„Nur nicht allein und nicht ins Heim“.

Bericht über ein Wohnprojekt in Lübeck.

 Im November letzten Jahres hatte der Lübecker Beirat für Seniorinnen und Senioren und die Lübeck Gruppe ViLE, 3 Lübecker Wohnungsbaugesellschaften eingeladen um besondere Wohnprojekte für gemeinschaftliches Wohnen älterer Menschen vorzustellen. Nur der Gemeinnützige Lübecker Bauverein, eine Genossenschaft, hatte zwei solche Wohnprojekte. Wir beschlossen damals, diese auch zu besuchen. (Bericht über die Versammlung ist im Netz).

Am Freitag den 19.7.2019 ist es so weit. Die Sonne scheint sommerlich warm und die ViLE Lübeck Gruppe trifft sich vor der Wohnanlage des Lübecker Bauvereins: “Für gemeinsames Wohnen der Generation 60 plus“.
Sie liegt in unmittelbarer Nähe des großes Stadtparks und des Naherholungsraums Wakenitz. Direkt vor der Tür ist die Haltestelle für etliche Buslinien. Eine Einrichtung für medizinische Versorgung ist auf dem gleichen Grundstück. Bis in die Altstadt sind es 5 Minuten mit dem Bus. Ein idealer Standort also.

Wir werden empfangen von 2 Herren des Lübecker Bauvereins, dem Abteilungsleiter, der dieses Projekt entwickelt hat und einem Kollegen, der ein ähnliches Projekt verwirklichte, sowie 3 Bewohnerinnen die im Beirat sind und von Anfang an in der Wohnanlage leben.
Nach einem Rundgang und Besichtigung der Außenanlagen, insbesondere der wunderbaren Gartenfläche für das ganze Projekt, sowie der den Erdgeschosswohnungen zugeordneten Freiflächen, erfahren wir in dem großzügigen Gemeinschaftsraum näheres über die Anlage.

 Im Jahre 2006 gründeten einige Damen unter dem Motto „Nur nicht allein und nicht ins Heim“ eine Interessengemeinschaft. Sie sucht Bauträger die eine Wohnprojekt verwirklichen würden, das Ihren Wünschen nach gemeinschaftlichem Wohnen älterer Menschen (von über 60 bis 75) entspricht. Hierzu gehört, dass es sich um abgeschlossenen Wohnungen handelt, altersgerecht und barrierefrei. Zusätzlich sollten auch Wohnungen im Förderprogramm des sozialen Wohnungsbaus enthalten sein. Außerdem ein Gemeinschaftsraum und ein Gästezimmer für Besuche, da die meisten Wohnungen nur 2 Zimmer Wohnungen sind.
Beim Lübecker Gemeinnützigen Bauverein, einer Genossenschaft, fanden sie Gehör und gemeinsam wurde das Projekt entwickelt.Ursprünglich waren 15 Wohneinheiten geplant – wegen der große Nachfrage – entwickelte der Bauverein aber einen großen lang gestreckten 4 bis 5 geschossigen Neubau, mit insgesamt 42 Wohnungen. Die Wohnungen in dem obersten Geschoss sind 3 Zimmer Wohnungen, alle andern zwei Zimmer Wohnungen. Insgesamt leben heute dort 47 Bewohner*innen, der größte Teil Frauen.
Die Anlage wurde 2010 fertiggestellt und schon beim Spatenstich waren alle Wohnungen vergeben.

Recht lebhaft und voller Stolz erzählten uns die 3 Damen aus dem Beirat von ihrem Gemeinschaftsleben, das sehr umfangreich und intensiv ist.
Alle Bewohner*innen wählen für jeweils zwei Jahre einen Beirat, der aus 5 Personen besteht. Einmal im Monat findet eine Bewohner*innen Versammlung statt - Teilnahme ist Pflicht - es werden sogar darüber Protokolle geführt.
Eventuelle Streitigkeiten werden in dieser Versammlung besprochen und auch geklärt. Nach Aussage des Abteilungsleiters vom Bauverein wurde in den vergangenen 9 Jahre kein einziges mal die für Mietstreitigkeiten zuständige Mitarbeiterin eingeschaltet.

Die Bewohner*innen haben sich auch eine eigene Gemeinschaftsordnung gegeben, die Bestandteil des Mietvertrages ist und sie haben das Recht bei der Vergabe der Wohnungen nach Anhören der Bewerber*innen zu entscheiden ob diese in die Gemeinschaft passen.
Diese doch sehr weitgehende Mitbestimmung wird vom Bauverein inzwischen etwas kritisch gesehen und bei weiteren Projekten nicht mehr angewendet.

Das Gemeinschaftsleben der Bewohner*innen sieht recht vielfältig aus und besteht aus vielen gemeinsamen Tätigkeiten und Veranstaltungen wie: gemeinsames Kochen/Backen, Werken und Gestalten, Filmabende, Sommerfest, Weihnachtsessen, Ausflügen und sogar Ausstellungen für Bilder oder Fotografien von Bewohner*innen und vielen anderen.

Dafür steht ihnen ein großzügig gestalteter Raum zur Verfügung, der mit einer perfekt ausgestatteten Küche versehen ist und in dem Veranstaltungen für alle Bewohner*innen abgehalten werden können.
Man merkt deutlich, dass der Bauverein, der sehr stolz auf dieses Projekt ist, sich auch finanziell stark engagiert.

Aber auch die Bewohner*innen haben sich auf eigene Kosten einen riesigen Fernseher angeschafft, auf dem sie auch gemeinsam Filme oder Dokumentationen sehen können. Und auch einen eigenen Kopierer gibt es. Außerdem werden Ausstellungen von Bildern oder Fotos der Bewohner*innen gezeigt.

Auf unsere Frage welche Chancen wir (ViLE) denn hätten in diese Wohnanlage einzuziehen, sagten sie uns, dass es eine Warteliste von über 50 Bewerber*innen gibt und von ihnen keiner freiwillig auszieht, weil sie sich in dieser Gemeinschaft so wohl fühlen.
Da wir alle, außer einem Mitglied, sowie so nicht die Altersgrenze erfüllen – wir sind alle über 75 - Erübrigte sich eine weitere Diskussion dazu.
Allerdings stellten wir doch die kritische Nachfrage, ob denn in einer Anlage für gemeinschaftliches Wohnen älteren Menschen eine solche Beschränkung sinnvoll sei. Die Antwort war: Da sie davon ausgehen, dass hier keiner freiwillig auszieht, wird in den nächsten 10 Jahren der Altersdurchschnitt sicher weit über 80 liegen und da sei es doch sinnvoll jüngere Personen nachziehen zu lassen.

Zum Schluss waren wir von ViLE uns einig, dass es viel mehr solcher Anlagen geben müsste. Auf Nachfrage erklärte der Bauverein, dass eine dritte Anlage in Travemünde geplant sei. Die zweite Anlage besichtigen wir Anfang August.

Fazit: Ein tolles Projekt!

Und die Frage an die ViLE Mitglieder: Gibt es bei Euch auch solche Wohnprojekte, wenn ja berichtet doch mal drüber.

Axel. – 07.2019

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