Immer mehr Schlupflöcher für die Industrie

Anstatt die Kosten der Energiewende gleichmäßig auf alle Stromverbraucher zu verteilen, werden Industrie und Wirtschaft immer mehr entlastet. Die Kosten müssen daher vermehrt die privaten Verbraucher und  die kleinen Gewerbetreibenden tragen.

Die jüngste Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erweitert die Zahl der Unternehmen, die von der EEG-Umlage befreit werden, erheblich.

Kriterien gesenkt

Die Kriterien für die Befreiung energieintensiver Betriebe von der Umlage wurden bei der Energieintensität von 15 auf 14 Prozent vermindert. Gleichzeitig wurde der Mindest-Jahresverbrauch von 100 Gigawatt auf 10 Gigawatt gesenkt. Bei einem Verbrauch von 10 Gigawatt könne man ein Unternehmen nicht mehr als energieintensiv bezeichnen, sagte ein Sprecher des Bundesverbandes Erneuerbare Energie.

Kleinverbraucher tragen Einnahmeausfall

Der Verband beobachtete, dass die Zahl der Einzahler im EEG-System zuletzt auffällig gesunken ist. Etwa 650 Unternehmen in Deutschland, die besonders viel Strom verbrauchen, sind ohnehin weitgehend von den Ökostromzahlungen befreit. Das kostet die Verbraucher mehrere hundert Millionen Euro pro Jahr.

Bisher kann niemand sagen, wie hoch der Einnahmeausfall durch die EEG-Novelle sein wird. Man schätzt ihn auf 300 bis 500 Millionen Euro, die nun auf die Kleinabnehmer zukommen.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz legt fest, dass die Betreiber von Ökostrom-Kraftwerken eine feste, hohe Vergütung für ihren Strom erhalten. Bezahlt wird diese von den Stromverbrauchern über die EEG-Umlage. Pro Kilowattstunde sind in diesem Jahr einschließlich der Mehrwertsteuer 4,2 Cent fällig. Da nun  immer mehr Unternehmen aus der Öko-Solidarität flüchten, dürfte dieser Aufschlag auf die Strompreise steigen.

Ein legaler Trick

Ein Beispiel für die legalen Tricks ist das Industrieunternehmen Saarstahl. Es pachtete von der  RWE-Tochter VSE das vor einiger Zeit aus der Produktion genommene Kohlekraftwerk Ensdorf für den Eigenbedarf. Und das obwohl der Strom kilometerweit über das öffentliche Netz geleitet werden muss. Allerdings war Eile geboten, denn seit dem 31. August wird das Vorhandensein eines eigenen Netzes gesetzlich gefordert.

Der Deal wurde so abgewickelt: VSE, der Verband Saarländischer Elektrizitätswerke, erwarb den Block 3 in Ensdorf von RWE Power und verpachtet diesen dann an Saarstahl und Saarschmiede.

Es lohnt sich

Für Saarstahl lohnt sich dieser Coup. Denn das Unternehmen verbraucht zur Zeit rund 750 Gigawatt Strom jährlich und rechnet mit einer EEG-Umlage von 24,7 Millionen Euro. Auf der Homepage von Saarstahl ist zu lesen: „Wir verfolgen das Ziel, ökologische und ökonomische Grundsätze bei der Herstellung und Weiterverarbeitung unserer Produkte in Einklang zu bringen.“

Das Schlupfloch zur Flucht aus der Solidargemeinschaft durch Mieten oder Pacht von Kraftwerksanteilen ist inzwischen eigentlich seit dem 1. Juni 2011 geschlossen. Doch bis zum 1. September gab es eine von wirtschaftsfreundlichen Parlamentariern der Union durchgesetzte Übergangsregelung, wie die Berliner Zeitung berichtet.

Immer neue Forderungen

Die Lobbyverbände der Stahlverarbeiter, Gießereien und Textilfirmen verlangen jetzt eine Begrenzung des für die Industrie geltenden Strompreisaufschlags auf 2 Cent je Kilowattstunde. Das wäre etwa die Hälfte der für 2012 erwarteten EEG-Umlage. Der Aufschlag auf die Stromrechnung steigt bereits seit Jahren stärker als erwartet.

Die vier Netzbetreiber, die das Umlagekonto verwalten, gaben am 14. Oktober bekannt, dass die von allen Bürgern über den Strompreis zu zahlende Umlage 2012 von 3,5 nur auf knapp 3,6 Cent pro Kilowattstunde steigen werde. Das bedeute für einen Durchschnittshaushalt Mehrkosten von weniger als drei Euro im Jahr. Insgesamt beträgt der Umlagebetrag 2012 rund 14,1 Milliarden Euro.

wp (10.-14.10.23011, Quellen: Berliner Zeitung. Saarbrücker Zeitung, bee-ev.de, saarstahl.com, Financial Times Deutschland, Spiegel Online)

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