Lübeck: Weniger Flüchtlinge aber mehr Aufgaben

Die Zahl der Flüchtlinge die nach Lübeck kommen ist, wie überall in Deutschland, stark zurück gegangen. Die ersten Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) des Landes  werden geräumt.

Dafür nimmt die Zahl der Flüchtlinge, die in Notunterkünften leben, und nun in Wohnungen untergebracht werden müssen, zu und stellt die Stadt vor große Probleme.

Um uns über die aktuelle Situation und die notwendigen Maßnahmen zu informieren, hatten wir den Migrationsberater Jahan Mortezai zur ViLE Sitzung am 27.5.2016 eingeladen. Er arbeitet im Integrationszentrum  des AWO Landesverbandes in Lübeck.

Mortezai ist bereits 1986 aus dem Iran  nach Deutschland geflohen und hat nach seiner Anerkennung als Asylsuchender das Abitur an der katholischen Fachhochschule in Paderborn gemacht und Sozialarbeit studiert. Danach hat in Bielefeld und Kiel gearbeitet. Seit 2004 ist er als Migrationsberater bei der AWO in Lübeck tätig.


Jahan Mortezai  (rechts) beim Arbeitsfrühstück von ViLE-Lübeck.

Das Integratioszentrum Lübeck bietet  u.a. Migrationsberatung in sämtlichen Lebensfragen für erwachsene Zuwanderer und ihre Familien, also nicht nur für Flüchtlinge an. Wobei in den letzten Jahren der Schwerpunkt natürlich bei den Flüchtlingen lag. Die unbegleiteten  Jugendlichen und junge Erwachsene (bis 27) werden durch andere Träger betreut.

„Weiterhin bieten wir Integrationskurse (Deutsch und Orientierungskurse) sowie Multiplikatorenberatung“, erzählt Mortezai. „Zu uns kommen Menschen aus über 54 Herkunftsländern.“

Die fehlenden Sprachkenntnisse sind das Hauptproblem aller Teilnehmer. Deshalb sind die ersten Maßnahmen Sprachkurse. Leider bekommen nicht alle Flüchtlinge diese Sprachkurse, sondern nur die aus den vier Herkunftsändern Iran, Irak, Syrien und Eritrea.

Geflüchtete Menschen aus Afghanistan z.B. dürfen keinen Integrationskurs besuchen, da sie angeblich keine positive Perspektive auf Asyl in Deutschland haben. Weitere Staaten wurden inzwischen zum sicheren Herkunftsland erklärt, wie die Balkanstaaten, und somit erhalten Geflüchtete aus diesen Ländern keine geförderten  Sprachkurse vom Bund. Dennoch versuchen die freien Träger auch diesen Flüchtlingen Sprachkurse anzubieten. Das sind die sog. ESF-BAMF-Kurse, die durch die Volkshochschule und die AWO angeboten werden.

.Jahan Mortezai kritisiert die Situation der Flüchtlingsbetreuung in Lübeck, die durch einen Vertrag aus 1993 nur einem Träger überlassen wurde. Diese Monopolstellung führt zu Überforderung dieses Trägers und verhindere die Nutzung der Ressourcen weiterer Träger. Hier handeln Kiel und Flensburg viel zeitgemäßer.

Ein Vorteil in Lübeck war und ist, dass die Stadt von Anbeginn an auf eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge gesetzt hat. Zwar ließ sich durch den plötzlichen Anstieg der geflüchteten Menschen  die kurzfristige Unterbringung in Hallen, Schulen und anderen Notunterkünften nicht vermeiden, aber als zweiter Schritt folgt immer die dezentrale Unterbringung in kleineren Gemeinschaftseinrichtungen und danach in Wohnungen. Das ist im Moment das größte Problem, da in Lübeck nicht genügend Wohnraum verfügbar ist.

Die Stadt hat zwar ein riesiges Wohnungsbauprogramm beschlossen, dessen Umsetzung wird aber einige Jahre dauern. Es ist geplant, Wohnungen so zu bauen, dass sie sowohl von Geflüchteten als auch von in Deutschland Lebenden  bewohnt werden können. Es werden also keine billigen Unterkünfte, sondern normale Wohnungen im Rahmen des Sozialen Wohnungsbaus. Die Stadt ist sogar bereit, die Grundstücke wesentlich billiger abzugeben, wenn die Unternehmen sich verpflichten, solche Wohnungen zu errichten.

Abschließend berichtete Jahan Mortezai, dass es jetzt sogar erste Fälle von freiwilligen Rückkehrern in die Herkunftsländer wie z.B. Irak oder Iran gibt, weil die Hoffnungen und Erwartungen, welche die Geflüchteten hatten, hier nicht erfüllt werden bzw. familiäre Probleme sie zu diesem Schritt zwingen.

Text Axel, Foto Margret (14.06.2016)

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