Ein Plädoyer für den Nationalpark Schwarzwald

Die Situation: Es Ist erschreckend zu beobachten wie in den Städten und Dörfern des nördlichen und mittleren Schwarzwalds überall rechteckige Schilder mit der Aufschrift  „Nationalpark“ und einem dicken, roten Diagonalstreifen auftauchen. Soll heißen: „Nein zum Nationalpark“!

Was ist passiert?  Welche Ängste treiben die Menschen um? Bei der Holzindustrie ist die Ablehnung vordergründig verständlich, denn ihre Existenz basiert überwiegend auf  dem Vorhandensein der Fichte. Diese wird aber beim Umbau des Nationalparks stark reduziert werden. Da für den Umbau 20 bis 30 Jahre veranschlagt sind, fällt in diesem Zeitraum verstärkt Fichtenholz an. Und es bleibt genügend Zeit, um neue Strategien zu entwickeln.
 
Die Fichte wiederum ist im Schwarzwald nicht heimisch. Sie wurde ihres schnellen Wuchses wegen angebaut und ist sehr anfällig für Borkenkäferbefall. Wissen wir heute, ob der Klimawandel die Fichte nicht ganz aus dem Schwarzwald vertreiben wird?

Was unsere liebgewonnenen Gewohnheiten wie Wandern, Radfahren und im Winter Skilaufen betrifft, so werden diese hiervon nicht berührt. Der Kaltenbronn, eines der drei für den Nationalpark vorgesehenen Gebiete, ist das Ski- und Wanderzentrum des Nordschwarzwaldes. Auch diese Aktivitäten werden davon nicht berührt. Das Sammeln von Pilzen und Beeren ist im Kernbereich allerdings nicht gestattet.


Die Bedeutung des Nationalparks in der EU


Betrachten wir die Landkarte mit den 27 EU-Ländern. Außer den beiden Zwergen Malta und Zypern hat jedes Mitglied der EU mindestens einen Nationalpark. Spitzenreiter ist Schweden mit 24 Nationalparks, gefolgt von Polen mit 23. Die  Bundesrepublik Deutschland verfügt über 14 Parks. Auffallend dabei ist die große Zahl an grenzübergreifenden Nationalparks, wie den deutsch-luxemburgischen oder den erst vor kurzem eröffneten deutsch-schweizerischen Nationalpark.

Die Franzosen haben neben anderen in den Seealpen auf einer Höhe zwischen 2000 m und 3200 m den „Parc National du Mercantour“. Direkt daneben auf der anderen Seite der Grenze gibt es den italienischen „Parco Nationale Alpi Marittime“. Diese Art der grenzübergreifenden Nationalparks erlaubt es, der Tier- und Pflanzenwelt in allen Klimazonen zu ihrem Erhalt und ihrem Schutz größere zusammenhängende Flächen zuzuordnen. Und die Natur kennt bekanntlich keine nationalen Grenzen!

An dieser Stelle sollte festgehalten werden, daß fast alle Mitgliedsstaaten der EU - und nicht nur diese! - offensichtlich den festen Willen haben, besonders schützenswerte Gebiete in ihrem Hoheitsbereich vor der Zerstörung durch den Menschen zu schützen. Und wir sollten dabei nicht vergessen, daß viele dieser Parks heute Publikumsmagnete sind. Der südliche Teil des „Parc National du Mercantour“ ist eine vom Tourismus geprägte Gegend.


Der Bayerische Wald


Eine wiederum andere Situation treffen wir im Nationalpark Bayerischer Wald an, der 1970 als erster bundesdeutscher Nationalpark ins Leben gerufen wurde. Diese Region, direkt an der tschechischen Grenze gelegen, war der wohl strukturschwächste unter den damaligen Zonenrandgebieten. Die einzigen nennenswerten Industrien waren die Glasbläsereien und die Holzindustrie. Die klimatischen Bedingungen machten den bayerischen Wald zu einem Eldorado für Skilangläufer. Da bot es sich an, auf die Tourismuskarte zu setzen, vor allem auf junge Familien mit kleinem Geldbeutel. Gleichzeitig trug man dafür Sorge, dass dieser dünn besiedelte Raum in seiner Ursprünglichkeit erhalten blieb.

Wer in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nach Bayerisch Eisenstein kam, der konnte sich der trostlosen Atmosphäre dieses Ortes und des direkt hinter dem Ortsschild beginnenden Eisernen Vorhangs nicht entziehen. Die Grenzstation zu Tschechien war einer Festungsanlage nicht unähnlich. Diese Trostlosigkeit hielt damals auch viele Urlauber davon ab, hier länger zu verweilen.

Wer heute nach Bayerisch Eisenstein kommt, begegnet einem pulsierenden, modern ausgerichteten Ort mit einer verkehrsreichen Grenze. Der Ort ist in der Mitte Europas angekommen. Dasselbe gilt für den gesamten Bayerischen Wald und den Böhmerwald auf tschechischer Seite. Diese beiden Regionen, seit jeher eine geographische Einheit, sind heute dabei, zu einer touristischen Einheit zu verschmelzen. Das Wegenetz für Wanderer, Radfahrer und im Winter Skilangläufer ist im Nationalpark Bayerischer Wald und im Nationalpark Sumava auf tschechischer Seite grenzübergreifend angelegt.


Der Schwarzwald


Eine noch andere Situation treffen wir im Schwarzwald an, welcher traditionell eine starke Holzindustrie hat. Kleine und mittlere Unternehmen prägen heute die Wirtschaftsstruktur dieser Region. Viele dieser Betriebe sind in ihrer Branche Weltmarktführer. Zudem ist der Schwarzwald eine der attraktivsten Feriengebiete Deutschlands. An seiner Westseite befindet sich eine der fruchtbarsten und wirtschaftlich dynamischsten Regionen Deutschlands, das Rheintal. Geographisch liegt das Rheintal auf der Nord-Südachse der EU, vom Nordkap bis Sizilien. Das alles wirkt wie ein Sog auf die Menschen. Die Gefahr der Zersiedelung ist real gegeben.

Baden-Württemberg zählt zu den wirtschaftlich dynamischsten und innovativsten Regionen in der EU. Das wurde jetzt wieder bei der zehnten Auflage der sogenannten „Open Days“ in Brüssel erkennbar, wo auf Einladung der EU-Kommission über Regionalpolitik in der EU diskutiert wurde. Hier geht es darum, dass die schwächeren Regionen von den erfolgreichen lernen. Baden-Württemberg fällt hier, nicht nur in Fragen der Jugendarbeitslosigkeit, eine Schlüsselrolle zu.

Man stelle sich vor: Baden Württemberg, wirtschaftlich eine der erfolgreichsten und dynamischsten Regionen der EU, ist in Fragen des Naturschutzes  Schlusslicht!  Das darf doch nicht wahr sein!

Ich habe hier versucht, die Problematik eines Nationalparks in Baden-Württemberg aus einer anderen Perspektive zu beleuchten. Diejenigen Leser dieses Artikels, die mehr über die Probleme bei der Gründung eines Nationalparks wissen möchten, verweise ich auf die Homepage www.pro-nationalpark-schwarzwald.de.
Heinz Pfeiffer

Kommentar von axel cantstetter |

Lieber Heinz,
das ist ein sehr interessanter Artikel zum Thema Nationalpark und überrascht mich etwas angesichts der politischen Veränderungen in Baden Württemberg (Grüner Landesvater und nun auch Grüner Bürgermeister in Stuttgart).
Die Probleme und Widerstände, die du beschreibst sind aber nicht spezifisch für die Region Schwarzwald, sondern treten überall da auf, wo versucht wird Nationalparks einzurichten und wirtschaftliche Interessen und Nutzungen eingeschränkt werden.
Das gleiche gab es in Schleswig Holstein, als in den 80er Jahren versucht wurde den Nationalpark Wattenmeer einzurichten.
Was gab es für Proteste, von den Anwohnern, den Krabbenfischern, den Deichschäfern, den Fahrgastschiffern, den Tourismusverbänden und noch vielen anderen Betroffenen.
Als er 1985 eingerichtet war und 1986 Niedersachsen nachzog sowie Hamburg (1990) und es trotzdem noch frische Krabben zu essen gab und der Tourismus nicht abnahm sondern zunahm beruhigten sich die Gemüter.
Aufregung gab es noch mal als Schleswig Holstein sein Gesetz 1999 verschärfte , das Gebiet erweiterte und weitere Nutzungen einschränkte. Inzwischen gehören alle drei Nationalparks zum Unesco Weltkulturerbe und sind ein gefragter Tourismusfaktor – allerdings um die unberüherte Natur zu erleben. Die eingeschränkte wirtschaftliche Nutzung z.B. keine Erdölbohrungen wird allgemein akzeptiert.
Das Argument, dass der Schwarzwald eine Hochburg des Tourismus sei, ist zwar richtig, ist die Nordseeküste und das Wattenmeer auch, aber beides schließt sich ja nicht aus. Im Gegenteil.
Viel Erfolg also.

Kommentar von Annegret |

Schaut doch einmal hier rein,

Wanderung durch das Wattenmeer zur Hallig
http://www.vile-netzwerk.de/was-gibts-neues-in/articles/weltnaturerbe-wattenmeer-1282.html

Kommentar von Heinz Pfeiffer |

Lieber Axel,
danke für Deinen Kommentar. Zunächst:Baden-Württemberg wurde ca. 50 Jahre von der CDU regiert. Was die wirtschaftlichen Strukturen betrifft, hat das dem Land gut getan. 2011 hätte die CDU sicherlich wieder gewonnen, wäre da nicht - so zynisch das klingt!- die Katastrophe von Fukushima gewesen. Die CDU hatte sich für die Atomkraft stark gemacht und wurde abgewählt. Jetzt haben wir einen grünen Ministerpräsidenten und einen ebensolchen Umweltminister, der auch noch Schwarzwälder ist, und da klappt es wahrscheinlich. Vorher hatten die Holz- und die Jagdlobby dreißig Jahre lang erfolgreich protestiert.

Die Befürworter des Nationalparks wollen auch auf Tourismus setzen, das einzige was man vernünftigerweise in solch einem Gebiet machen kann.

Was Du beschreibst, spielt sich gerade bei uns ab. Im Augenblick blasen die Befürworter des Projekts zum Gegenangriff indem sie überall in der Region Informationsveranstaltungen organisieren. Der Leiter des Projekts berichtet von Veranstaltungen in denen er nur niedergeschrien wurde, ohne zu Wort zu kommen. Je weiter die Leute weg sind vom Ort des Geschehens desto sachlicher das Benehmen der Zuhörer.

Überall dort wo die Leute sich von liebgewonnenen Gewohnheiten verabschieden sollen, würde ich das als typisches Verhaltensmuster beschreiben.

Ich hoffe es klappt!
Heinz

Kommentar von Gudrun |

Sehr geehrter Herr Axel,
trotz Recherchen konnte ich keinen deutsch-schweizerischen Nationalpark finden. Vielleicht könnten Sie mir hier einmal weiterhelfen.Vor kurzen wurde ein deutsch-schweizerischer Naturpark eingeweiht. Zwischen diesen beiden Formen gibt es aber gravierende Unterschiede.Der Suchraum des geplanten Nationalpark Nordschwarzwald liegt im größten Naturpark Deutschlands (375000 ha).Die Veränderungen im Bayerischen Wald haben wohl mehr mit den geänderten politischen Verantwortlichkeiten, als dem Nationalpark zu tun. Derzeit regt sich von tschechischer Seite ebenfalls Widerstand und man will den, mit Borkenkäfer befallenen Wald, abholzen.Man sollte sich beiderseits mit dem nötigen Respekt begegnen und auch anerkennen,was die Region bisher im Bereich Umwelt- und Naturschutz und den zahlreichen Schutzgebieten geleistet hat. Zuerst sollten sich die Menschen einmal der gravierenden Unterschiede zwischen Naturpark und Nationalpark bewußt sein. Fragen Sie jemand, ob er etwas für den Umweltschutz tun will, wird Ihnen sicher fast jeder vollmundig bestätigen,dass er dies auf jeden Fall tun will. Beschäftigt man sich aber mit den bürokratischen Hürden und den gewünschten Veränderungen des Landschaftsbild fällt das Ergebnis meist anders aus. Warum will man die Natur,Natur sein lassen und benötigt zuerst 30 Jahre, in denen man die Fichten entfernen und durch Buchen und Tannen ersetzen will, ist dies nicht auch ein Eingriff in die Natur und die Vernichtung von bisherigem Lebensraum zahlreicher Tiere und Pflanzen?

Kommentar von Axel Cantstetter |

Liebe Gudrun,
vielen Dank für Deinen Kommentar. Leider kann ich nur eine Deiner Fragen, beantworten, nämlich den Unterschied zwischen Nationalpark und Naturpark in der Schweiz.
Es gibt drei Kategorien von Pärken von nationaler Bedeutung für verschiedene Bedürfnisse und Nutzungen: Nationalpärke, Regionale Naturpärke sowie Naturerlebnispärke.
Nationalpark-
Nationalpärke sind grössere Gebiete, welche der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt unberührte Lebensräume bieten und der natürlichen Entwicklung der Landschaft dienen. Sie dienen auch der Erholung und Umweltbildung sowie der wissenschaftlichen Forschung. Sie gliedern sich in eine Kern- und eine Umgebungszone.
Regionaler Naturpark-
Regionale Naturpärke sind teilweise besiedelte, ländliche Gebiete, die sich durch hohe Natur- und Landschaftswerte auszeichnen. Sie fördern eine nachhaltige Entwicklung der regionalen Wirtschaft.
Naturerlebnispark-
Naturerlebnispärke sind Gebiete in der Nähe von dicht besiedelten Räumen, welche der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt unberührte Lebensräume bieten und der Allgemeinheit Naturerlebnisse ermöglichen. Sie gliedern sich in eine Kern- und eine Übergangsgszone.
Quelle: Bundesamt für Umwelt Schweiz(BAFU)
Mir ist, ehrlich gesagt, auch nicht ganz klar, wie Du vom Schwarzwald und den politischen Veränderungen in Baden Württemberg auf den Bayrischen Wald und auf die Borkenkäfer auf tschechischer Seite kommst. Vielleicht kannst du das noch mal ausführlicher erläutern.
Ich finde es sehr schön, dass an Hand dieses Artikels endlich mal eine Diskussion stattfindet.
Axel

Kommentar von Gudrun |

Sehr geehrter Herr Axel,
danke für deine Antwort. Die Ausführungen der verschiedenen Schutzgebiete sind mir persönlich gut bekannt. Eigentlich hätte ich die Anfrage wohl auch eher an Heinz richten sollen, denn er schreibt von dem deutsch-schweizerischen Nationalpark, der meiner Ansicht nach eigentlich ein deutscher-schweizer Naturpark ist. Genau diese Diskussion über die verschiedenen Schutzformen erlebe ich aktuell sehr oft. Ich lebe im Suchraum des geplanten Nationalpark Nordschwarzwald und wenn man ins Gespräch kommt mit Gästen oder Menschen allgemein von ausserhalb, wird man immer gefragt, ihr habt so eine schöne Heimat, warum wollt ihr die nicht schützen und einen Nationalpark haben? Genau den Schutz der Heimat und Natur wollen aber die meisten Menschen vorort. Nur sieht diese Form etwas anders aus, als die der Politik und Naturschutzverbände. Hier will man die Kulturlandschaft im Ganzen bewahren, nicht nur die Grinden (die auch im Nationalpark rausgenommen und gepflegt werden würden) sondern innerhalb der verschiedenen Schutzgebiete, die heute schon vorhanden sind (FFH,Landschaftschutz,Naturschutz, Bannwald etc.) Bei den meisten Menschen hier, stellt sich ein beklemmentes Gefühl ein, wenn man die Bilder der abgestorbenen Bäume im Bayerischen Wald sieht und auch die Experten sagen, dass sich die Bevölkerung auf ein geändertes Landschaftsbild einstellen muss.Argumente, wie große Zunahme im Tourismus, lassen sich auch mit statistischen Zahlen nicht belegen, da das touristische Umfeld (viele 4 und 5 Sterne Häuser)anders ausgerichtet ist.Immer wieder wird der Bayerische Wald als Vergleich zu einem möglichen Nationalpark Nordschwarzwald herangezogen, nur wenn es um die Borkenkäferproblematik geht, ist der Bayerische Wald auf einmal ganz anders aufgestellt. Dann herrschen andere klimatischen Bedingungen etc. Ich habe noch das Vertrauen in die Politik,dass man die Ergebnisse des derzeit erstellten Gutachten abwartet, die Ergebnisse der Bevölkerung in den betroffenen Landkreise präsentiert und auch die bereits von Stadt- und Gemeinderäten beschlossenen Bürgerbefragungen (in Wahlform) bei der Entscheidung des Landtags berücksichtigt werden. Noch steht die Ausage von Herrn Minister Bonde, es wird keine Einrichtung ohne breite Zustimmung der betroffenen Region geben.Aber auch es gibt eine ergebnisoffene Diskussion und ich hoffe, dass die neue Landesregierung den angekündigten Führungsstil auch entsprechend umsetzt und das Ohr am Bürger hat.

Kommentar von Annegret |

Mehrheit wünscht sich Nationalpark Schwarzwald
wer interessiert ist schau einmal hier rein:
http://www.greenpeace-karlsruhe.de/joomla/

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