Polen: Rechtspopulisten an der Macht

Polen ist nach Ungarn das zweite Land in der Europäischen Union, in dem eine rechtspopulistische Partei die Regierungsmacht errang. Verschreckt schrieb die ZEIT am 26.Oktober 2015: „Am Sonntag nun besiegelten die Wähler zwischen Oder und Bug das Ende Polens, wie wir es im vergangenen Jahrzehnt kennengelernt haben – jenes modernen, der Zukunft zugewandten Wirtschaftswunderlandes, das nach seinem EU-Beitritt 2004 zu einem allseits geachteten Partner in Europa aufgestiegen ist.“

Die erzkonservative, in Teilen nationalistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) des Rechtspopulisten Jaroslaw Kaczyński hatte die Wahl zum Sejm, dem polnischen Parlament, mit knapper absoluter Mehrheit gewonnen. Die rechtsliberale Bürgerplattform PO erlitt nach acht Jahren eine Niederlage. Bereits im Mai dieses Jahres war der PiS-Kandidat Andrzej Duda zum  Präsidenten gewählt worden.

Jaroslaw Kaczyńskis Partei betont den Stolz auf die Nation und die Geschichte Polens,  auch innerhalb der EU, und grenzt sich ab zu anderen Staaten. Dazu gehört auch die Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik, die Minister Waszczykowskis in einem Brief an den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier nachdrücklich äußerte. Die polnische Regierung hätte sich von Beginn an gesträubt, Menschen aus islamisch-geprägten Ländern in Polen aufzunehmen.

Die ersten Änderungen der neuen Regierung riefen in Polen große Proteste hervor. Präsident Duda vereidigte wenige Stunden nach dem Wahlsieg der PiS fünf parteinahe Verfassungsrichter, nachdem er monatelang die Kandidaten blockierte, die das frühere Parlament vorgeschlagen hatte. Das war Anlass zu großen Demonstrationen in Warschau und anderen  Städten. Zehntausende versammelten sich und warfen dem Präsidenten einen Rechtsverstoß vor.

Die Regierung peitschte im Eilverfahren eine Gesetzesänderung zum Umbau der öffentlich-rechtlichen Medien durch das Parlament. Danach werden die Direktoriums- und Kontrollratsmitglieder aller öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiostationen künftig vom Finanzminister ernannt und abberufen. Bisher wurden die Leiter der Sender in einem Auswahlverfahren vom Nationalen Rundfunkrat (KRRiT) bestimmt. Europäische Journalisten- und Medienverbände kritisierten das Gesetz scharf und warfen der polnischen Regierung eine Einflussnahme auf die Medien vor.

Bereits kurz nach Regierungsantritt der PiS-geführten Koalition hatte sich das "Komitee zur Verteidigung der Demokratie" (KOD) gegründet. Gemeinsam mit der Opposition organisiert es Proteste gegen die Regierung unter anderem gegen die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes und gegen eine Novelle des Gesetzes über das Verfassungstribunal und die Anerkennung seiner Urteilssprüche.

Die Lehrer protestieren gegen die vorgesehenen Änderungen im polnischen Bildungssystem. Bisher folgen auf sechs Jahre Grundschule drei Jahre Gimnazjum, eine Art Oberstufe. Danach können die Schüler entweder auf ein allgemeinbildendes Lyzeum wechseln oder auf eine Berufsschule. Künftig soll der Zwischenschritt Gimnazjum wegfallen. Nach acht Jahre Grundschule können die jungen Polen dann sofort aufs Lyzeum wechseln oder eine Berufsausbildung beginnen.

Der Lehrerverband vermutet, dass die Regierung Schulen schließen und so an der Bildung sparen will. Wenn die Schulen umgruppiert würden, könne man etliche Direktoren auswechseln und mehr Lehrer, die der Regierungspartei PiS nahe stehen, in hohe Positionen bringen.

Einen Höhepunkt der Proteste gab es  im Dezember 2016 wegen einer geplanten Einschränkung der Pressefreiheit von Parlamentskorrespondenten. Pro Redaktion sollte nur noch jeweils ein Vertreter im Sitzungssaal anwesend sein dürfen, Video- und Tonaufnahmen sollen verboten werden. Die Protestierenden blockierten die Zufahrten zum Parlament und hinderten die PiS-Abgeordneten stundenlang daran, das Parlament zu verlassen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Inzwischen zog der Parlamentspräsident seine Anordnung zurück und signalisierte eine Neuregelung der Arbeit der Journalisten. 

Die Gewerkschaften, früher die wichtigsten Organisatoren von Protesten, dominieren diese Protestbewegung in Polen nicht mehr.

Die EU-Kommission in Brüssel leitete  erstmals den sogenannten Rechtsstaatsmechanismus ein und stellte die Regierung in Warschau unter Aufsicht. Wenn europäische Grundrechte ausgehebelt würden, sei das keine Einmischung in innere Angelegenheiten eines Mitgliedslandes, erklärte  der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn.

Im Dezember setzte die EU-Kommission der polnischen Regierung eine Frist von zwei Monaten, um die Bedenken bei der Reform des Verfassungsgerichts auszuräumen. Die Antwort aus Polen: Kein Handlungsbedarf.

Rainer/Horst (10.01.2017, Quellen: ZEIT, polenverstehen.de, SPIEGEL ONLINE; bpb, FAZ, Polen heute, BLICK, Deutschlandfunk)

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