Ein Vergleich: Wo gibt es Mindestlöhne ?

 

Über Mindestlöhne wird in Deutschland viel gestritten. Befürworter sagen, sie stabilisieren das Einkommen von Geringverdienern und schützen Betriebe vor Sozialdumping. Gegner behaupten, Mindestlöhne würden Arbeitsplätze vernichten – ein Argument, das viele Diskussionen erstickt. Die Beobachtungen in den anderen EU-Ländern zeigen jedoch bisher, dass negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in der Regel nicht aufgetreten sind. Das jedenfalls besagt eine aktuelle Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung, die in Kooperation mit Wissenschaftlern aus mehreren europäischen Staaten entstand.

Von den Nachbarstaaten Deutschlands haben bisher nur Dänemark, Österreich und die Schweiz keine gesetzlich festgelegten Mindestlöhne. Teilweise werden sie durch Tarifverträge geregelt, sodass die Mindestlohnsicherung im Wesentlichen von der Tarifbindung abhängt.

In vielen EU-Ländern hat die Wirtschaftskrise dazu geführt, dass die gesetzlichen Mindestlöhne eingefroren wurden. Wie sieht es mit den Mindestlöhnen bei unseren Nachbarn aus? Wir haben nachgeforscht.

Belgien

In Belgien einigten sich 1975 die Dachverbände von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in einem branchenübergreifenden Tarifvertrag auf die Einführung eines nationalen Mindestlohns. Der Erlass des Königs erklärte dies für rechtsverbindlich. Mit automatischem Inflationsausgleich und tarifvertraglicher Aushandlung werden Erhöhungen realisiert. Derzeit liegt der gesetzliche Mindestlohn für Beschäftigte ab 18 Jahren im Königreich bei 8,41 Euro pro Stunde. Er wird von keiner relevanten sozialen Kraft in Frage gestellt.
Margret (Quellen: initiative-mindestlohn.de, Hans-Böckler-Stiftung)

Dänemark

Ein Mindestlohn für alle ist in Dänemark nicht gesetzlich festgeschrieben. Es gibt nur einzelne Branchen-Tarifverträge mit Mindestlöhnen, deren Einhaltung von den Gewerkschaften überwacht wird. Grundsätzlich wird von den dänischen Gewerkschaften verlangt, dass dänischer Tariflohn gezahlt wird. Im wirtschaftlich boomenden Dänemark bekommt derzeit fast niemand weniger als 90 Kronen (12 Euro).

Deutschland ist eine Billigkonkurrenz

In der dänischen Fleischwirtschaft sind im vergangenen Jahr nicht weniger als 2.600 Stellen abgebaut worden. Danish Crown, eines der größten Schlachtunternehmen der Welt, hat die Stellen in das „Niedriglohnland“ Deutschland verlagert.

„Deutsche Billiglöhne von unter zehn Euro pro Stunde für Fachkräfte führen zunehmend zu Wettbewerbsnachteilen für die dänischen Schlachtbetriebe“, beklagte Ole Wehlast, Präsident der dänischen Nahrungsmittelgewerkschaft (NNF) bei einem Treffen mit der deutschen Gewerkschaft Nahrung -Genuss-Gaststätten (NGG) in Hamburg.

In Dänemark sind die meisten Fachkräfte der Branche gewerkschaftlich organisiert. Der tarifliche Stundenlohn liegt bei rund 20 Euro und wird bei einer Tarifbindung von über 90 Prozent in fast der gesamten Branche gezahlt. Dagegen wird im Nachbarland Deutschland zu Dumpinglöhnen zwischen fünf und neun Euro in der Schlachtindustrie gearbeitet.
Annegret (Quellen: initiative-mindestlohn.de, tagesschau.de/wirtschaft)

Deutschland

In der Bundesrepublik Deutschland In Deutschland gab es bisher keinen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn, der für alle Beschäftigten gilt,  unabhängig davon, ob für sie ein Tarifvertrag besteht oder nicht. Es wurden bisher Mindestlöhne für bestimmte Branchen eingeführt. Sie sind an die Laufzeit der jeweiligen Tarife gebunden, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein können. Die im Dezember 2013 gebildete neue Bundesregierung will einen einheitlichen Mindestlohn von 8,50 Euro ab 2015 einführen. Ausnahmen soll es noch einige Jahre geben.

Mindestlohn nach Tarifvertrag

Die bisher in den Tarifverträgen vereinbarten Löhne, Gehälter und Entgelte sind Mindestvergütungen, die nicht unterschritten werden durften. Sie  galten aber nur für Gewerkschaftsmitglieder und die Mitglieder des Arbeitgeberverbandes bzw. des Unternehmens, das den Tarifvertrag abgeschlossen hat.

Allgemeinverbindliche Tariflöhne

In wenigen Branchen wurden die tariflich vereinbarten Löhne und Gehälter durch den Bundes- bzw. die Länderarbeitsminister für allgemeinverbindlich erklärt, z. B. für einige Tarifbereiche des Friseurgewerbes, des Wach- und Sicherheitsgewerbes sowie des Gebäudereinigerhandwerks.

Tarifliche Mindestlöhne nach dem Entsendegesetz

In einigen Bereichen gibt es tarifliche Mindestlöhne, die nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz für allgemeinverbindlich erklärt wurden. Sie erfassen auch Betriebe aus dem Ausland, die Arbeitnehmer/innen in Deutschland beschäftigen und wollen damit ein Lohndumping verhindern. Für folgende Branchen gibt es solche Mindestlöhne:

Abfallwirtschaft,
Bauhauptgewerbe,  
Bergbauspezialarbeiten,  
Briefdienstleistungen,
Dachdeckerhandwerk (neuer Mindestlohn beantragt),
Elektrohandwerk,
Gebäudereinigerhandwerk (neuer Mindestlohn beantragt),
Maler- und Lackiererhandwerk
Wäschereidienstleistungen.

Neu ins Entsendegesetz wurden 2009 aufgenommen, aber noch nicht für allgemeinverbindlich erklärt:

Berufliche Aus- und Weiterbildung,
Pflegedienste (Altenpflege),
Wach- und Sicherheitsgewerbe.

Von 2012 an gibt es Mindestlöhne auch für die Zeitarbeit. Er  beträgt 7,01 Euro pro Stunde in den neuen Bundesländern und 7,89 Euro in den alten Bundesländern.

So sehen die Mindestlöhne bisher aus

Es gelten im Bauhauptgewerbe in den alten Bundesländern derzeit in der Lohngruppe 1 Mindeststundenlöhne von 11,05 Euro, in der Lohngruppe 2  von 13,70 Euro. In den neuen Bundesländern gibt es nur die Lohngruppe 1. Mindestlohn ist 10,25 Euro.

Gerüstbauer haben im gesamten Bundesgebiet einen Mindestlohn von 10,00 Euro.

In der Abfallwirtschaft ist der Mindeststundenlohn auf 8,68 Euro festgesetzt.

Das Dachdeckerhandwerk hat im Bundesgebiet einen Mindeststundenlohn von 11,20 Euro.

Im Elektrohandwerk ist in den alten Bundesländern Mindeststundenlöhne von 9,90 Euro festgelegt, in den neuen Bundesländern und Berlin liegen  sie bei 8,85 Euro.

Das Gebäudereinigungshandwerk zahlt in den alten Bundesländern für die Arbeitnehmer Stundenlöhne zwischen 9,31 und 12,33 Euro, in den neuen Bundesländern von 7.96 bis 10,31 Euro.

Im Maler- und Lackiererhandwerk ist es ähnlich: 9,90 pro Stunde für ungelernte in den alten Bundesländern, 12,15 für gelernte Arbeitnehmer (Gesellen). In den neuen Bundesländern gibt es ohne Unterschied pro Stunde von 9,90 Euro.

In den neu ins Entsendegesetz aufgenommenen Branchen, für die die Mindeststundenlöhne noch nicht als allgemeinverbindlich erklärt wurden, werden folgende Zahlen genannt:

In der Beruflichen Aus- und Weiterbildung für Verwaltungsangestellte West 13,00 Euro und 11,65 Euro im Osten.

Im Wach- und Sicherheitsgewerbe  gibt es in den Bundesländern unterschiedliche Mindeststundenlöhne zwischen 7,50 und 8,90 Euro.

wp (17.12.2013, Quellen: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, WSI Böckler Stiftung)

Frankreich

In Frankreich gibt es einen allgemein garantierten, gesetzlichen Mindestlohn, den SMIC - salaire minimum interprofessionnel de croissance. Er wird der von der Regierung entsprechend der allgemeinen Lohnentwicklung regelmäßig festgesetzt.

Der SMIC garantiert den Arbeitnehmern nicht nur ein Existenzminimum, er soll auch "die Teilhabe an der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes" sichern.

Der SMIC bestimmt den Stundenlohn, unter dem laut Gesetz niemand beschäftigt werden darf. Er wird ab 2010 jährlich zum Jahresbeginn festgelegt. Der Mindestlohn wird anhand des Verbraucherpreisindex und der Lohnentwicklung ermittelt, wobei neben der jährlichen Anpassung bei Überschreitung einer Inflationsrate von mehr als 2 % eine frühere Erhöhung erfolgt.
Die Erhöhung des SMIC darf nicht niedriger ausfallen als die Hälfte der Erhöhung der Kaufkraft der vom Arbeitsministerium festgestellten durchschnittlichen Stundenlöhne.

Ausnahmen von der Mindestlohngrenze sind nur für bestimmte Gruppen zulässig, für Jugendliche unter 18 Jahren mit weniger als sechs Monaten Berufserfahrung, für junge Auszubildende, für Jugendliche, die vor der Berufsausbildung ein Praktikum absolvieren sowie für Behinderte.

Mindestlohn-Minimalrunde

Die französische Regierung beschloß angesichts der Wirtschaftskrise eine Mindestlohn-Minimalrunde. Der SMIC wurde zum 1. Januar 2014 auf 9,53 Euro erhöht. Der Monatslohn beträgt damit aufgrund der gesetzlichen 35-Stunden-Woche monatlich brutto 1445,38 Euro, nach Abzug aller Abgaben netto 1113,00 Euro.

Der Festlegung durch die Regierung geht stets eine Empfehlung der aus Vertretern der Regierung, der Arbeitgeber und der Gewerkschaften bestehenden Kommission Commission Nationale de la Negociaton Collective (CNNC) über die zukünftige Entwicklung des Mindestlohns voraus, an welche die Regierung allerdings nicht gebunden ist. Die Regierung kann jederzeit eine Erhöhung des SMIC beschließen.
Ingrid (Quellen: botschaft-frankreich.de, pr-inside.com)

Luxemburg

Luxemburg hat den höchsten Mindestlohn in Europa. Er wird per Gesetz festgelegt und unterliegt in Form einer Indextranche einer Anpassung an die Inflation. Fast 11 Prozent der Arbeitnehmer in Luxemburg erhalten einen Mindestlohn. Unterschieden wird zwischen sogenannten “qualifizierten” und “unqualifizierten” Arbeitnehmern. Als qualifiziert gilt man, wenn man entweder studiert hat, eine Ausbildung plus zwei bis fünf Jahre Berufserfahrung - oder aber zehn Jahre Berufserfahrung nachweisen kann.

Nach dem aktuellen Stand vom 1. März 2009 liegt der Mindestlohn in Luxemburg bei 1.682 Euro brutto monatlich, qualifizierte Arbeitnehmer müssen mindestens 2.019,31 Euro brutto jeden Monat erhalten. Jugendliche im Alter von 15 bis 16 Jahre müssen monatlich mindestens 1.262,07 Euro brutto verdienen, im Alter von 17 bis 18 Jahre gibt es ein minimum von 1.346,21 Euro.

Zuletzt wurden die Mindestlöhne nach dem festgelegten Index am 1. März 2009 erhöht. Alle Gehälter, aber auch die Renten, wurden um 2,5 Prozent angehoben. Wann die nächste Indextranche fällig ist, steht noch nicht fest. Angaben der luxemburgischen Statistikbehörde Statec zufolge wird es nicht vor dem dritten Quartal dieses Jahres zu einer Anpassung kommen – darüber entscheiden die im März stattfindenden Tripartie-Gespräche.
Gerd (Quellen: Eurostat.= Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften)

Niederlande

In den Niederlanden gibt es seit fast 40 Jahren einen gesetzlichen Mindestlohn, die Höhe der Sozialhilfe ist daran gekoppelt. Festgesetzt wird ein gesetzliche Mindestlohn (wettelijk minimumloon) für Arbeitnehmer ab 23 Jahren und ein gesetzliche Mindestjugendlohn (wettelijke minimum jeugdloon) für Arbeitnehmer unter 23 Jahren, der sich je nach Alter auf 30 Prozent bis 85 Prozent des allgemeinem Betrags beläuft. Der Mindestlohn wird im Prinzip zweimal jährlich, nämlich am 1. Januar und am 1. Juli, der Entwicklung der Tariflöhne angepasst.

Ab Juli 2009 betrug für einen Arbeitnehmer ab 23 Jahren der Bruttomindestlohn bei Vollzeitbeschäftigung 1356,60 Euro. Es ist nicht gesetzlich festgelegt, wie viel Arbeitsstunden eine Vollzeitbeschäftigung umfasst, in der Regel sind es 36 oder 38 Stunden pro Woche. Somit ist der Mindestlohn pro Stunde 8,70 Euro beziehungsweise 8,24 Euro.

In den Niederlanden sieht man die Verknüpfung der Sozialhilfe mit der Höhe des Minimumgehaltes "als eine Basis des nationalen Lohngebäudes", wie Paulus Plas, Sprecher der FNV, dem Dachverband der Gewerkschaften, laut STERN erläuterte. "Niemand will dieses System zur Zeit verändern" habe Roelof van der Kooij im Namen des Arbeitgeberverbandes VNO-NCW bestätigt.

Seit der Einführung des Gesetzes gab es in den Niederlanden eine normale Lohnentwicklung. Der Mindestlohn verursachte kein Ansteigen der Produktionskosten, wie in der deutschen Diskussion um die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns befürchtet wird. Der niederländische Mindestlohn gehört zu den höchsten in der EU. Dennoch waren 2007 nur vier Prozent der Geringqualifizierten arbeitslos - in Deutschland waren es im gleichen Jahr 18 Prozent.
Ewald/wp (Quellen: stern, eu-info.de, wikipedia, bln.niederlande.de)

Österreich

Die österreichischen Dachverbände von Arbeitgebern und Gewerkschaften haben 2007 in einer Rahmenvereinbarung beschlossen, dass in allen Tarifverträgen die unterste Tarifgruppe nicht unter 1.000 Euro pro Monat liegen darf. Bei einer durchschnittlichen tariflichen Wochenarbeitszeit von 39 Stunden entspricht das einem Mindeststundenlohn von 5,92 Euro. Der Mindestlohn soll über die Branchenkollektivverträge, denen über 95 Prozent der Arbeitnehmer angehören, umgesetzt werden. Lohngruppen unter 1.000 Euro dürfen nur noch für Lehrlinge und Praktikanten bestehen.
Wp (Quellen: doku.iab.de, Tagesschau.de)

Polen

In Polen gibt es etwa zehn Jahren einen Mindestlohn. Er wird ein- bis zweimal jährlich an die allgemeine Preisentwicklung angepasst. Er wurde 2010 um 3,2 Prozent erhöht und beträgt zur Zeit umgerechnet 306,13 Euro, der Mindeststundenlohn 1,77 Euro.

Nur eine geringe Zahl der polnischen Arbeitnehmer bezieht den Mindestlohn, 2006 waren es 2,27 Prozent, in der Mehrzahl Frauen. Oft wird der Mindestlohn unterlaufen.
Dorothee/wp (Quellen: infoseite-polen.de, Arbeit-EU.info)

Schweiz

In der Schweiz haben die dortigen Gewerkschaften über Jahre hinweg eine tarifpolitische Mindestlohnkampagne organisiert, die jedoch an Grenzen gestoßen ist. Mehrere Schweizerische Gewerkschaften haben deshalb den Beschluss gefasst, im Jahr 2010 eine Mindestlohn-Volksinitiative zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in der Schweiz durchzuführen.

Die Gewerkschaft Unia tritt dafür ein, dass der Mindestlohn etwa zwei Dritteln des Durchschnittslohns entsprechen soll, was derzeit 3600 Franken bei 13 Monatslöhnen und 3900 Franken bei 12 Monatslöhnen entsprechen würde.
Wp (Quellen: SF-Tagesschau, NZZ)

Tschechien

Da tschechische Arbeitsgesetzbuch garantiert allen Arbeitnehmern Mindestlöhne. Zuschläge, wie Überstunden, werden darauf nicht angerechnet. Die Mindestlohntarife sind durch eine Regierungsverordnung in zwölf Stufen eingeteilt. Tarifstufe 1 gilt für einfachste Arbeiten, Stufe 12 für anspruchvollste Arbeit ist ca. 2,25 Mal höher.

Seit der letzten Erhöhung 2008 beträgt der Mindestlohn in Tschechien nach EU-Angaben umgerechnet 298,52 Euro monatlich, der Mindeststundenlohn 1,80 Euro.
Friedel/Wp (Quellen tschechien-online, eu-mindestloehne_info)

(wird fortgeführt)

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