Ungeteilte Freundschaft

Keine Kontakte zum anderen Deutschland

Ich gehöre zu den Westdeutschen, die keine verwandschaftlichen Kontakte in Ostdeutschland hatten. Das habe ich bedauert, wurde doch während meines Studiums in den 70er Jahren viel politisch diskutiert und ich hätte mir gerne, den real existierenden Sozialismus in der DDR , mal aus der Nähe angesehen.

Die Gelegenheit es kennenzulernen

Nach Studienende 1987 arbeitete ich bei einer Kirchengemeinde, die eine langjährige Patenschaft mit einer Kirchengemeinde in Thürigen unterhielt. Ich konnte an einem Besuch dorthin teilnehmen. Wir waren bei Mitgliedern der dortigen Kirchengemeinde untergebracht. Meine Gastfamilie war die, der Katechetin der Gemeinde, die mit viel Engagement, neben der Schule,die Kinder in Christenlehre unterrichtete. Sie lebte mit ihrem Mann, der im nahen Kalibergwerk arbeitete in einer 3 Zimmerwohnung. Ihre Kinder waren erwachsen und ungefähr in meinem Alter.

Erinnerungen an Kindheit

Als wir am Abend noch einen Spaziergang durchs Dorf machten, da spürte ich ganz tiefe kindliche Gefühle. Es war, als wäre in dem kleinen Bauerndorf die Zeit stehengeblieben. Die alten Fachwerkhäuser und die Dorfstraße mit den vielen Schlaglöchern, erinnerten mich an das Dorf im Sauerland, in dem ich aufgewachsen war und dass sich in den vergangenen Jahren natürlich sehr verändert hatte.

Ein lebendiger Austausch

Von diesem 1.Besuch ist mir vor allem die Offenheit unserer Gespräche in Erinnerung. Der Stoff dafür ging uns nie aus.Wir konnten auch über die ungelösten Fragen sprechen. Es war eine gute Begegnung mit dem real existierenden Sozialismus, nichts war ideologisch gefärbt. Die Katechetin hatte sich niemals einen anderen Platz vorstellen können, als den an dem sie lebte. Sie war tief verwurzelt und verbunden mit den Menschen in ihrer Kirchengemeinde und ihrem Dorf. Einzig, dass ihre Bewegungsfreiheit so beschnitten war, das empfand sie als große Einschränkung.

Der Gegenbesuch in Darmstadt

Wie schön, als sie sich ein Jahr später - sie und ihr Mann hatten das Pensionsalter erreicht - zum Gegenbesuch aufmachen konnten. Dieser Aufenthalt in Darmstadt, das Zeigen der Umgebung und ein Besuch im Elsass, blieben ebenfalls unvergesslich. Sie lernten nun meine Familie kennen, mit Kindern im Alter ihrer Enkel. Was sie am stärksten beeindruckte, dass war das Zusammenleben mit Menschen so unterschiedlicher Kulturen. Durch die Technische Universität leben in Darmstadt Studenten aus aller Herren Länder. Der Himmel meinte es gut mit uns, die Tage verflogen und es blieb ein Fotoalbum mit strahlenden Erinnerungsbildern.

Ein anderer Grenzübertritt

Noch vor ihrer Rückreise planten wir unseren Besuch in Thüringen. Wir erhielten von ihnen die Einladung, um unsere Visa zu beantragen. Mit den Visa in der Tasche fuhren wir im Oktober 1989 los. Doch statt der üblichen angsteinflößenden Kontrollen am Grenzübergang, wurden wir einfach durchgewunken. Die Freunde erwarteten uns voll freudiger Spannung, nicht nur ob unseres Besuches, sondern auch in der Hoffnung, dass die Grenze nun wirklich geöffnet würde. So war es für sie nun möglich Dörfer im nahen Grenzgebiet zu besuchen, zu denen ihnen über Jahrzehnte der Zutritt untersagt war. Mein Sohn wurde im Trabbi auf eine Spritztour ins Grenzgebiet mitgenommen und bekam bei dieser Gelegenheit von den freundlichen Nachbarn jenseits der Grenze Bananen geschenkt.

Es war eine solch bewegende Freude und Aufbruchstimmung zu spüren. Unsere Freundschaft, die bei geschlossenen Grenzen ihren Anfang genommen hatte, blieb unverändert lebendig bis heute.

Maria Schmelter, August 2019

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