Von Atomkraftwerken umgeben III

Deutschland sagt bald dem Atomstrom ade,  doch in der Nähe unserer  Grenzen stehen viele Meiler – und nicht jeder ist wirklich sicher. ViLE-Lübeck hat recherchiert. Hier die Ergebnisse über Tschechien und die Schweiz.

Tschechien

In Tschechien sind derzeit zwei Kernkraftwerke ( Dukovany und Temelin) mit insgesamt sechs Reaktorblöcken und einer installierten Bruttogesamtleistung von 3.834 MW am Netz. Der Energiemix für Strom stellte sich im Jahr 2010 wie folgt dar: Kernenergie 32,6 Prozent, Steinkohle 7 Prozent, Braunkohle 50 Prozent, Erdgas 1,3 Prozent, Erneuerbare und Müllverbrennung 6,9 Prozent.

Zukünftige Atompolitik

Das neue staatliche Energiekonzept bis zum Jahr 2040, im Mai 2015 vom Mitte-Links-Kabinett in Prag verabschiedet, sieht vor, die Atomkraftwerke auszubauen. In Temelín soll dafür ein dritter, in Dukovany ein fünfter Reaktorblock entstehen. Die Entscheidung bedeute einen weiteren Schritt weg von fossilen Energieträgern, sagte Ministerpräsident Bohuslav Sobotka der Agentur CTK.

An zweiter Stelle auf der Prioritätenliste folgen demnach erneuerbare Energiequellen, wie Windkraft und Bioenergie. Das Konzept sieht vor, den Anteil der Atomkraftwerke an der Energieversorgung des Landes auf mehr als 50 Prozent zu steigern. Die Kernkraft soll die Kohle langfristig als wichtigsten Energieträger ablösen. Folgender Energiemix bei der Stromerzeugung ist vorgesehen: Kernenergie 50,9 Prozent, Steinkohle 3,2 Prozent, Braunkohle 15 Prozent, Erdgas 5,8 Prozent, Erneuerbare und Müllverbrennung 20,3 Prozent.

 Gemäß einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Sanep sind in Böhmen 78,4 Prozent für den Bau neuer Kernkraftwerksblöcke, nur 9,3 Prozent dagegen. Ein Großteil der Befragten begründet seine kernkraftfreundliche Ansicht damit, eine stärkere Nutzung der Kernenergie würde Tschechien unabhängiger von Energieimporten machen. Die Bevölkerung steht damit hinter den Plänen der Regierung.

Die Meiler

Das Kernkraftwerk Temelín, etwa 60 Kilometer entfernt von Österreich und 60 Kilometer Luftlinie von der Grenze zu Bayern ist hinsichtlich der Leistung mit 2026 MW das größte Kraftwerk in Tschechien. Der Bau zweier weiterer Reaktoren war vorgesehen, wurde jedoch im April 2014 vom Betreiber verworfen, da er nicht wirtschaftlich war.

Wegen zahlreicher Störfälle in der Vergangenheit steht das AKW Temelin seit Jahren bei bayrischen Umweltschützern in der Kritik. Heftige Kritik an Tschechiens Atomausbauplänen kommt auch aus Oberösterreich. Für Landeshauptmann Josef Pühringer von der konservativen ÖVP ist das tschechische Vorhaben der "absolute Wahnsinn", gegen den man mit allen rechtlichen Mitteln vorgehen müsse.

Das Kernkraftwerk Dukovany in Südmähren liegt etwa 35 Kilometer südwestlich von Brünn, nur 50 Kilometer von der österreichischen Grenze  entfernt, 100 Kilometer nördlich von Wien. Es wurde zwischen 1985 und 1987 in Betrieb genommen und besteht aus vier Reaktorblöcken mit einer Gesamtleistung von 1792[nbspJMW. Eigentümer und Betreiber des Kernkraftwerkes ist das Unternehmen CEZ. (Die ČEZ, a.s. ist ein börsennotiertes Energieunternehmen aus Tschechien mit Sitz in Prag. Es wurde 1992 gegründet. Die ČEZ-Gruppe ist der größte Energiekonzern in Mittel- und Osteuropa sowie der größte Stromproduzent in der Tschechischen Republik.

„Eine Zeitbombe“

Anfang Februar 2016 stellte sowohl der Betreiber als auch die tschechische Atomaufsichtsbehörde Strafanzeige, nachdem letztere festgestellt hatte, dass systematisch alle Röntgenbilder der Schweißnähte im Kernkraftwerk Dukovany  manipuliert worden waren. Laut tschechischer Atomaufsichtsbehörde sind die Nähte im Primärkreislauf von dieser Affäre nicht betroffen. Block 2 ist aktuell (Stand: Februar 2016) weiterhin außerplanmäßig deaktiviert.

In diesem Atomkraftwerk wurden Anfang November 2014 zwei Atomkraftwerks-Blöcke abgeschaltet. Ein Rohrleitungssystem, vier Meter unter der Erde, war undicht geworden. Es kommt immer wieder zu technischen Pannen und nach dem Brand im Schaltraum im November sind sich viele Umweltorganisationen einig, dass das AKW Dukovany eine tickende Zeitbombe ist.

Friedel (02.05.2016, Quellen: Wikipedia, FAZ. freiewelt.net, Frankfurter Rundschau, netzfrauen.org)

Schweiz

Nach den Angaben des Schweizerischen Bundesamtes für Energie (BFE) haben fünf Kernkraftwerke eine Gesamtleistung von 3,2 GW. Der Anteil des Atomstroms  an der inländischen Stromproduktion beträgt etwa 39 Prozent, im Winter bis zu 45 Prozent.

Ähnlich wie Deutschland beschloss die Schweiz nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima, keine neuen Atomkraftwerke mehr zu bauen. Die bestehenden Anlagen sollen bei Erreichen eines Betriebsalters von 50 Jahren abgeschaltet werden, Das erste AKW müsste demnach 2019 vom Netz, das letzte 2034. Drei geplante Anlagen werden nicht mehr gebaut.

Kritische Stimmen halten die geplanten Laufzeiten des AKW für riskant und unverantwortlich. Sie fragen, warum ein modernes Land wie die Schweiz die ältesten und unsichersten Atomkraftwerke betreibt und so die Existenz des Landes und aller Menschen aufs Spiel setzt.

AKW direkt an der deutschen Grenze

Der Reaktorblock Beznau 1 wurde 1969 in Betrieb genommen und ist der älteste weltweit, der noch genutzt wird. Das AKW, befindet sich auf dem Gebiet der Gemeinde Döttingen (Kanton Aargau) auf einer künstlichen Insel der Aare, keine 10 km vom Rhein und damit von der deutschen Grenze entfernt. Im Oktober 2015 wurde bekannt, dass bei einer Überprüfung des Reaktordruckbehälters des im März 2015 für Wartungsarbeiten heruntergefahrenen Reaktorblocks 1 etwa 1000 Schwachstellen entdeckt wurden. Beznau 2 ging 1971 in Betrieb.

 Das Kernkraftwerk Leibstadt ist das leistungsstärkste. Es erzeugt ein Sechstel des in der Schweiz erzeugten Stroms. Es ging Ende 1984 in Betrieb, ist das jüngste der fünf Kernkraftwerke und liegt am Rhein naheder Aare-Mündung und damit direkt an der deutschen Grenze bei Waldshut-Tiengen.

Es ging auch ohne Atomstrom

Alle Atomkraftwerke der Schweiz standen im August 2015 still, drei wegen sommerlicher Wartungsarbeiten, eines wegen einer Störung. Dennoch kam es nicht zu Stromengpässen. Auch Strom aus dem Ausland musste nicht importiert werden. Der Grund: Die Stauseen in den Bergen waren randvoll und produzieren sauberen Wasserstrom.

Für die Zeit nach dem Atomstrom setzt die Regierung auf einen Mix aus zahlreichen Maßnahmen. Beabsichtigt sind ein Ausbau der Wasserkraft und Pumpspeicherwerke zur Abdeckung der Schwankungen des Verbrauchs. Dazu sollen die Förderung von erneuerbaren Energien und Steuererleichterungen für Stromsparmaßnahmen kommen.

Horst (02.05.2016, Quellen BFE, Global2000, BUND, Wikipedia, kernenergie.ch/de, NZZ. blick.de)

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