Wiedervereinigung meiner Familie

Bald nach dem Krieg sind meine Eltern mit mir von Erfurt in den Westen gezogen. Meine Großeltern und meine beiden Tanten blieben in Erfurt.

Die verwitwete Schwester meines Vaters lebte mit meiner Großmutter zusammen. Sie war völlig unpolitisch und arbeitete als Leiterin eines Kinderhorts. Ihre Wohnverhältnisse waren bis zur „Wende“ katastrophal: Es musste mit Briketts geheizt werden, es gab weder ein Bad noch einen Boiler für heißes Wasser. Die Toilette befand sich außerhalb ihrer Zweizimmerwohnung. Meine Eltern schickten Pakete mit Kaffee und ähnlichem, ich besuchte sie oft und sie konnte uns im Rentenalter besuchen.

Die Schwester meiner Mutter heiratete unmittelbar nach dem Krieg. Sie und ihr Mann bekamen vom Staat die Möglichkeit zu studieren. In der Folgezeit arbeiteten beide als Funktionäre für Parteiorganisationen. Sie hatten einen Sohn, meinen Cousin.

Als „Parteigenossen“ wollten oder konnten sie keinen direkten Kontakt mit uns in der BRD aufrechterhalten. Es gab keinen Briefwechsel und natürlich auch keine persönlichen Kontakte.

Mit der Wende verbesserten sich die Wohnverhältnisse meiner väterlichen Tante. Sie konnte in eine von einem Westdeutschen renovierte moderne Wohnung ziehen. Wollte man sich besuchen, musste kein Antragsverfahren durchlaufen werden.

Jetzt kam es auch wieder zu einem Kontakt mit der Familie meiner mütterlichen Tante. Die Schwestern besuchten sich, fuhren mit ihren Familien gemeinsam in Urlaub, telefonierten, nahmen aneinander Anteil. Ich lernte meinen Cousin mit seiner Familie kennen, wir besuchten uns wechselseitig.

Für unsere Familien war die Wiedervereinigung ein großes Glück.

Annemarie

Zurück