Flüchtlingshilfe im Alltag – ein persönlicher Bericht

In vielen deutschen Städten und vor allem in kleineren Gemeinden gibt es unzählige ehrenamtliche Helfer und Helferinnen, die sich in Vereinen, Verbänden, karitativen Organisationen,  Kirchen, Sportvereinen und privaten Initiativen engagieren, um den gewaltigen Zustrom von Flüchtlingen vor Ort einigermaßen zufriedenstellend zu organisieren. Sie unterstützen dabei indirekt oder direkt die professionellen Helfer der Ämter und Behörden, der Kommunen, der Länder und des Bundes dabei, das sonst entstehende Chaos zu verhindern und von Mensch zu Mensch Hilfe zu leisten und Unterstützung anzubieten.

Über eine ehrenamtliche Initiative in Lübeck, die von einer kleinen Gruppe engagierter Menschen mit und ohne Migrationshintergrund im Herbst letzten Jahres gegründet wurde, sei hier berichtet.

Es geht nicht um die Ersthilfe für die gerade angekommenen Flüchtlinge, dafür sind die professionellen Einrichtungen zuständig, sondern um die konkrete Hilfe für diejenigen, die in kommunalen Gemeinschaftsunterkünften oder bereits in Wohnungen untergebracht sind, bei denen das Asylverfahren in den meisten Fällen aber noch nicht abgeschlossen ist.

Die Ehrenamtler wollen nicht nur eine Willkommenshilfe anbieten,  sondern viel eher Unterstützung zur Selbstorganisation beim Einstieg in das Leben in Deutschland.

Eine reichlich gedeckte Tafel

Einmal im Monat findet ein Treffen mit Flüchtlingen, deutschen Ehrenamtlern und interessierten Gästen statt. Zunächst seit Mai dieses Jahres im kleinen Rahmen, der rasch von 8 auf 40.Personen wuchs. Der Offene Kanal in Lübeck stellte dafür seine Räume bereit. Bald war der Raum zu klein und man musste im September umziehen in einen größeren. Der fand sich bei Cloudsters, einer privaten Initiative, die ein leerstehendes Postgebäude gemietet hat und nun in zwei Etagen Arbeitsplätze, Gruppenräume und die dazugehörige Technik für Startup Unternehmen, junge Bürogründer oder Freiberufler anbietet, die sich keine eigenen Räume leisten können. Und sie bieten den Flüchtlingen diese Räume jeweils freitags kostenlos für ihre Arbeiten, Internetnutzung, Diskussionsrunden und sonstige Vorhaben an.

Meine iranischen Tischnachbarn

Ich nahm am Sonntag, dem 13. September an so einem Interkulturellen Frühstück teil. Die Organisatoren bereiteten alles perfekt vor und jeder brachte etwas zu essen oder zu trinken mit, Es kamen ca 70 Personen, Familien mit Kindern, Ehepaare , und natürlich viele junge alleinstehende Männer - eine bunte Mischung. Was auffiel, an diesem  Tag waren überwiegend Iraner anwesend, obwohl nach Auskunft des Organisationsteams üblicherweise auch Gäste aus vielen anderen Herkunftsländern an den Veranstaltungen teilnehmen.

Der Sitzplatz wurde ausgelost, damit sich Deutsche und Flüchtlinge mischen und nicht die üblichen Freund-zu-Freund Sitzordnungen die Kontaktaufnahme verhindern.

Auch Kinder und Jugendliche nahmen lebhaft teil

An meinem Tisch saß noch eine Deutsche und der Rest waren Iraner, eine junge Familie mit einer 2 jährigen Tochter und eine ältere Familie mit ihrer ca 14 Jahre alten Tochter. Alle waren schon fast 2 Jahre in Lübeck, bzw in der Umgebung. Alle haben einen Beruf und würden gerne möglichst rasch in ihren Berufen arbeiten, was aber auf Grund der geltenden Richtlinien noch nicht möglich ist.
Im Zuge der Gespräche erfuhr ich viele  Dinge über ihre Heimat. ich hörte von den riesigen Städten, aus denen sie kommen, von  schneedeckten Bergen und von ihren Alltagsproblemen.

Meine iranische Patenfamilie 

Da die jüngere Familie schon fast perfekt deutsch spricht, habe ich mich entschieden, mit dem älteren Ehemann Kontakt aufzunehmen und so etwas wie eine informelle Patenschaft anzubieten.

Dabei wird keine professionelle Hilfe im Bereich Spracherwerb, Arbeitssuche oder Jobvermittlung angestrebt, sondern der Kontakt zu einer deutschen Bezugsperson, mit der der Betreffende alle Probleme, die mit Behörden entstehen können, besprechen kann. Bei einer Stadtbegehung soll der Flüchtling kennenlernen, wie eine deutsche Stadt organisiert ist, wo welche Ämter und Behörden und die kulturellen Einrichtungen sind. Und ganz wichtig für meinen Partner, welche Sport-  und kulturellen Einrichtungen gerne mit Flüchtlingen arbeiten, wo deren Treffs sind.usw.

Schon bei der Terminabsprache fiel mir auf, dass mein neuer iranischer Freund kaum Zeit hat. Zur Zeit hilft er wie fast alle Flüchtlinge engagiert der Diakonie, Zelte und Container-Dörfer aufzubauen, einzurichten und  auszustatten. Außerdem zeigt er zusammen mit anderen Flüchtlingen großen Einsatz bei der Pflege und Erhaltung eines von einer Bürgerinitiative betriebenen Freibades, das im Sommer oft kulturelle Veranstaltungen durchführt, zu denen nun auch die Flüchtlinge eingeladen werden und gerne kommen. Ein Beispiel erfolgreicher Integration.

Was für ihn im Moment am wichtigsten sei fragte, ich ihn: “Dass ich endlich richtig Deutsch lernen kann in einem VHS-Kurs“(auf den er seit 1 1/2 Jahren wartet) und dass er einen Praktikumsplatz oder sogar einen Arbeitsplatz erhält.

Nach neuester Regelung können sich Flüchtlinge selbst einen Praktikumsplatz besorgen, was aufgrund der mangelnden Kenntnisse über Betriebe usw. schwierig ist. Hier hilft bei der Kompetenzfeststellung, Berufsorientierung und Suche nach einem Praktikum das Projekt der Handwerkskammer „Land in Sicht – Handwerk“  mit der Hoffnung, dass daraus feste Übernahmen entstehen.
Da alle Flüchtlinge hier im Raum Tablets oder Smartphones haben, ist es auch kein Problem, bis zum nächsten Frühstück in 4 Wochen miteinander zu kommunizieren.

Unser nächstes Treffen musste er leider absagen, da wegen des täglichen Zustromes von hunderten von Flüchtlingen die Errichtung eines weiteren Flüchtlingslagers notwendig wird und er dabei helfen wollte.

Es wäre schön , wenn aus den anderen Städten und Gemeinden, in denen ViLE Mitglieder wohnen und vielleicht auch ehrenamtlich bei dieser Aufgabe tätig sind, darüber berichten. So können gute Ideen und Projektansätze weitergetragen werden. Und vielleicht ein Erfahrungsaustausch stattfinden.

Text und Fotos Axel (04.10.2015)

Kommentar von Barbara Heinze |

lieber Axel,
jetzt bin ich endlich dazu gekommen, Deinen Beitrag zu lesen! Fand ich sehr interessant. Ehrlich gesagt habe ich mich bisher nicht so direkt mit Flüchtlingen beschäftigt, weil ich zeitlich ziemlich verplant bin. Aber ich tausche mich natürlich mit Freunden und Bekannten darüber aus, was sie dazu denken und machen. Euch kann ich nur wünschen, dass ihr weiterhin tatkräftig mitmacht und entsprechend positive Rückmeldungen bekommt.

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