Energiewende: Es geht auch ohne Kohle

Seit Sigmar Gabriel dem Umweltministerium die Energie weggenommen und seinem Bundeswirtschaftsministerium unterstellt hat, sind positive Nachrichten zur Energiewende spärlich geworden. Eine am 10. Dezember veröffentlichte Studie der Arbeitsgruppe des Akademienprojekts ESYS, der mehr als 100 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft angehören, strahlt Optimismus aus.

Der Kernsatz der Studie: Selbst mit 100 Prozent erneuerbarer Energien ist eine stabile und bezahlbare Stromversorgung möglich.

Die Arbeitsgruppe hat mithilfe eines eigens entwickelten Modells rund 130 Systemkonstellationen verglichen und in einer umfassenden Analyse beschrieben, dass eine Versorgung durch erneuerbare Energien auch ohne den Transport großer Strommengen von Nord nach Süd erreichbar ist. Die Wissenschaftler haben die Technologien bewertet sowie deren Fortschritte und Kosten bis 2050 abgeschätzt.

Die Träger der Studie - acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und Union der deutschen Akademien der Wissenschaften – teilen in einer gemeinsamen Erklärung mit, dass  es zahlreiche sinnvolle Möglichkeiten gebe, die Stromversorgung im Zeitalter der erneuerbaren Energien zu stabilisieren. „Fast keine Technologie ist alternativlos, fast jede lässt sich zu überschaubaren Mehrkosten ersetzen. Eine Ausnahme sind flexibel befeuerbare Gaskraftwerke. Sie sind das Rückgrat jedes stabilen Energiesystems der Zukunft.“

Wind- und Photovoltaikstrom sind abhängig vom Wetter. Sogenannte Flexibilitätstechnologien müssen solche Schwankungen ausgleichen, so heißt es. Dafür gebe es zahlreiche gute Möglichkeiten: Von flexibel regelbaren Kraftwerken über Speicher bis hin zum Demand-Side-Management, das den Verbrauch mit dem Angebot in Einklang bringe.

Berechnungen zeigen: Es gibt zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten mit vergleichbaren Stromerzeugungskosten. Durch den anhaltenden Preisverfall würden Windkraft- und Photovoltaikanlagen künftig die wichtigsten Stromerzeugungstechnologien sein. Zusätzlich führe aber an flexiblen Gaskraftwerken langfristig kaum ein Weg vorbei. „Sie werden künftig zunehmend mit Biogas, Wasserstoff oder synthetischem Methan betrieben“, erläutert Prof. Dirk Uwe Sauer (RWTH Aachen, Co-Leiter der Akademien-Arbeitsgruppe). „Neue Kraftwerke sollten deshalb mit variabler Feuerung ausgelegt werden, damit die Gaswirtschaft sukzessive von Erdgas auf CO2-ärmere Brennstoffe umgestellt werden kann.“ Damit ließen sich auch bis zu drei Wochen lange wind- und sonnenarme Perioden sicher überbrücken.

Fast ohne zusätzliche Kraftwerke kommt ein System aus, in dem so viele Windkraft- und Photovoltaikanlagen installiert sind, dass sie über das Jahr mehr Strom produzieren als unmittelbar gebraucht wird. Hier können Langzeitspeicher längere Windflauten ausgleichen.

Kurzfristige Schwankungen beim Stromangebot lassen sich am kostengünstigsten mit Demand-Side-Management ausgleichen, schlägt die Studie vor. „Batterien von Elektroautos und in Gebäuden mit Photovoltaikanlagen werden in der Zukunft Standard sein und würden dann aufgeladen, wenn viel Strom zur Verfügung steht. Auch der Betrieb von Haushaltsgeräten kann an das Stromangebot angepasst werden. Langzeitspeicher lohnen erst in einem System mit einer CO2-Einsparung über 80 Prozent. Bis dahin wäre es kostengünstiger, überschüssigen Wind- und Photovoltaikstrom in den Wärmemarkt zu geben oder nach dessen Sättigung abzuregeln.“

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften wollen mit Stellungnahmen und Studien Politik und Gesellschaft unabhängig und wissenschaftsbasiert bei der Beantwortung von Zukunftsfragen unterstützen. Die Akademiemitglieder und weitere Experten sind hervorragende Wissenschaftler aus dem In- und Ausland. Die Ergebnisse werden in einer Schriftenreihe zur wissenschaftsbasierten Politikberatung veröffentlicht.

Kritik aus der Wirtschaft

Die Wirtschaft sieht die Energiewende im Gegensatz zu den Wissenschaftlern nicht gerade positiv. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft wirft der Politik Versagen bei der Energiewende vor. In einigen Bereichen gebe es seit Jahren ein Bund-Länder-Scheitern, das nicht akzeptabel sei, sagte die Geschäftsführerin Hildegard Müller im Deutschlandfunk. Die energieerzeugenden Unternehmen hingegen seien längst auf die Energiewende eingestellt und nach dem Abkommen von Paris offen für Diskussionen zur Umsetzung.

Horst (16.12.2015, Quellen: Leopoldina, ZEIT, DLF)

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