Das Pumpspeicherkraftwerk in Geesthacht
Vile Nord war wieder einmal auf Reisen, natürlich ging es um erneuerbare Energien und umweltpolitische Maßnahmen zur Erhaltung der Fauna.
Wir besuchten zunächst die Fischtreppe in Geesthacht (siehe dazu den Bericht von Horst unter:“ Was gibt’s Neues in ...?“) und danach das Pumpspeicherkraftwerk in Geesthacht, das zwischen dem Kernkraftwerk Krümmel (stillgelegt) und dem neuen, noch nicht in Betrieb befindlichen Steinkohlekraftwerk Moorburg bei Hamburg liegt.
A = Moorburg, B = Geesthacht, C = AKW Krümmel (Nokia Maps)
Wir sind durch Zufall im Internet auf
das Pumpspeicherkraftwerk gestoßen und waren verwundert, dass es so
etwas hier im Norden gibt, weil diese Art Kraftwerke sonst nur in
Mittelgebirgen und in Bayern anzutreffen sind. Dazu wollten wir
Näheres wissen und hatten mit dem Betreiber Vattenfall einen
Besichtigungstermin am 28.10.2011.
Die Röhren und das Solarfeld (Foto Annegret)
Das Kraftwerk liegt in einem Energiepark, bestehend aus einem See oberhalb des Geesthanges (80m), 3 riesigen Röhren, die 612 Meter lang sind und in denen das Elbwasser hochgepumpt und dort zur Stromerzeugung bei Bedarf „geparkt“ wird. Der See hat ein Fassungsvermögen von der Größe der Binnen- und Außenalster in Hamburg. Das Becken umfasst eine Fläche von 500 mal 600 Meter und hat ein Volumen von 3.6 Millionen Kubikmeter.
Die Gesamtanlage Energiepark (Foto Vattenfall)
Im Bedarfsfall rauschen die Wassermassen zur Stromerzeugung die Röhren hinunter und treiben die Turbinen an. Die Turbinen werden jährlich etwa 4.800 mal zugeschaltet. Es dauert ca. 8 Stunden um den See wieder zu füllen und 5 Stunden um ihn zu leeren.Das Pumpspeicherkraftwerk dient der schnellen Abdeckung des Strombedarfes zu Spitzenlasten und als Notreserve bei Stromausfällen.
Das Pumpwerk wurde im Oktober 1958 in Betrieb genommen und ist das größte seiner Art in Norddeutschland. Es wurde damals von den Hamburgischen Elektrizitätswerken gebaut und gehört heute zum Vattenfall-Konzern, wie die beiden anderen Kraftwerke auch. Seine Leistung beträgt 120 MW. Es ist in 60 Sekunden betriebsbereit und kann auch - im Gegensatz zu allen anderen Kraftwerken - sofort gestoppt werden.
Die Technik ist relativ übersichtlich und nicht kompliziert. Die drei Rohrleitungen sind mit je einer Pumpe und einer Turbine verbunden. Die drei Turbinen haben eine Leistung von je 40MW also 120 MW insgesamt und die Pumpen je 32 MW. Wenn das Wasser herunterläuft, wird Strom erzeugt.
Die gewaltigen Rohre (Foto Annegret)
Wenn der See fast leer ist, wird wieder
Wasser hochgepumpt. Den Strom dafür liefert ein Windkraftwerk oben
am See mit einer Generatorenleistung von 500 KW. Zusätzlich ist ein Solarfeld
installiert mit 16 Kollektoren auf einer Fläche von 573 Quadratmeter
mit einer jährlichen Leistung von 50 MW.
Sollten beide Quellen nicht genügend
Strom liefern (Windstille, keine Sonne), wird Strom aus dem Netz
genommen.
Eine kompetente Mitarbeiterin von Vattenfall informierte uns umfassend und zeigte uns die gesamte technische Anlage. Besonders fiel ins Auge, dass man bei dem lupenreinen Bau aus dem Jahre 1958, der inzwischen unter Denkmalschutz steht, sich viel Mühe mit der Architektur gab und auch künstlerische Elemente im Empfangsgebäude installierte.
Pumpe und Turbine im Modell (Foto Annegret)
Ein großes kirchenähnliches
Mosaikfenster im Eingangsbereich und ein künstlerisches
Landschaftsrelief mit den verschiedenen Standorten und Netzen bis
nach Hamburg an der Wand zeugen heute noch von der künstlerischen
Ästhetik der 50er Jahre. Alles wirkt auch nach über 50 Jahren noch
gut erhalten und gepflegt.
Am überraschendsten war für uns aber
ein Blick in die Turbinenhalle und den Steuerstand, die noch die alte
Technik enthielten. Auch die Maschinen sind aus dem Jahre 1958.
Der Maschinenraum mit Turbinen und Pumpen (Foto Annegret)
Der Betreiber nutze seit 2001 die
gesamte Anlage kaum noch, da das Land Schleswig-Holstein damals die
Oberflächenwasserabgabe einführte, um an den riesigen Gewinnen der
Kernkraftwerke zu profitieren. Dabei hatte man übersehen, dass das
Pumpspeicherkraftwerk nur wirtschaftlich arbeitet, wenn keine
zusätzlichen Wasserabgaben anfallen.
Vor kurzem hat Schleswig Holstein,
nachdem der Ausstieg aus der Atomenergie feststeht und die
alternativen Energieträger gestärkt werden sollen, diese Abgabe auf
10 Prozent reduziert. Und somit hat der Betreiber wieder einen
wirtschaftlichen Anreiz und plant nun sogar eine Verdoppelung der
Anlage auf 6 Rohre. Das hat aber zur Folge, dass ein zweiter
Speichersee angelegt werden müsste. Was natürlich heute zu
naturschutzrechtlichen Problemen führt.
Wir waren alle tief beeindruckt von der alten Technik, die heute wieder eine der zukunftsträchtigen Möglichkeiten darstellt, Strom aus natürlichen Ressourcen herzustellen und gleichzeitig das Problem der Stromspeicherung (teilweise) löst.
Die ViLE-Lübeck staunend im Empfangsgebäude (Foto Annegret)
Im Internet fanden wir dann die Prognose der Firma ecoprog, die sich auf die Beratung von solchen Anlagen in Europa spezialisiert hat, wonach der Markt in den nächsten 10 Jahren in Europa enorm wachsen wird. Bis zum Jahr 2020 sollen über 60 neue Pumpspeicher-Anlagen mit einer Leistung von 27 Gigawatt entstehen, was etwa der Hälfte des heutigen Bestandes und einem Investitionsvolumen von 26 Milliarden Euro entspricht.
Axel (Quellen: Wikipedia, Stadt Geesthacht, Kraftwerke Vattenfall, ecoprog GmbH)