Jugendkriminalität in Belgien

Belgien verfügt über wenig statistisches Material in Bezug auf Jugendkriminalität. Rund um Delikte wie Drogengebrauch, Hooliganismus und Ladendiebstahl wurden genauere Untersuchungen durchgeführt, die allerdings zu wünschen übrig lassen.

Belgien hat bereits vor langer Zeit das Strafrecht für unter 18-Jährige komplett abgeschafft. Es gilt das Subsidiaritätsprinzip (staatliche Unterstützung als Ergänzung zur Eigenverantwortung) der Strafe. Selbst bei schwerwiegenden Straftaten soll Bestrafung dort vermieden werden (auch wenn es Ausnahmen gibt).

Hilfe statt Strafe

Jugendwohlfahrt - grundsätzlich als freiwillige Hilfe ausgestaltet - und Intervention nach strafbarem Verhalten als unfreiwillige Hilfe können aber, anders als im gegenwärtigen Schweizer Modell, ineinander greifen. So kann der Staatsanwalt, wenn er es im Interesse des Jugendlichen für geboten hält, einen Jugendlichen, anstatt selbst zu intervenieren, an die freiwillige Hilfe übergeben.

Bei der Entscheidung darf die Tatschwere keine Rolle spielen; ausschlaggebend ist allein die Einsichtsfähigkeit des Jugendlichen, die bei bestimmten Massendelikten (Verkehr, Körperverletzungsdelikte) angenommen wird. Ist sie vorhanden, erfolgt eine Zuweisung an ein normales Strafgericht, das auch das allgemeine Straf- und Strafverfahrensrecht anwendet.

In den vergangenen Jahren wurde gezielt auf das subjektive Sicherheitsgefühl hingearbeitet. Der durchschnittliche Belgier empfindet auf der Straße streunende Jugendgruppen als störend und bedrohend.

Oft verhält er sich anklagend gegenüber ausländischen Jugendlichen, was den Anstoß für eine Untersuchung über den Anteil Jugendlicher ausländischer Herkunft in der Kriminalitätsstatistik gab. Diese Untersuchung durch das Justizministerium zeigte, dass es große Unterschiede zwischen den verschiedenen Jugendgruppen gibt. So wurde festgestellt, dass es sich vor allem um Osteuropäer, Türken und Marokkaner handelt. Die Untersuchungsbeauftragten plädieren für eine unterschiedliche Vorgehensweise bei verschiedenen Gruppen.

Durch Jugendliche begangene Verbrechen sind Angelegenheit des Bundes und fallen in die Zuständigkeit des Justizministeriums. Jugendpolitik und Sozialpolitik, beide mit einer wichtigen Präventionsfunktion, sind Befugnis der Gemeinschaften. Zwischen der flämischen Regierung und dem Justizministerium ist ein Abkommen über eine bessere Zusammenarbeit in den Bereichen Soziales und Justiz unterschrieben worden. In diesem Zusammenhang wird der Wunsch nach Jugendgefängnissen, der Vermittlung zwischen Tätern und Opfern, der Nutzung von alternativen Sanktionen für jugendliche Straftäter sowie Strafarbeit und neue Strafformen mit resozialisierendem Charakter geäußert. Diese Maßnahmen werden auch in den anderen Gemeinschaften diskutiert und durchgeführt.

Die Französischsprachige Gemeinschaft befasst sich mit dem Thema, indem sie an verschiedenen Gesprächen am runden Tisch mit dem Justizministerium teilnimmt, wo die Problematik aufgrund unterschiedlicher Ansätze angegangen wird (Vorbeugung, Jugendkriminalität, Diskussionen über die öffentlichen Einrichtungen der Heimunterbringung für straffällige Jugendliche, Jugendhilfe, Einrichtung verschiedener Arbeits- und Studiengruppen).

Es wurde festgestellt, dass in der Hauptstadt 1.027 Jugendliche, die Hälfte davon minderjährig, Mitglied in einer der 86 kriminellen Banden sind, die vor allem auf Einbrüche, Überfälle und Car-Jacking spezialisiert sind. Eine Untersuchung der Staatsanwaltschaft deutet auf eine eindeutige Verbindung mit dem Mafiamilieu, das durch Erwachsene geleitet wird, hin.

Der Durchschnittshooligan vor zehn Jahren (Fußballsaison 91-92) war im Schnitt 21 Jahre alt. Fünf Jahre später war er im Durchschnitt 26 Jahre alt. Die Zunahme minderjähriger gewalttätiger Fußballfans ist eher gering.

(Autor: Horst, Quellen: Datenbank für internationale Jugendarbeit, ZEIT online 03/08, DVJJ)

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