Kommissionen sollen die Probleme lösen

Die Politik macht es sich einfach: Nicht das Parlament, nicht die Regierung, sondern Kommissionen unterschiedlichster Art sollen nach der Katastrophe im japanischen Fokushima die Probleme mit der deutschen Atompolitik lösen.

Bundeskanzlerin Merkel gab bekannt, dass eine Ethikkommission, ein "Rat der Weisen", über die gesellschaftliche Dimension der Kerntechnik beraten und die Erkenntnisse aus dem Reaktorunglück in Japan berücksichtigen soll.

Eine zweite Kommission ist die Reaktorsicherheitskommission. Sie soll für die technischen Sicherheitsstandards der deutschen Atomkraftwerke zuständig sein, konkrete Lehren aus den Ereignissen in Japan ziehen und einen Arbeitsplan für die Überprüfung der deutschen Anlagen aufstellen. Ob das vor dem Ablauf des verkündeten dreimonatigen Atom-Moratoriums möglich ist, darf bezweifelt werden. Die Frage ist, welchen künftigen Sicherheitsstandards sollen Reaktoren künftig genügen müssen, wenn die bisherigen nicht mehr taugen. Die Besetzung der Kommission macht mißtrauisch: Mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder gehört der Atomlobby an, berichtete das Fernsehmagazin Report.

17 „Weise“ beraten

Der "Ethikkommission für sichere Energieversorgung" gehören 17 Personen an - ehemalige Politiker, Wissenschaftler und Kirchenvertreter. Den Vorsitz führen der frühere Bundesumweltminister und Atomkraftgegner Klaus Töpfer und Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Merkel schloss sich Kleiners Anregung an, die Sitzungen öffentlich abzuhalten.

Einige Kommissionsmitglieder haben sich trotz der Katastrophe in Japan zur Atomkraft in Deutschland bekannt, so BASF-Vorstandschef Jürgen Hambrecht, der sagte, Deutschland könne sich nicht einfach den Strom aus dem Ausland holen, der dort mit Kernkraft erzeugt wird, oder der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi, der  höhere Strompreise befürchtet. Die schärfsten Atomkritiker kommen von den Kirchen. Die Energiewirtschaft, Grüne oder Umweltschützer sind nicht vertreten.

Um die Ethikkommission wird gestritten

Neu ist, dass sich die Ethikkommission – so beabsichtigt Angela Merkel - auch mit Fragen befassen soll, wie bei einem Atomausstieg die Klimaschutzziele erreicht werden können und ob mehr Strom aus dem Ausland importiert werden müsste. Das verleiht ihr einerseits mehr Gewicht. Abgeordnete der Regierungsfraktionen sehen das kritisch. Sie wollen stärker mitreden. Deshalb wollen sie eine eigene Arbeitsgruppe der Fraktionen von CDU/CSU und FDP zu diesem Thema einsetzen.

Auch die Oppositionsparteien sind skeptisch. Die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles bezeichnete die Ethikkommission als ein "hilfloses Instrument". Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth meinte, die Kommission solle den neuerdings atomkritischen Kräften in Union und Koalition lediglich zu Rückendeckung in den eigenen Reihen verhelfen. Auch die Linken halten die Kommission für überflüssig, da alle Fragen längst geklärt seien.

Kritische Medien

Auch von den Medien wird die Ethikkommission skeptisch betrachtet. Die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg kommentierte: "Der eigentliche Sinn der Ethikkommission besteht darin, das konservative Spektrum der Gesellschaft auf den Atomausstieg einzustimmen, es mit der Kehrtwende der Regierung zu versöhnen. Für die Anhänger von Grünen, SPD oder Linken bräuchte es die Kommission nicht. Es bräuchte sie nicht einmal für die große Mehrheit der Bevölkerung, die sich in Umfragen klar für den Ausstieg ausgesprochen hat.

„Der Kommissionsvorsitzende Töpfer fürchtet soziale Verwerfungen, wenn der Strompreis steigt“, meint die in Mainz erscheinende ALLGEMEINE ZEITUNG. „Das ist der falsche Denkansatz. Die Politik muss vielmehr verhindern, dass interessierte Kreise den Strompreis künstlich anheizen, weil sie der Welt eine Unersetzbarkeit der Atomkraft vorgaukeln wollen."

Seit Jahrzehnten produzierten viele kluge Leute jede Menge grundsätzliche Erkenntnisse zu Chancen und Risiken der Atom-Technologie. „Eher unwahrscheinlich, dass ihnen neue Einsichten kommen, nur weil sie jetzt im Regierungsauftrag tätig werden", vermutet die FRANKFURTER RUNDSCHAU.

Die FAZ ist ratlos: "Was sollen die Weisen raten? Unwahrscheinliches berücksichtigen und Unmögliches verlangen?“

Die SAARBRÜCKER ZEITUNG vermutet: "Merkel reagiert mit Kommissionen, mit Gipfeltreffen und blumigen Exkursen. In Wahrheit wartet sie einfach ab und lotet aus, wie sich die Stimmung in Sachen Kernenergie entwickeln wird. Allein daran richtet sie ihr Handeln aus.“

Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND urteilt: „Der Bundesregierung kann unterstellt werden, dass sie die Kommission aus einem besseren Grund einberufen hat als nur des Wahlkampfs wegen.“ Die Kanzlerin nutze die Gunst der Stunde. „Sie springt auf den Zug der Atomkraftgegner auf, setzt sich ins Führerhaus und lässt die Pfeife schrillen. Und auch der Anlass steht nicht infrage: Es ist schiere Panik, die sie treibt, angesichts des Reaktorunglücks in Japan und der für sie gefährlichen Umfragewerte.

Horst (06.04.2011, Quellen: Berliner Zeitung, ZEIT ONLINE, Deutschlandfunk, Financial Times Deutschland, Report Mainz)

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