Die Gefahren des Betreuungsrechts

Schon einmal vom Betreuungsgesetz gehört? Es ersetzt das frühere Entmündigungsverfahren. Wer das in der Fassung von 2005 gültige Gesetz  noch nicht kennt, sollte sich schleunigst informieren. Denn es ist ein so kompliziertes und für den Laien undurchsichtiges Gesetz, dass man schnell von den Beziehungen zu seinen Angehörigen abgeschnitten werden kann.

Ein Beispiel: Eine Frau eilt zu ihrem schwer verunglückten Ehemann in die Klinik und erhält von den Ärzten keine Auskunft über seinen Zustand. Das wird mit der ärztlichen Schweigepflicht begründet. Sie kann nur aufgehoben werden, wenn die Frau eine Vorsorgevollmacht ihres Mannes vorweist, die die Ärzte von der Schweigepflicht entbindet. Eine rechtliche Vertretung ist selbst unter Eheleuten ohne Vollmacht nicht möglich.

Die Zahl der Menschen, die durch Demenz, Krankheit, Unglück, Drogenkonsum, Psychosen oder andere Einflüsse handlungsunfähig geworden, steigt ständig. Im Bundesgebiet sind es etwa 1,3 Millionen. Für sie werden von den Betreuungsgerichten amtliche oder ehrenamtliche Betreuer eingesetzt. Sie können für die Betreuten handeln, müssen sich aber schwerwiegende Entscheidungen – z. B. Kündigung des Wohnrechts oder Operationrisiko -  vom Gericht bestätigen lassen und einmal jährlich eine Berichterstattung vorlegen.

ViLE-Lübeck lud den Vorsitzenden des Vereins für Betreuung und Selbstbestimmung Bernd-Michael Schumann zu einem Gespräch ein, um Klarheit über das Betreuungsrecht zu gewinnen. Das Ergebnis: Jeder sollte eine Vorsorgevollmacht für eine Person seines Vertrauens – z. B. Verwandte oder Freunde -  verfassen. Sie kann formlos sein und sollte regelmäßig bestätigt werden.

Gibt es keinen nahestehenden und vertrauenswürdigen Menschen, sollte der Betreffende eine Betreuungsverfügung ausstellen, die erheblich umfangreicher verfasst werden müsste, um einem amtlich bestellten Betreuer auch für etwaige Entscheidungen Anhaltspunkt über die Lebenseinstellung und Wertevorstellungen des Betreuten zu geben.
Das Betreuungsgesetz hat so viele Regelungen und Bestimmungen, dass das Bundesjustizministerium allein 60 Seiten eines DIN A4-Heftes benötigt, um alle Fragen zu beantworten. Die Broschüre kann im Internet bestellt werden unter https://www.bmj.de/DE/Service/Kontakt/kontakt_node.html

Die Mitglieder des Lübecker Betreuungsvereins sind durchweg ehrenamtlich tätig und werden geschult. Der Verein erhält Zuschüsse von der Stadt und von der Landesregierung. Der Verein berät hilfesuchende Bürger und übernimmt auch die Aufbewahrung von Betreuungsverfügungen.

Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung sind  aber nur eine Seite der erforderlichen Willenserklärungen. Auch eine Patientenverfügung sollte nicht fehlen. Und ein Betreuer muss angewiesen werden, dieser auch Geltung zu verschaffen. Wie beim Betreuungsrecht gibt es auch bei der Patientenverfügung  umfangreiche Einzelbestimmungen, die im Paragraph 1901 a BGB festgelegt sind.

Die Patientenverfügung muss heute präzise abgefasst sein. Unbestimmte Formulierungen wie „Ich wünsche keine Apparatemedizin“ werden von den Gerichten nicht mehr anerkannt.

Meine Ansicht: Auch bei Betreuung und Patientenverfügung gibt es einen Paragraphendschungel, der den Bürger überfordert. Der Artikels 6 des Grundgesetzes, dass Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung stehen, findet darin nur wenig Berücksichtigung. Eine Vereinfachung des Gesetzes erscheint dringend geboten.

P.S.: Nun doch Gesetzesänderung

Die letzten Zeilen waren kaum geschrieben, da überraschte das Bundesjustizministerium die Öffentlichkeit mit einem Gesetzentwurf zur Änderung des Betreuungsrechts. Aber auch diese Änderung, so heißt es in der Pressemitteilung des Ministeriums, sei nur ein erster Schritt zu einer weiterzuführenden Diskussion über notwendige Veränderungen im Betreuungsrecht.

Der Entwurf, am 6. März vom Bundeskabinett beschlossen, sieht vor allem eine Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörden vor. Sie sollen künftig vor Bestellung eines Betreuers angehört werden. um die Bestellung eines rechtlichen Betreuers – soweit möglich – zu vermeiden. Gleichzeitig will man durch Bevorzugung von ehrenamtlichen Betreuern die Kosten für die Justizkassen der Länder senken.

Die Betreuerbehörden sollen künftig verpflichtet werden, über allgemeine betreuungsrechtliche Fragen zu informieren und zu beraten, auch über Hilfen, bei denen kein Betreuer bestellt wird.

Horst (05./07.03.2013)

Kommentar von Margret |

Allein durch die Überschrift sah ich mich aufgefordert, den langen Artikel bis zum Ende durchzulesen und nach den möglichen Gefahren des Betreuungsrechts zu suchen.
Welche Gefahren drohen mir? Das wollte ich wissen.

"Das komplizierte Gesetz kann in Notfällen zu großen Problemen führen."
Das sollte kritisch hinterfragt werden.
Allein, dass in einem Notfall ein dem Arzt unbekannter Ehepartner berechtigterweise keine Auskunft erhält, geht keine Gefahr vom Betreuungsrecht aus.
Wir alle leben in einem Staat, der im europäischen Vergleich ein anerkannt hohes Maß an sozialer Verantwortung und Sicherheit zur Verfügung stellt, um uns Bürger zu schützen.
Der Staat sind wir, d.h. auch wir haben unsere Verantwortung für uns zu übernehmen, sprich Vorsorge zu treffen.

Kein Verkehrsteilnehmer kennt das gesamte Straßenverkehrsgesetz, sondern hat sich mit den wichtigsten Verkehrsregeln vertraut gemacht. Alles selbstverständlich.
Niemand muss das gesamte Betreuungsgesetz kennen, sondern nur die wichtigen Regelungen, die an vielen Stellen zur Information angeboten werden. besonders im Internet.

Seit Jahren gibt es genügend Aufklärungsveranstaltungen aller Institutionen wie sie jetzt auch in Lübeck stattgefunden haben. Diese werden mit dem Auftrag getragen, dem Bürger fundiertes Wissen und vor allem Hilfestellungen im Umgang mit diesen Regelungen zu schaffen, die nur zu unserer eigenen Sicherheit dienen. Aber auch jeder von uns ist in seiner Verantwortung gefragt.
Auf diesen Infoveranstaltungen stehen im Idealfall genügend Broschüren oder wenigstens Adressen für diese Unterlagen zur Verfügung.

Hier können alle Formulare und Infos heruntergeladen werden.
Betreuungsrecht
Betreuungsverfügung
Vorsorgevollmacht
Patientenverfügung
http://www.bmj.de/DE/Buerger/gesellschaft/Patientenverfuegung/patientenverfuegung_node.html

Kommentar von Horst |

Liebe Margret,
wenn es doch nur so klar und einfach wäre! Wenn Du die Sendung mit Maischberger gesehen hättest, wärst Du vielleicht anderer Ansicht. Und warum nun eine Gesetzesänderung? Weil, so geht es aus dem Pressetext hervor, offensichtlich zu viele Menschen unter Betreung gestellt werden. Unsere Justizministerin erklärt jedenfalls: "Der Entwurf ist damit ein erster Schritt zu einer weiterzuführenden Diskussion über notwendige Veränderungen im Betreuungsrecht. Also auch sie meint, dass Veränderungen notwendig sind.

Zurück