Der Streit um die Strompreise

Sogar unser neuer Bundesumweltminister Peter Altmaier spricht von kommenden Strompreiserhöhungen. Inzwischen ist es zu einer öffentlichen Diskussion mit so vielen unterschiedlichen Pro-und Kontra-Argumenten gekommen, dass der einfache Stromkunde bisher nur eines erkennt: Die ganze Last der Energiewende wird auf die Privathaushalte und die kleinen Gewerbebetriebe abgeladen. Wir versuchen, einen Überblick zu gewinnen.Von einer Lobbyschlacht berichtet die ZEIT aus dem Berliner Regierungssitz. Befürworter und Gegner der Energiewende verkündeten ihre eigenen Wahrheiten. Verbraucherschützer klagten über hohe Strompreise und Politiker stellten die Energiewende infrage.

In einem Radiointerview meinte Bundesumweltminister Altmaier: „Wir hatten ein Konzept, und das haben wir immer noch, das vorsieht, dass diese Energiewende über 40 Jahre so stattfindet, dass die Belastungen in einem verträglichen Rahmen stattfinden.“

Angst wird geschürt

Die Angst der Stromverbraucher wird dennoch geschürt. Der schwedische  Energiekonzerns Vattenfall behauptet, die  Energiewende werde länger dauern als vorgesehen und könnte den Strom fast um ein Drittel verteuern. Die Strompreise würden bis 2020 um bis zu 30 Prozent steigen, sagte Vattenfall Europa-Chef Tuomo Hatakka der "Süddeutschen Zeitung". Altmaiers Idee dazu: Er will allen Privathaushalten eine kostenlose Energieberatung anbieten, um die Stromrechnungen zu reduzieren.

Eine weitere Strompreisdrohung: Das Bundeskabinett  beschloss eine Haftungsregelung, nach der künftig auch die privaten Kunden über ihre Stromrechnung Schadenersatz von maximal 0,25 Cent pro Kilowattstunde zahlen müssen, sollte eine Netzanbindung der Offshore-Windparks nicht rechtzeitig fertig werden. Der SPD-Umweltexperte kritisiert, man wolle den Netzkonzernen sehr viel Geld hinterherwerfen und das gesamte Risiko auf die Verbraucher übertragen, während es auf der anderen Seite weiterhin neun Prozent Rendite für eingesetztes Kapital der Netzbetreiber geben soll.
Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck gab in einem Radiointerview zu bedenken, dass in dem unteren Einkommenssegment 0,3 Prozent EEG-Umlage -  also etwa 140 Euro - für einen Durchschnittshaushalt, schon spürbar sind.

Der Strompreis in Deutschland steige nicht in erster Linie wegen der Energiewende. Die ZEIT schreibt in einer Untersuchung: „Hinter dem Streit um die EEG-Umlage steckt mehr: Es ist ein Machtkampf zwischen den Befürwortern und Gegnern der Energiewende, zwischen neuen Anbietern und den etablierten Stromkonzernen. Ihnen und ihren Helfern geht es darum, die Energiewende zu verzögern, zu blockieren, umzukehren. Der Strompreis ist dabei nur Mittel zum Zweck.“

Sind die Preiserhöhungen berechtigt?

Private Endkunden müssen seit 2008 rund 20 Prozent mehr für den Strom bezahlen. Im Gegensatz dazu sanken die Preise für Industriekunden in den vergangenen Jahren um drei Prozent. Für energieintensive Unternehmen gebe es zu viele Ausnahmen bei den Netzentgelten und den Kosten zur Förderung erneuerbarer Energien. Die Mehrkosten trägen die Verbraucher, argumentieren die GRÜNEN.

Dieser Trend könnte sich noch verstärken. Bisher erhalten rund 20.000 Firmen seit Einführung der Ökosteuer im Jahre 1999 Steuerermäßigungen im Umfang von jährlich rund 2,3 Milliarden Euro. Die Zahl der Firmen, die Ermäßigungen beantragen, hat sich inzwischen verdoppelt. Bis Ende Juni lagen 2023 neue Anträge vor. Ein Grund für die Antragsflut: Die Anforderungen wurden von der Regierung gelockert. Dabei sagte selbst das Bundesfinanzministerium in einer aktuellen Untersuchung, die Firmen würden trotz höherer Energiepreise nicht an Absatz einbüßen.

Zuviel auf hoher See

Die bisher fehlende Koordination der Energiewende hat offenbar dazu geführt, dass zu viel Geld in den Aufbau von Offshore-Windanlagen investiert wird. Das schlägt auf den Strompreis durch. Bundesumweltminister Altmaier will daher die Windkraft  bremsen.

Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck wendet sich aber dagegen, gleichzeitig auch den Bau von Windkraftanlagen an Land zu reduzieren. „Die Onshore-Windstunde, also die auf Land produzierte Windstunde, ist so preisgünstig wie jetzt schon fossile Kraftwerke“, sagte er im Deutschlandfunk. „Wir haben das einmal in Schleswig-Holstein durchgerechnet, weil wir ja mit dieser Debatte permanent leben müssen. Würde der Energiemix in Deutschland so sein wie in Schleswig-Holstein, wäre die EEG-Umlage drei Cent günstiger, drei Cent billiger, und das ist einschließlich der Netzausbaukosten gerechnet, die wir noch dazu drauflegen müssen, also den Cent ungefähr, den der Verbraucher zahlen muss, weil wir Netze brauchen, um in die Versorgungszentren in den Süden zu kommen.

Holger Krawinkel, der Leiter des Fachbereichs Energie der Verbraucherzentrale Bundesverband meint, es werde nicht wirklich über Alternativen innerhalb der Energiewende diskutiert. „Wir zahlen im nächsten Jahr etwa 20, vielleicht 21 Milliarden für die EEG-Umlage, mit diesen 20 Milliarden könnte ich heute schon so viel Strom mit Windenergie an Land produzieren, wie in Deutschland verbraucht wird. Es ist im Prinzip der falsche Einsatz der Technologien: zu viel Solarstrom, zu viel Biomasse und zu wenig Windenergie an Land. Windenergie an Land ist der Billigmacher. Und jetzt kommt eben noch Offshore dazu, das ist doppelt so teuer wie Windenergie an Land. Also da muss die Bundesregierung einfach Prioritäten setzen, und das tut sie nicht.“

Neue Studien zum Ökostrom

Das Forum Ökosoziale Marktwirtschaft (FÖS) hat in einer Studie errechnet, dass die Förderung von Kohle- und Atomstrom den Verbraucher dreimal teurer zu stehen komme als die Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien. Würden bisher angefallene Kosten summiert und auf den Strompreis aufgeschlagen, läge eine solche Kohle- und Atomstromumlage bei 10,2 Cent je Kilowattstunde. Das wäre dreimal so hoch wie die über den Strompreis zu zahlende Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Es sei daher unfair, Ökostrom als Preistreiber zu kritisieren, hieß es.

Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller legte ein Gutachten des renommierten Leipziger Instituts für Energie vor. Es errechnete, dass die Preise bis 2020 zwar steigen würden, aber weniger stark als im vergangenen Atomjahrzehnt. Untersteller im Radio-Interview: "Wenn man mal einen Tag vor den Ereignissen in Fukushima sich die Preise auf der Strombörse in Leipzig anschaut, dann lag man dort, wenn man eingekauft hat, den Strom für das Jahr 2013, auf einem Preisniveau von 53,20 Euro. Gestern lag der Preis für das Jahr 2013 bei 47,95 Euro, das heißt 10 Prozent niedriger als vor Fukushima - trotz der Stilllegung von acht Kernkraftwerken."

Eine weitere Studie besagt, dass der Ausbau erneuerbarer Energien für die Verbraucher deutlich kostengünstiger gestaltet werden könnte. Vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung wurde sie im Auftrag der arbeitgebernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) erstellt. Danach sollten die Vergütungen für erneuerbare Energien durch ein Quotensystem ersetzt werden: Es würde die Energieversorger dazu verpflichten sogenannte Grünstromzertifikate in Höhe einer vorgegebenen Ökostromquote zu kaufen.

Horst (Quellen: ZEIT-ONLINE, Berliner Zeitung, Deutschlandradio Kultur, WELT, Deutschlandfunk)

 

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