Schon wieder da: Die Befürworter der Atomenergie

Die Schreckensnachrichten und die Fotos von den Katastrophen-Meilern von Fukushima verschwinden allmählich von den Titelseiten der Zeitungen. Und schon wagen sich unsere Befürworter der Atomkraft wieder aus der Deckung.

Die Atomlobby beginnt, Zweifel zu säen, ob der Atomstrom verzichtbar ist. Die Abschaltung der Atomkraftwerke sei zu teuer, der Strompreis für den einfachen Bürger werde stark steigen und Deutschland müsse den Strom ausländischer Meiler importieren. Die Angst vor den Reaktoren sei „Hysterie“.

Inzwischen kursieren Gerüchte, dass Schwarz-Gelb beabsichtigen könnte, einige alte Atomkraftwerke abgeschaltet zu lassen, ihre Restlaufzeiten aber auf neuere Meiler zu übertragen, wenn das Moratorium abgelaufen ist. Und auch das Totschlag-Argument, Arbeitsplätze seien gefährdet, wird immer wieder vorgebracht.

Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs. Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand, sagte der "Leipziger Volkszeitung": "Ein Moratorium ist eine Denkpause. Ich hoffe, dass wir die als sicher erkannten Meiler nach der Denkphase wieder anschalten.

Atom-Befürworter werden es schwer haben

Die Argumente der Atom-Befürworter werden von vielen Seiten bezweifelt. Die Leistungsfähigkeit der deutschen  Kraftwerke sei in Wirklichkeit größer als der Bedarf. Deutschland importiere zwar Atomstrom, exportiere aber gleichzeitig Strom aus Kraftwerken und Windparks, und zwar nach Polen, in die Schweiz und die Niederlande.

Die Stromkonzerne bauen seit Jahren weitere Kraftwerke. Es existierten deshalb Überkapazitäten von gut 13.000 Megawatt. Das sei weit mehr als die Leistung aller jetzt abgeschalteten Atommeiler. Bis 2015 werden voraussichtlich zehn zusätzliche Kohle- und Gaskraftwerke in Betrieb genommen, die schon geplant sind oder bereits gebaut werden, wird berichtet.

Ein Ausstieg aus der Kernenergie sei bis 2017 durchaus machbar, sagte Armin Michels vom Aachener Ingenieurbüro BET in einem Zeitungsinterview. Das Umweltbundesamt und das Öko-Institut kommen zu ähnlichen Ergebnissen.

Ministerium hielt Studie zurück

Das Bundeswirtschaftsministerium hatte die beiden Institute Consentec und r2b EnergyConsulting, die als kompetent und politisch neutral gelten. mit der Untersuchung beauftragt, wie schnell sich der Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben lässt, ohne gravierende Probleme zu verursachen. Das Ergebnis passte dem Ministerium allerdings gar nicht und wurde deshalb acht Monate unter Verschluss gehalten. Die 277-Seiten-Untersuchung lag im Juni 2010 vor und kam zu der Aussage, dass sich bis 2020 etwa 40 Prozent des Stroms in Deutschland ohne gravierende Probleme mit Öko-Strom-Kraftwerken erzeugen lassen - sogar, wenn gleichzeitig die Kernkraftwerke nach und nach abgeschaltet werden.

Spitzenbedarf sollte verlagert werden

Bei einer Verlagerung des Spitzenbedarfs, der nur an etwa 50 Stunden im Jahr auftritt, könnten zwei Atomkraftwerken nach den Berechnungen des Öko-Instituts eingespart werden. Strom, der außerhalb der Spitzenzeiten nicht gebraucht wird, brachliegt, muss dann auch gar nicht produziert werden.

Energieverband für Atomausstieg

Der Verband der Stromerzeuger, der bisher die Laufzeitverlängerung der Meiler befürwortet hatte,  verlangt jetzt den Ausstieg aus der Kernenergie bis 2020. Die Fukushima-Katastrophe sei eine Zäsur, nun sei der schnelle, vollständige Ausstieg aus der Kernenergie nötig, teilte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) mit. Bis 2020, spätestens aber wie ursprünglich vorgesehen, bis etwa 2023, sollten alle Meiler abgeschaltet werden. In der Vorstandssitzung, in der dieser Beschluss gefasst wurde, stimmten die beiden größten Atomkonzerne Eon und RWE dagegen. Sie konnten sich gegen die Mehrheit, die vor allem aus Stadtwerken bestand, nicht durchsetzen.

… und die Strompreise

In einem Radiointerview wagte Björn Klusmann, Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energie, die Prognose: „Wir haben vor der Episode der Laufzeitverlängerung das Gleiche gesagt, wie wir jetzt auch danach sagen können: Wir können bis allerspätestens 2020 die Kernkraft ersetzen und verlässliche Energieversorgung in Deutschland anbieten, und auf die Energiepreise der Haushaltskunden wird das keinen spürbaren Einfluss zunächst einmal haben.“

Umweltbundesamt: Es geht ohne Atomstrom

Der Präsident des Umweltbundesamtes Jochen Flasbarth erklärte in Deutschlandfunk: „Es gibt viele Gutachten, die zeigen, dass wir bis Mitte des Jahrhunderts vollständig unseren Strom regenerativ erzeugen können, das hat das Umweltbundesamt letztes Jahr gezeigt, der Sachverständigenrat für Umweltfragen, viele andere.“ Aus wissenschaftlicher Sicht sei es möglich, die abgeschalteten Reaktoren ganz stillzulegen, und es bleibe immer noch etwas Reserve, um auch zwei weitere Kraftwerke, beispielsweise das Kraftwerk Krümmel und ein weiteres nicht mehr ans Netz gehen zu lassen.

Es gebe zurzeit eine installierte Leistung von 96 Gigawatt. Verbraucht würden in der Spitze aber nur 80 Gigawatt. 16 Gigawatt an Kraftwerkskapazitäten seien übrig und das sei auch der Grund, warum Deutschland in den letzten Jahren so viel Strom exportiert hat.

Zu den Strompreiserhöhungen der letzten Zeit  sagte Flasbarth, die Unternehmen hätten stärker erhöht, als durch die Umlage für erneuerbare Energien gerechtfertigt gewesen wäre.

Bundesministerien für Erneuerbare-Energien-Ausbau

Nach Zeitungsberichten haben sich inzwischen die Bundesministerien für Wirtschaft und Umwelt auf ein „sechs Punkte für eine beschleunigte Energiewende" geeinigt. Erneuerbare Energien soll zügig ausgebaut werden.

Vor allem der Wirtschaftsflügel der CDU kritisiert den Sechs-Punkte-Plan der beiden Minister für einen beschleunigten Atomausstieg. Der haushaltspolitische Sprecher der Union, Norbert Barthle (CDU), sagte in einem Zeitungsinterview: "Wenn Mehrkosten durch die Energiewende entstehen, dann müssen die Verbraucher sie tragen und nicht die Steuerzahler." Er sehe den Bedarf für zusätzliche Gebäudesanierungsprogramme nicht. "Die meisten Häuser in Deutschland werden durch Öl und Gas beheizt, nicht durch Strom." Mehrausgaben müsse jedes Ministerium in seinem eigenen Etat selbst ausgleichen.

wp (09/10./11.04.2011, Quellen: ZEIT ONLINE, SPIEGEL, Berliner Zeitung, Deutschlandfunk, faz.net)

Zurück