Norwegen, Steckdose für Europa

Der plötzliche Atomausstieg Deutschlands hat die gesamte Stromwirtschaft durcheinander gewirbelt, Atomkraft ist out, erneuerbare Energie ist in. Doch woher soll die so schnell kommen?

Bis 2020 soll ein Drittel unseres Stromes aus erneuerbaren Quellen kommen., davon mehr als 70 Prozent  aus Windparks, sowohl Onshore als auch Offshore .Das bedeutet, dass sich  21.000 Windräder an Land und auf hoher See drehen werden.

Doch was ist, wenn mal kein Wind weht?

Intelligente Steuerung und ein  europäisches Verbundnetz können zur Versorgungssicherheit  beitragen. Zusätzlich müssen große Stromspeicher geschaffen werden. Die beste Technik dafür sind heute jedenfalls Pumpspeicherkraftwerke. In Deutschlang gibt es davon 30 Stück. Doch ihre Kapazität ist gering. Alle zusammen könnten bei Windstille nur zweieinhalb  Stunden Strom liefern, dann wären sie leer. Und der Bau weiterer Kraftwerke ist fast unmöglich angesichts der dichten Besiedelung in Deutschland. Das zeigt bereits heute die Planung für das Speicherkraftwerk Haslbach im Südschwarzwald, die von vielen Protesten und Bedenken begleitet wird.

In Norwegen hingegen gibt es mit den steilen Fjordhängen, unbewohnten Hochebenen und mit hohen Niederschlägen ideale Bedingungen für Pumpspeicherkraftwerke.

Norwegen verfügt  über die Hälfte der gesamten europäischen Speicherkapazität für Wasserkraftwerke. Damit  könnte die schwankende erneuerbarer Energie in Mitteleuropa ausgeglichen werden .Produziert Deutschland z.B bei viel Wind  zu viel Strom durch Windkraft, könnte dieser nicht gebrauchte Strom nach Norwegen geleitet werden und Wasser in die Speicherbecken pumpen. Bei Strommangel in Deutschland fließt es wieder durch die Turbinen und der produzierte Strom kann nach Deutschland geliefert werden.

Für Norwegen entsteht damit ein völlig neuer, lukrativer Energiemarkt mit einem geschätzten Umsatz von fast 10 Milliarden Euro im Jahr. Denn nicht nur Deutschland hat Bedarf.  Holland nimmt bereits heute Strom aus Nordwegen ab und England hat Interesse angemeldet. Weitere europäische Länder dürften folgen.

Auch in Norwegen spielt die unberührte  Landschaft, insbesondere für den Individualtourismus. eine wichtige Rolle. Daher gibt es schon jetzt viele Bedenken und Umweltinitiativen gegen den Bau neuer Speicherbecken. Beim Bau von gigantischen Großanalagen würde es auch zu massiven Eingriffen in die intakte Umwelt kommen und die notwendigen Hochspannungstrassen würden die  Natur erheblich beeinträchtigen.

Insofern lautet eine Forderung der Umweltschützer: Die Kabel werden in die  Fjorde verlegt . Technisch ist das möglich. Aber nach Schätzungen von Fachleuten würde statt 200 Millionen Euro für die Starkstromtrassen  eine Milliarde für die Kabellösung fällig.

19 Jahre wurde am Hardangerfjord , einem riesigen Fjord im Südwesten des Lands in der Nähe von Ulvik und Norheimsund,  über diese beiden Trassenvarianten gestritten. Es war eine der längsten innenpolitischen Auseinandersetzungen in Norwegen. Letztlich haben sich die Netzbetreiber  durchgesetzt und es wird eine Überlandtrasse gebaut. Ob das bei den vielen folgenden Planungen auch so ausgehen wird, ist völlig offen.

Die schärfste Kritik kommt von der großen Industriegewerkschaft Industri Energi auch mit Umweltargumente. Sie  sieht  die Perlen der norwegischen Natur geopfert, den Tourismus bedroht. Wegen häufiger wechselnder Wasserstände in den Staubecken litten Biodiversität und Fischbestände. Der Hauptgrund ist allerdings: Sie lehnt eine Integration ihres Landes in das europäische Stromnetz ab, weil damit die jetzt sehr billigen Strompreise in Norwegen steigen würden. Das ist nämlich der einzige Standortvorteil für Norwegens Metallindustrie.

Axel (Quellen: Zeit 1.09.2011 und 16.09.2010, Spiegel 3.09.2007, Wikipedia)

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