Wer bremst die Energiewende?

Als am 11. März 2011 die Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima geschah, da bekam man es in Deutschland mit der Angst zu tun. Die Physikerin Dr. Angela Merkel, die die Laufzeit der deutschen Atomkraftwerke um zehn bis 15 Jahre verlängern wollte, legte plötzlich das Ruder herum. Und ganz im Gegensatz zu ihrem Regierungsstil des Abwartens und Zögerns ging es ganz schnell. Die Energiewende wurde im Eilverfahren beschlossen.

Das war für ViLE-Lübeck der Start des Projekts „Auf dem Weg zur Energiewende“. Seitdem hat die Gruppe die Fortschritte aufgezeichnet, die Regierung, die Länder, Kommunen und die Industrie in dem Bestreben gemacht haben, vom Atomstrom unabhängig zu werden.

Das ergab zunächst ein recht positives Bild und ViLE-Lübeck hat über 70 Beiträge zu diesem Thema veröffentlicht. Doch die Nachrichten aus der Politik und aus der Energiewirtschaft wurden spärlich, seit nach der Bildung der Großen Koalition Sigmar Gabriel dem Umweltministerium die Energie weggenommen und seinem Bundeswirtschaftsministerium unterstellt hat.

Selbst die Medien kritisieren nun eine lustlose Energiewendepolitik. Es sei auffällig still geworden. Daher ist unsere Frage erlaubt:  Wer bremst die Energiewende?

Die Stromkonzerne beklagen, die Kosten der Energiewende und drohen mit der Abschaltung von 57 konventionellen Kraftwerken verbunden mit der Warnung vor Stromabschaltungen.

Das Bundeswirtschaftsministerium baut erst jetzt - nach zwei Jahren - Forschungsnetzwerke auf, die den Austausch zwischen Forschung, Praxis und Politik „vertiefen“ sollen. Außerdem will es, anstatt die Energiewirtschaft anzukurbeln, die privaten Haushalte durch ein „Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende“ zum Erwerb von intelligenten Stromzählern zwingen, die bis zu 100 Euro kosten.

In diesem Jahr sind zahlreiche Offshore-Windparks ans Netz gegangen.  Eigentlich eine positive Nachricht: Nach jüngsten Zahlen der Stiftung Offshore Windenergie sind inzwischen elf Windparks vollständig oder zum Teil mit einer Kapazität von rund 2.700 Megawatt am Netz. Das entspricht etwa mehr als zwei großen Atomkraftwerken.

Doch wohin mit dem Windstrom? Der Bau der erforderlichen Stromtrassen von Nord nach Süd in die Industriezentren ist teilweise ins Stocken geraten. Bayern will zwar die Vorteile nutzen, die Nachteile den benachbarten Bundesländern aufbürden und gilt als der Hauptbremser.

In 2014 hat der Netzbetreiber Tennet rund 200.000 Megawattstunden Strom aus Schleswig-Holstein ungenutzt lassen müssen - doppelt soviel wie 2013 – weil die Weiterleitungsmöglichkeiten in den Süden fehlen. Doch der Stromkunde muss den Windstrom trotzdem bezahlen.

Bisher wurden nach dem Energieausbaugesetz erst 479 von 1.872 km der Stromautobahnen  fertiggestellt. Vom Bundesbedarfsplangesetz sind erst 60 km gebaut. Im Plan stehen aber der Neubau von 2.800 km Freileitungen und 2.900 km Optimierung bestehender Leitungen.

Der bayerische Ministerpräsident und seine Wirtschaftsministerin verkünden den Bürgern zwar, die umstrittenen Starkstromtrassen  Südlink und Gleichstrompassage Süd-Ost würden überwiegend als Erdkabel anstelle von Freileitungen angelegt werden. Doch dafür muss erst der Bundesbedarfsplan geändert und durch den Bundestag, möglicherweise auch durch den Bundesrat gebracht werden.

Starkstrom-Erdkabel würden den Ausbau der Leitungen von Nord nach Süd um mindestens drei Jahre verzögern, sagen die Unternehmen. Und zahlreiche Risiken sind ungeprüft. So fehlen bisher Erfahrungen mit so starken Erdkabeln. Auch ist der Bau einer unterirdischen Stromautobahn sehr viel komplizierter als der einer Freileitung. Und die Kosten vervielfachen sich – zu Lasten der Stromverbraucher.

Auch das längste Unterwasserstromkabel der Welt zwischen Norwegen und Deutschland wird frühestens 2018 fertig. Über diese Verbindung soll Strom aus den norwegischen Stauseen ins Bundesgebiet übertragen werden. In der Gegenrichtung soll überzähliger Strom der deutschen Windkraftanlagen genutzt werden, um die Stauseen wieder aufzufüllen.

Die Energiekonzerne müssten zwar den Ausstieg aus dem Atomstrom einhalten. Aber inzwischen hat sich herausgestellt, dass sie die für den Abbau der Meiler erforderlichen Mittel nicht in der vorgeschriebenen Höhe angelegt haben. Soll der Bürger auch hier wieder zur Kasse gebeten werden? Schließlich betrugen nach einem Bericht des DIW Berlin die gesamten öffentlichen Ausgaben – also Steuermittel - für die Atomenergie bisher bereits etwa 53,8 Mrd. Euro.

Bisher steht fest, dass das seit Mitte 2007 wegen einer Pannenserie fast ununterbrochen still stehende Kernkraftwerk Krümmel 1 endgültig stillgelegt werden soll. Die Energiekonzerne beabsichtigen, auch andere Atommeiler vorzeitig stillzulegen – wegen Unwirtschaftlichkeit.

Unsere Bilanz: Für die privaten Haushalte werden die Stromkosten in den nächsten Jahren weiter steigen. Und es besteht die Gefahr, dass  die Energiewende zu einer unendlichen Geschichte wird. Aber darum muss sich die Politik nicht kümmern. Zunächst erfüllte die Griechenlandkrise den öffentlichen Diskussionsbedarf, nun ist es das Problem mit den Flüchtlingsmassen.

Horst (01.09.2015, Quellen: Bundesnetzagentur, Bundespresseamt, Frankfurter Rundschau, LN, Spiegel, SZ, Wiki, ZEIT)

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