Energie: Ministerien bekämpfen sich

Als die Energiewende eingeleitet wurde, schienen sowohl die Politik als auch die Öffentlichkeit darauf zu vertrauen, nach den Ausstiegsbeschlüssen werde der Rest schon von alleine kommen. Inzwischen ist die Enttäuschung groß. Verbraucherschutz, Industrie, Umweltverbände und Experten üben Kritik und sind unzufrieden.

Die Regierung verantworte ein Durcheinander in der Energiepolitik, wie es noch keine Regierung vorher angerichtet habe, schreibt Leitartikler Jakob Schlandt in der Berliner Zeitung.

„Statt an einem Strang zu ziehen, ist die Energiepolitik Schauplatz eines verbissenen Gegeneinanders.“ An einem Ende des Seils zerrten der Wirtschaftsflügel der Union und Wirtschaftsminister Philipp Rösler, die der Industrie auf Kosten der Verbraucher Ausnahmeregeln zuschanzen wollten.

Am anderen Ende ziehe Umweltminister Norbert Röttgen, meist damit beschäftigt, die Attacken Röslers abzuwehren und das Erreichte zu verteidigen.

Schlandt: „Rösler, der eigentlich nur den Ausbau der Stromnetze und die konventionellen Kraftwerke verantwortet, will Röttgen dazu zwingen, die umstrittenen Subventionen für Solarstrom radikal zu senken. Röttgen, der die Subventionshöhe bestimmen darf, denkt gar nicht dran, klein beizugeben. Andersherum tut Rösler alles, um strenge EU-Sparrichtlinien für Energie zu verhindern, die Röttgen auf jeden Fall sehen möchte.“

Auch die ZEIT stellt fest: „In der Politik herrscht Ratlosigkeit.“ Die Frage sei, ob das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) noch funktioniere, um langfristig auf einen Ökostromanteil von 80 Prozent zu kommen. Unter Fachleuten und in den zuständigen Ministerien sei man uneins. Es fehle an Ideen, die konkurrieren, an neuen Denkansätzen. Stattdessen konkurrieren die Ministerien: Wirtschaftsminister Rösler und Umweltminister Röttgen gaben parallel neue Studien in Auftrag.

Bisher ist ungeklärt, wie der nach dem Abschalten der Atomkraft entstehende Bedarf an Gaskraftwerken gedeckt werden kann. Sie sind erforderlich, weil der Wind nicht immer weht und die Sonne nicht immer scheint.

Ewald Woste, Chef der Stadtwerkeholding Thüga, einem Verbund von rund 90 Stadtwerken und kommunalen Versorgern, will Gaskraftwerke bauen. In den kommenden zehn Jahren will die mit der Holding verbundene Thüga Erneuerbare Energien rund eine Milliarde Euro investieren. Doch das Programm stockt.

"Der Bau von Gaskraftwerken lohnt sich einfach nicht", sagte Woste im Zeitungsinterview, "die Gaspreise sind zu hoch und die Stromerlöse zu niedrig."

Ein Kapazitätsmarkt wird vorgeschlagen. Er soll effiziente Anreize setzen, damit in neue Kraftwerke investiert wird. Es handelt sich dabei um ein Auktionsverfahren bei dem eine unabhängige Institution eine bestimmte Menge von Erzeugungskapazitäten zur Versteigerung ausschreibt. Die zuständigen Ministerien halten aus unterschiedlichen Gründen nicht viel davon.

Als Ausweg aus dem Durcheinander wurde bereits mehrfach ein Energieministerium mit eindeutiger Zuständigkeit gefordert.

Führende deutsche Energieforscher haben inzwischen in einem offenen Brief gefordert, in allen Handlungsfeldern eine Energieeinsparpolitik zu gestalten, die den selbst gesetzten ambitionierten Regierungszielen gerecht wird. Das Vorhaben werde nur bei einer "dauerhaften Senkung des Energiebedarfs gelingen“.

Das Schreiben wurde an Bundeskanzlerin Angela Merkel, Wirtschaftsminister Philipp Rösler, Umweltminister Norbert Röttgen sowie an die Mitglieder des Umwelt- und des Wirtschaftsausschusses des Bundestages gerichtet.

Die mehr als dreißig Unterzeichner fordern in ihrem Appell, "die Bremsen zu lösen“. Überall dort, wo es wirkungsvolle Instrumente zu entwickeln gelte, um den Energieverbrauch zu senken, seien die konkreten Signale bisher "zwiespältig".

wp (Quellen: Berliner Zeitung, ZEIT ONLINE, Deutschlandfunk)

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