKFURTER NEUE PRESSE meint, die großen Energieerzeuger seien die Verlierer. „Sie sollen jetzt weiterhin die Brennelementesteuer zahlen und bekommen dafür im Ergebnis den alten rot-grünen Atomausstieg geliefert. Das hätten sie auch billiger haben können, hätten sie nicht jahrelang den unter Kanzler Gerhard Schröder im Konsens verabredeten Atomausstieg torpediert."

Die seit Jahren von bequemen Energiepreisen verwöhnten deutschen Industriechefs nörgelten „wie Kinder, die nicht auf einen Wandertag mitgehen wollen“, liest man in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. „Und das werden sie wohl noch eine Weile tun. So lange, bis auch die mit Quartalszahlen sozialisierten Firmenlenker begreifen, welch riesige Chancen sich in einer Welt bieten, in der man als 'first mover' auf regenerative Energie gesetzt hat und deshalb bei der zugrundeliegenden Technologie Marktführer ist.“

Ähnllich die SÜDWEST PRESSE aus Ulm. „Wenn der Beweis gelingt, dass der Ausstieg ohne Einbußen an Sicherheit und industrieller Wettbewerbsfähigkeit sowie bei sozialverträglichen Stromkosten zu organisieren ist, eröffnen sich glänzende Perspektiven für den 'Standort D' - wenn nicht, haben wir alle ein Problem."

Die Sieger des Kräftemessens in Sachen Atomkraft seien nicht die Sozialdemokraten, sondern die Grünen, heißt es in der FAZ. Sie befürchtet:  „Die Folge kann die Ausbreitung der baden-württembergischen Verhältnisse sein."

Horst (30./31.05.2011, Quellen: Yahoo,de, Berliner Zeitung, ZEIT ONLINE, SPIEGEL ONLINE, Deutschlandfunk)

 

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