EU untersucht Jugendstrafrecht-Systeme

Die Jugendstrafrechtssysteme in Europa sind sehr unterschiedlich. Die Europäische Union fördert daher im Rahmen ihres AGIS-Programms ein Projekt mit dem Namen „Jugendstrafrechtssysteme in Europa – aktuelle Situation, Reformentwicklungen und 'gute Praxismodelle'„. Es hat einen aktuellen Vergleich der Systeme zum Ziel. Beteiligt sind Jugendstrafrechtsexperten aus ganz Europa.

Viele europäische Jugendstrafrechtssysteme haben in den vergangenen 15 Jahren starke Veränderungen erlebt. Das liegt zum einen daran, dass der soziale Umbruch in den mittel- und osteuropäischen Ländern durch die Verpflichtung zur Einhaltung internationaler Standards (z. B. des Europarats und der Vereinten Nationen) Änderungen durchgeführt haben. Zum anderen sind aber in jüngerer Zeit auch in den westeuropäischen Staaten neue – unterschiedliche und teilweise gegensätzliche – kriminalpolitische Ansätze im Jugendstrafrecht erkennbar: In England und Wales, aber auch in den Niederlanden zeigen sich neoliberale Tendenzen, während z. B. in Deutschland das Konzept der aufgrund der Episodenhaftigkeit bzw. des Bagatellcharakters der „normalen“ Jugendkriminalität begründeten „minimalen Intervention“ (z. B. durch den Vorrang der Diversion und des Erziehungsgedankens) verteidigt wird. In vielen Ländern wurden und werden so genannte „restorative justice“-Elemente (Wiedergutmachung, Familienkonferenzen etc.) in das Jugendstrafrecht integriert.

Für die künftige Entwicklung in Ost- und Westeuropa stellen sich viele Fragen. Gibt es die Möglichkeit einer Harmonisierung der unterschiedlichen Vorschriften zu einem einheitlichen „Europäischen Jugendstrafrechtssystem“? Wäre eine solche Vereinheitlichung sinnvoll? Und wenn ja, welche Orientierung und welche Zielsetzungen sind angebracht?

Um diese und weitere Fragen zu bearbeiten, werden im Projekt „Juvenile justice systems in Europe – current situation, reform developments and good practices“ rund 40 Wissenschaftler aus den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nach einer vorgegebenen Struktur einen Landesbericht zur allgemeinen Entwicklung des Jugendstrafrechts in Gesetzgebung und Praxis verfassen (erste Projektphase, 2007). In einer zweiten Projektphase (2008) werden „gute Praxismodelle“ vorgestellt und ihre Übertragbarkeit auf andere Länder überprüft. Auf drei gemeinsamen Konferenzen werden die Berichte ausgewertet. Zum Abschluss des Projektes werden umfassende Ergebnisberichte publiziert, so dass zum einen ein detaillierter wissenschaftlicher Kenntnisstand zu den einzelnen Jugendstrafrechtssystemen in Europa der interessierten Öffentlichkeit zugänglich wird – und zum anderen die eingangs gestellten Fragen beantwortet werden können.

Die erste Projekttagung fand im Juni 2007 in Greifswald statt. Die zweite ist für das Frühjahr 2008 in Verona (Organisator: Institut Don Calabria und Universität Verona), die dritte für den Herbst 2008 in Murcia (Organisator: Fundación Diagrama) geplant.

Die Projektleitung und –koordination liegt in den Händen des Lehrstuhls für Kriminologie, Greifswald.

(Quelle: http://www.rsf.uni-greifswald.de/duenkel/forschung/laufende-eu-projekte/jugendstrafrechtssysteme.html)

Weitere Beiträge zur Jugendkriminalität in den Rubriken der einzelnen Länder.

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