Wir fragten Angela Merkel

Es war nicht einfach, eine Antwort auf eine Wahlanfrage an die Bundeskanzlerin Angela Merkel zu erhalten. Im Rahmen des Projektes „Wahlbeobachtung 2013“ schickte ViLE-Lübeck Anfang Mai eine Anfrage an die Kanzlerin. Sie wurde vom Bundeskanzleramt mit dem Hinweis abgelehnt, sie müsste über die Partei geleitet werden. Das taten wir am 16. Mai. Es gab keine Reaktion. Am 9. Juli mahnten wir eine Antwort an und schickten unsere Fragen an Bundeskanzlerin noch einmal mit.

Lange gewartet, jetzt kam die Antwort

Wir hatten schon die Hoffnung aufgegeben, doch am 27. August erhielten wir endlich eine Antwort, zwar nicht von Angela Merkel, doch für CDU und CSU von der CDU-Bundesgeschäftsstelle. Hier das Ergebnis.

Unsere Fragen:

Maßgeblich aufgrund Ihres Einflusses hat die Europäische Union ihren notleidenden Mitgliedern strengste Sparprogramme auferlegt. Inzwischen hat sich jedoch herausgestellt, dass das Forschungspapier der Star-Ökonomen Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff, auf das sich die Bundesregierung beruft, falsch ist. Sollten Sie, Frau Bundeskanzlerin, dazu nicht einmal Stellung nehmen und ihre Vorstellungen für eine Abmilderung der Sparprogramme äußern?

Der überwiegende Teil der deutschen Exporte geht in EU-Länder. Wenn diese aufgrund der Sparprogramme nur noch wenig importieren können, trifft das die deutsche Wirtschaft. Holen wir uns die Krise nicht selbst ins Land?

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die durch Sparpolitik gehemmte Konjunktur in Europa zum Hauptproblem der Weltwirtschaft erklärt. Wie sehen Sie diese Kritik?

Ist nicht eine Stärkung der Binnennachfrage wichtig, um Exportkrisen zu überstehen? Erstmals in Ihrer Rede bei der 13. Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung haben Sie eine Steigerung unserer Binnennachfrage befürwortet. Wie soll dies geschehen?

Letztens hatte die Bundesrepublik die höchsten Steuereinnahmen seit ihrer Gründung zu verzeichnen. Wo bleibt dieses viele Geld angesichts von notleidenden Universitäten, Schulen, Krankenhäusern und Sozialeinrichtungen?

Seit Jahren wird beklagt, dass die Ungleichheit sowohl beim Einkommen als auch bei den Vermögen der Deutschen zunimmt. Was wollen Sie mit einer neuen Regierung dagegen tun?

Wir würden uns über einen Beitrag von Ihnen freuen, der einige der von uns angesprochenen Probleme aufgreift, schließlich sei in einer gewissen Weise Europapolitik auch Innenpolitik geworden, wie Sie in einem Interview sagten. Ein solcher Beitrag würde auch dem Vorwurf eines Ihrer Kritiker über eine „Unkenntlichkeit der eigentlichen politischen Absichten“ begegnen.

Die Antworten:

Die von Ihnen angesprochene Studie ist eine von vielen, die die von CDU und CSU geführte Bundesregierung in diesem Zusammenhang zur Kenntnis genommen hat. Damalige Veröffentlichungen können mitunter wertvolle Hinweise und Handlungsempfehlungen geben. Sie sind aber in der Regel nicht als Blaupause für das Regierungshandeln anwendbar. Dieses richtet sich an Grundwerten und Grundüberzeugungen aus. Dass sparsame Haushaltspolitik die Grundlage für stabile wirtschaftliche Verhältnisse und nachhaltiges Wachstum ist, ist dabei seit jeher Überzeugung von CDU und CSU. Daraus entstehen die Spielräume für die Rückzahlung von Schulden und wichtige Zukunftsinvestitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur. Das ist unsere erfolgreiche Politik für Deutschland und das halten wir auch auf europäischer Ebene für richtig. Oft wird behauptet, die Reformprogramme für die notleidenden Euro-Länder bestünden nur aus Sparmaßnahmen wie Kürzungen von Gehältern, Renten und Sozialleistungen. Das stimmt nicht. Sämtliche Reformprogramme zielen darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit der Länder so schnell wie möglich wiederherzustellen. Sie enthalten daher neben wichtigen strukturellen Veränderungen auch Investitionsprogramme. Dass die Kombination aus Ausgabenbegrenzung, Strukturreformen und Investitionen richtig ist und letztendlich auch Wachstumsimpulse gibt, zeigen die aktuellen Wirtschaftsdaten der EU: So hatte beispielsweise Portugal im zweiten Quartal 2013 das höchste Wirtschaftswachstum der ganzen EU und auch aus Griechenland kommen zunehmend positive Meldungen. Wir halten daher an unserem Kurs fest und sehen keinen grundsätzlichen Änderungsbedarf bei den Reformprogrammen.
In der Tat ist die Binnennachfrage sehr wichtig. So wird weit über die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für die Konsumausgaben der privaten Haushalte verwendet und noch einmal fast 20 Prozent für die des Staates. Der Außenbeitrag – also der Überschuss der Exporte über die Importe - hat einen Anteil am BIP von deutlich unter 10 Prozent. Vor allem durch die gute Beschäftigungsentwicklung konnten die privaten Konsumausgaben in Deutschland in den letzten fünf Jahren deutlich stärker steigen als die Wirtschaftskraft insgesamt. Private und staatliche Konsumausgaben kamen in 2012 zusammen auf einen Anteil am BIP von über 77 Prozent nach 73,8 Prozent in 2007. Es hat also in den letzten Jahren bereits eine immense Stärkung der Binnennachfrage gegeben. Der Anteil des Außenbeitrages am BIP hingegen sank von 7 auf 5,7 Prozent. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute gehen für die nächsten fünf Jahre davon aus, dass die Konsumausgaben auf gleichbleibend hohem Niveau am BIP beteiligt sein werden, während der Anteil des Außenbeitrags weiter zurück gehen wird. Das hohe Konsumniveau ist einerseits erfreuliches Ergebnis der guten Entwicklung am Arbeitsmarkt in unserem Lande. Andererseits ist der sinkende Anteil des Außenbeitrags eine Warnung, dass nicht nur auf die Binnennachfrage gesetzt werden sollte, sondern auch der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft nach wie vor wichtig ist.

Ein verlässlicher Staat braucht solide Finanzen. Deshalb haben CDU und CSU die Schuldenbremse eingeführt. Die damit gesteckten Ziele haben wir bereits 2012 erreicht –vier Jahre früher, als vom Grundgesetz vorgeschrieben.
Kaum jemand hat uns im Jahr 2009 diese Leistung zugetraut, sind wir doch aufgrund der internationalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise in diese Legislaturperiode mit der höchsten Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik gestartet.

CDU und CSU haben es dennoch geschafft, die Neuverschuldung konsequent abzubauen – und zwar ohne Steuererhöhungen, wie Rot-Grün sie fordern. Weil wir die Ausgaben begrenzen und sorgfältig wirtschaften, werden wir auch in der nächsten Legislaturperiode die Steuern nicht erhöhen. 2014 werden wir stattdessen im Bund weniger Geld ausgeben als 2010 und ab 2015 beginnen wir mit der Rückzahlung alter Schulden.

Durch Umschichtungen im Bundeshaushalt haben wir gleichzeitig Spielräume für neue Schwerpunkte geschaffen. So konnten wir beispielsweise mehr für Bildung und Forschung ausgeben als jede andere Bundesregierung zuvor, den Kita-Ausbau voranbringen und die Kommunen nachhaltig entlasten.

Das zeigt: Sparen und investieren sind kein Widerspruch, sondern zwei Seiten derselben Medaille. Die von Ihnen konkret angesprochenen „Universitäten, Schulen, Krankenhäuser und Sozialeinrichtungen“ fallen jedoch in die Zuständigkeit der Länder und Kommunen. Es gibt zahlreiche Zuschüsse, Investitions- und Förderprogramme auf Bundesebene für Sanierung, Ausbau etc. der Infrastruktur. So entlastet der Bund die Krankenhäuser in mehreren Schritten durch die anteilige Tariflohnrefinanzierung für 2013, durch Berücksichtigung der tatsächlichen Steigerungen bei den Personal- und Sachkosten bis zum vollen Orientierungswert in den Jahren 2014 und 2015, durch die Einführung eines Versorgungszuschlags und ein Hygieneförderprogramm. Diese Maßnahmen entlasten die Krankenhäuser in den Jahren 2013 und 2014 um rund 1,1 Mrd. Euro.

Die Einkommensunterschiede in Deutschland sind heute höher als vor zwanzig Jahren. Festgehalten werden muss allerdings, dass die Unterscheide laut OECD-Angaben im Laufe der 90er Jahre kaum anstiegen. Von 1998 bis 2005 sind sie dann unter Rot-Grün rasant gestiegen. Seitdem gehen sie – vor allem wegen der guten Entwicklung am Arbeitsmarkt - wieder leicht zurück. Insgesamt steigen dabei die Einkommen. Die jährlichen realen Nettoeinkommen der Bürger sind von 2005 bis 2010 in Westdeutschland um 600 Euro und in den neuen Ländern um 1.100 Euro gestiegen. Dies hält das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung unter dem Titel: „Höhepunkt der Einkommensungleichheit in Deutschland überschritten?“ im DIW Wochenbericht 43/2012 fest. Auch das Armutsrisiko in Deutschland liegt weiterhin unter dem europäischen Durchschnitt. Es ging von 1991 bis 1998 leicht zurück. Besonders stark stieg es dann unter Rot-Grün von 1998 bis 2005 – um etwa 36 Prozent von 10,4 auf knapp 14,1 Prozent. Nunmehr (2010) liegt es bei 13,9 Prozent – hat sich also kaum verändert.

Diese Entwicklung geht in die richtige Richtung und ermuntert uns, weiterhin für gute Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt zu sorgen. Denn: Gute Beschäftigungsperspektiven sind das beste Rezept gegen Armut für Jung und Alt. Die Jüngeren können so eher selbst Geld verdienen. Eine bessere Beschäftigungs- und Lohnentwicklung führt zu vergleichsweise höheren Beitragseinnahmen. Das wiederum ist gut für die Rente der Älteren.

Horst (28.08.2013)

Kommentar von Barbara Heinze, Dr.rer.nat. |

Gratulation dazu, dass Sie eine Antwort erhalten haben. Eigentlich ist nur die erste Frage beantwortet, zu dem Sparprogramm, die Frage des Geldes für Universität usw. wird nur mit zwei Allgemeinsätzen beantwortet, und die Vergrößerung der Schere zwischen Arm und Reich einfach auf Rot-Grün geschoben.

Zurück