Vom Werkbank-Lehrling zum Energie-Professor

In unserem Projekt „Auf dem Weg zur Energiewende“ stößt ViLE-Lübeck immer wieder auf Überraschungen. Eine solche Entdeckung ist die Lübecker Softwarefirma cbb Engineering. Der aus Afrika stammende Gründer Cecil Bruce-Boye begann seine berufliche Laufbahn als Lehrling, der an einer Siemens-Werkbank Metallstücke zurechtfeilen musste. Heute ist er Professor für Energietechnik an der Fachhochschule Lübeck.



                     Professor Bruce-Boye


Das Unternehmen cbb Engineering, das wir besuchten, ist sein Kind. Die Grundidee: Durch Software-Programme Verbindungen zwischen  verschiedenen Maschinen herzustellen, deren Tätigkeit aufeinander abgestimmt werden soll.

Viel Service wird der Autoindustrie geboten. Außerdem entwickelt das Unternehmen Software, die durch die Steuerung des Energieverbrauchs bei Industrie, Großunternehmen, Stadtwerken aber auch bei Privathaushalten Einsparungen erzielt. Dem Professor kam dabei sein Zweitstudium Automatisierungstechnik zu Nutze.

Das Unternehmen startete mit Testanlagen für neue Automodelle. Entwickelt wurden Programme, die unterschiedliche Prüfgeräte so miteinander verbanden, dass die Fahrzeuge auf dem Prüfstand dieselben Werte lieferten, als würden sie viele Kilometer Testfahrten auf den Straße unternehmen. Dann folgte die Entwicklung von Steuergeräten, mit denen heute jedes neue Kraftfahrzeug ausgestattet ist.

Die Erfahrung, verschiedene Maschinen oder Geräte elektronisch miteinander kommunizieren zu lassen, wendet cbb Engineering inzwischen auch auf die Energiewende an. Viele kleinere Energieeinheiten, die Strom verbrauchen oder erzeugen, verbindet man und steuert auf diesem Wege Verbrauch, Einsparungen und Netzstabilität.


Durch raffinierte Software zum „Global Player“


Das Lübecker Software Unternehmen cbb Engineering ist mittlerweile zum „Global Player“ geworden.

Inzwischen arbeitet cbb Engineering mit vielen Stadtwerken in Deutschland zusammen und entwickelt ständig neue Energieeinsparungsprogramme, die auch von der Großindustrie genutzt werden.

So hat sie zum Bespiel für den Hamburger Flughafen ein Energiemanagement-System entwickelt, dass den Stromverbrauch des gesamten Flughafens einschließlich aller Energienutzer erfasst. Es liefert sekundengenau Verbrauchsdaten und bietet bei Problemen mit der Stromversorgung automatisch die richtige Lösung an. So können kurzfristige Über- oder Unterversorgungen einzelner Flughafenbereiche ausgeglichen werden, ohne dass zusätzliche Strommengen bereitgestellt werden müssen.

Ein zweiter Schwerpunkt bei der Entwicklung von Energiesystemen sind virtuelle Kraftwerke. Mit der Stadt Ahlen und hat cbb Engineering ein intelligentes virtuelles Kraftwerk entwickelt. Mit dem hessischen Energie- Unternehmen Mainova wurde das erste Kraftwerk dieses Konzepts in Betrieb genommen.

Vorhandene Blockheizkraftwerke, Photovoltaik- und Windkraftanlagen wurden als virtuelles Kraftwerk miteinander verbunden. Eine Erweiterung durch Biogasanlagen und Geothermie ist vorgesehen.

So entstehen regionale Versorgungseinheiten, die relativ sicher und stabil sind. Zwar sind sie nicht netzunabhängig, aber sie benötigen keine Hochleistungsnetze, lassen sich also mit den herkömmlichen Stromnetzen betreiben. und sorgen so für eine sichere Nahversorgung.



ViLE-Lübeck beim Informationsbesuch

Das Projekt Norderstedt

Wie Verbundsysteme funktionieren können, kann man in auch Norderstedt erfahren. Dort hatten die Stadtwerke vorausschauend alle Haushalte mit Breitband-Kabelanschlüssen versehen. Sie boten die Möglichkeit einer Vernetzung der Haushalte mit den Stadtwerken, die den Strom liefern.

In dem Vorhaben, das technisch Smart-Grid-Projekt genannt wird, erhielten alle Haushalte intelligente Stromzähler. Sie sind ständig mit einer Zentrale der Stadtwerke verbunden, die den Gesamtverbrauch dieses Gebiets anzeigt und die Möglichkeit bietet, je nach Bedarf Strommengen an der Strombörse zu günstigen Preisen einzukaufen.

Gleichzeitig kann jeder Haushalt seinen Energieverbrauch ständig kontrollieren und in den verbrauchsarmen Zeiten zu kostengünstigen Preisen z.B seine Wasch- oder Spülmaschine laufen zu lassen. Es werden nicht nur Energie gespart und Kosten gesenkt. Auch der CO 2 Ausstoß wird reduziert und damit ein regionaler Beitrag zum Klimaschutz  geleistet.

Energiewende auf die Stromkonzerne ausgerichtet

Professor Bruce Boye wies in seinen Ausführungen darauf hin, dass die  Planung für die Energiewende bisher ganz auf die vier multinationalen Stromkonzerne ausgerichtet sei. Die Leitungstrassen würden als Voraussetzung angesehen. Doch damit entstünden zwangsläufig hohe Kosten. Seiner Meinung nach findet ein groß Teil der Energiewende in den Regionen statt, und dazu bedürfe es keiner riesigen Stromautobahnen über hunderte von Kilometern.

Aber die regionale Versorgung habe keine Lobby. Und die Angst der Politik, dass große Wirtschaftsräume und gesamte Industriezweige nicht ausreichend mit Strom versorgt werden sei - dank der Lobbyarbeit der Kraftwerksbetreiber - so groß, dass man die regionale, dezentrale Energieversorgung mit erneuerbarer Energie unbeachtet ließ.

Neben vielen anderen Produkten im Netz hat cbb Engineering auch das Online- Energieportal enwiso entwickelt. Beim Energieportal enwiso handelt es sich um eine Energieverbrauchserfassung als Software mit Service im Internet. Diese ging am 20. Dezember 2013 an den Start. Garantiert sei eine hohe Datensicherheit. Das Sytem enwiso unterstützt kleine und mittelständige Unternehmen bei der Reduzierung der Energiekosten, steigert die Wettbewerbsfähigkeit und minimiert gleichzeitig den CO2 Ausstoß.

Die zweistündige Veranstaltung bei cbb Engineering machte uns deutlich, wie vielfältig Lösungen bereits heute sein können. Die Ausführungen der beiden Referenten , Professor Bruce Boye und Thomas Zeitner, Chef der Verkaufsabteilung,  zeigten uns auch, gerade angesichts der momentanen politischen Entwicklung mit Russland und der Frage der Gas und Stromlieferungen aus den östlichen Staaten, wie wichtig eine autarke Energieversorgung mit erneuerbarer Energie für die Zukunft ist.
Text und Fotos: Horst, Axel (02.04.2014)

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